Zusammenfassung
Sprache und sprachliches Verhalten gehören zu den Selbstverständlichkeiten jeder menschlichen Kultur.1 Wie ohne die Entstehung von Sprache-Welt-Systemen menschliche Kultur nicht möglich gewesen wäre, war die fortschreitende Sukzession von Sprache-Welt-Systemen die Voraussetzung dafür, daß der Mensch sich als „autonomes Wesen“ denken konnte. Die ökologische Krise wurde durch den Denkstil der radikalen Autonomie des menschlichen Subjekts in seiner Stellung in der Welt und aufgrund einer überproportional zunehmenden autogenen Sukzession von Sprache-Welt-Systemen vom Menschen selbst geschaffen. Wenn auch der anpassungsfähige Mensch dank seines potenten Gehirns und einer leistungsfähigen Sprache immer unabhängiger von den Selektionsdrücken der natürlichen Umwelt geworden ist und er sich teilweise eine synthetische Umwelt geschaffen hat, ist es ihm gleichzeitig gelungen, seine natürliche Umwelt für und stärker zu verändern, als es für sein Überleben gut wäre.2 Er vermag zwar mit Hilfe technischer Systeme immer mehr Informationen zu speichern, kommt aber dem Aussterben immer näher. Der moderne Mensch paßt sich nicht mehr seiner natürlichen Umwelt an, sondern versucht zunehmend, die natürliche Umwelt und seine eigene Natur ausgewählten, reduzierten Bedürfnissen und Werten anzupassen. Die Fähigkeit, die hierfür Voraussetzung war und ist, ist das Leben in Sprache-Welt-Systemen. In Sprache-Welt-Systemen müßten also Indikatoren der ökologischen Krise zu finden sein.
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Literatur
Zur Begründung einer ökologischen Sprachkritik und -pflege vergleiche auch FINKE 1983.
Zu Sprachnormen vergleiche: BARTSCH 1985, GRÖSCHEL 1982, GLOY/ PRESCH 1975f.
Mit den Unterschieden zwischen dem Norm-und Regel-Begriff setzen sich z. B. WIlVIIVIER 1982: 296ff. und BARTSCH 1985: 163ff. auseinander.
Zur Geschichte der Sprachkritik z. B. BEUTIN 1976 oder HERINGER 1982.
Hier sei auch auf die zeitweise einflußreichen Bestrebungen der allgemeinen Semantik hingewiesen, die kaum einer Disziplin eindeutig zuzuordnen ist. Ihr Begründer Alfred KORZYBSKI stellte drei Postulate auf: 1. Die Landkarte darf nicht mit dem Territorium verwechselt werden, d. h., Wörter dürfen nicht mit Dingen verwechselt werden. 2. Worte sagen nicht alles. 3. Worte können über Worte, über Worte usw. gewechselt werden. KORZYBSKI 1933, HAYAKAWA 1950, RAPOPORT 1982.
KLEMPERER 1969. Vergleiche zu diesem Thema auch einige Beiträge in HANDT 1964 und die Arbeit von WINCKLER 1970, dessen Position in Verbindung zu setzen ist zu ebenfalls sprachkritisch engagierten Vertretern der Frankfurter Schule: ADORNO, MARCUSE.
BEUTIN 1976 spricht zur Kennzeichnung dieser Phase von einer moralisierenden Sprachkritik.
STERNBERGER/STORZ/SÜSKIND 1957.
Vergleiche die Arbeiten von HELLMANN, z. B. 1976.
Beteiligte u. a.: STERNBERGER, STORZ, SÜSKIND, KORN und V. POLENZ - vergleiche z. B. die Beiträge des Sammelbandes von MOSER 1968.
Z. B. FETSCHER/RICHTER 1976, ILLICH 1979, MAYER-TASCH 1982.
Z. B. SCHNEIDER 1976, SCHWENGER 1983, USKE 1986.
WIMMER 1982: 339. Klagen über eine unökologische Sprachpraxis sind von der Seite der Industrie und des Philologenverbandes noch nicht vorgebracht worden.
TSCHIRSCH 1979: 47.
SCHMITZ 1985: 9/10 in seiner Einführungsrede zur Verleihung des Preises der ‘Henning Kaufmann Stiftung zur Reinheit der deutschen Sprache’ 1984.
Vergleiche auch DIECKMANN 1980: 509.
LYONS 1984: 43. Bei VON KUTSCHERA 1975: 23 heißt es: „Der Sprachwissenschaftler sieht seine Aufgabe darin, die Sprache zu beschreiben, so wie er sie vorfmdet, tatsächliche Normen sprachlicher Korrektheit zu erfassen, nicht aber darin, neue Normen aufzustellen. Seine Sätze wollen also deskriptiv, nicht normativ sein“.
Zum Nachweis der Interessenabhängigkeit des Sprachgebrauchs zum Thema ‘Umwelt’ in Umweltlexika siehe HASS 1989.
Über die Zusammenhänge von Technik und Herrschaft z. B. ULLRICH 1979.
Bei dem, was LUHMANN 1986 als „ökologische Kommunikation“ in den verschiedenen funktional differenzierten Subsystemen bezeichnet, handelt es sich aus einer ökologischen Perspektive durchgehend um eine unökologische Kommunikation. LUHMANNs Systemtheorie ist ein typisches Beispiel für eine unökologische Sichtweise, die sich z. B. in der Forderung nach der Streichung des Okosystembegriffs zeigt. LUHMANN 1986: 21f. und 162.
Die feministische Linguistik beschäftigt sich bereits mit der Gewalt durch Sprache sowie mit der Unterdrückung und Beherrschung von Frauen in Gesprächen, z. B. TRÖMEL-PLÖTZ 1984.
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© 1990 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Trampe, W. (1990). Ökologische Sprachkritik und -Pflege. In: Ökologische Linguistik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94182-4_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94182-4_9
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