Zusammenfassung
Das zentrale Thema einer ökolinguistischen Theorie ist die Erkenntnis der verschiedenen sprachlichen Relationen und Prozesse in ihrer Wechselwirkung mit Vorgängen in verschiedenen Umwelten. Die Wechselwirkung des Sprecher-Hörer-Individuums mit seiner Umwelt stellt die kleinste, selbständige ökolinguistische Einheit dar. Die sprachlichen, individuellen Umwelt-Interaktionen sind allerdings immer eingebettet in und vernetzt mit Sprecher-Hörer-Gemeinschaften. Obwohl Idiolekte normal sind, gibt es keine Privatsprachen. Sprache entsteht nur in Gemeinschaften verschiedener Sprecher-Hörer-Individuen. In der ökologischen Forschung wird bei der Untersuchung der Interaktionen/Kommunikation des Einzelorganismus mit der ihn umschließenden Umwelt von einer autökologischen Perspektive gesprochen. In der Linguistik entspricht diese Perspektive der der Psycholinguistik. Im weitesten Sinne geht es in einer autökolinguistischen Perspektive also um die Aufdeckung der ökologischen Bedingungszusammenhänge, denen sprachliche Prozesse des Individuums zugrundeliegen und die von sprachlichen Prozessen geschaffen bzw. beeinflußt werden.Das sprachbegabte Individuum für sich allein betrachtet, ist ein hochkomplexes System, das allerdings nicht komplexer strukturiert ist als seine Umwelt. Mit anderen Worten: Die jeweilige Umwelt des Sprecher-Hörer-Individuums ist immer komplexer als das Individuum für sich betrachtet. Die hier unterstellte Komplexität führt dazu, daß zwangsläufig Umgebungsbedingungen mehr oder weniger selektiv und reduziert in die sprachwissenschaftliche Untersuchung eingehen. Das seit BACON in die wissenschaftliche Praxis eingeführte Experiment ist das beste Beispiel einer bewußt vorgenommenen Reduzierung von Komplexität: Die Variablen, die in verschiedenen Situationen einen Einfluß ausüben können, werden je nach Versuchsanordnung als konstant, abhängig und unabhängig eingeordnet. Beispiele für solche reduktionistischen Tendenzen lassen sich in der behavioristischen Sprachforschung und in informationstheoretischen Ansätzen finden.
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Literatur
Z. B. NORMAN/RUMELHARD 1975, WINOGRAD 1983 oder SCHANK 1984.
Z. B. WHITAKER/WHITAKER 1976, SCHNELLE 1981 oder FRIEDERICI 1984. Hier gibt es wiederum Ansätze, beide kognitionsanalytischen Ansätze zusammenzuführen zu einer „cognitive neuroscience“. MARIN 1982.
Z. B. in bezug auf Konversation und Sprachakte: WUNDERLICH 1976 oder LEVINSON 1983.
Dieser Ansatz stammt von GARDNER 1983.
HERRMANN 1985, auf dessen Ansatz hier nicht explizit eingegangen werden kann, bemüht sich
So hat eine ökologische Semiotik ihren Platz z. B. bei der Untersuchung der Funktionen von Zeichen für den zeichenbenutzenden Organismus in seiner Umwelt.
MORRIS 1938 (1972): 20: „Man kann den Prozeß, in dem etwas als Zeichen fungiert, Zeichenprozeß oder Semiose nennen.“
Vgl. die Hypothese zur Entstehung von Sprache-Welt-Systemen Kap. 6.1.
BROWN: 1979. Diesen Informationsbegriff benutzt auch BATESON 1983, 1984.
Auf andere Versuche der quantitativen Erfassung des semantisch-pragmatischen Aspekts des Informationsbegriffes, z. B. auf den von BAR-HILLEL und CARNAP aus den Jahren 1953/54, der auf CARNAPs Theorie der induktiven Wahrscheinlichkeiten aufbaut, soll hier nicht eingegangen werden, da der dort entwickelte Informationswert nur auf künstliche Sprachen anwendbar zu sein scheint.
Diese aktive Filterfunktion wird eindringlich in dem Aufsatz „What the Frog’s Eye tells the Frog’s Brain“ von LETTVIN/MATURANA/MC CULLOCH und PITTS 1959 geschildert.
POPPER/ECCLES 1982: 359ff.
Erklärungen mit Hilfe des behavioristischen Reiz-Reaktionsschemas müssen also zwangsläufig versagen.
Hypothesen zum Verhältnis von Welt, Gehirn und Kreativität fmden sich z. B. bei KOCH 1981.
Auch für die sogenannte „Informationsökologie“ - COUNT 1973 - ist das neuronale System ein Untersystem des individuellen Organismus. Der Organismus ist seinerseits Teil des Organismus-Umwelt-Systems. COUNT unterscheidet zwischen drei Umwelten: Einer äußeren (physikalischen Umwelt), einer inneren (Selbstumwelt: Verbindung des
CHOMSKY (1973: 13) bevorzugt einen idealen Sprecher-Hörer, der in einer völlig homogenen Sprachgemeinschaft „lebt“. Diese Annahme ist mehrfach kritisiert worden z. B.: KANNGIESSER 1971, NEUMAIER 1979 oder JANSEN 1983.
HAARMANN 1975: 78. Zur Mehrsprachigkeitsforschung z. B. auch HAARMANN 1980 oder RAITH/SCHULZE/WANDT 1986.
Das Konzept der sozialen Kreise stammt von Georg SIMMEL - einem der Vorreiter der Sozialökologie.
Neben sozialem und ökonomischem Status, der mit Macht, Einfluß, sozialer Stellung und sozialem Prestige verbunden ist, dürfte es vor allem Vertrautheit sein (aufbauend auf Solidarität, gemeinsamen Überzeugungen und Werten, Gefühlen und Ideen), die den Zugang zu Sprache-Welt-Systemen eröffnet oder verschließt. Auf die Bedeutung dieser Faktoren weist nachdrücklich HAUGEN 1972 hin.
Zu Mehrfachanforderungskontexten und Mehrfachhandlungen: FUHRER 1983b. Bemühungen zur Herausstellung von Konturen einer allgemeinen ökopsychologischen Handlungstheorie finden sich bei KAMINSKI 1983, der diese gegen andere Handlungstheorien: dem TOTE-Modell von MILLER/GALANTER/PRIBAM (1973), dem Lebensraum —Modell LEWINs (1935) und dem Entscheidungsmodell LANTERMANNs (1980) abzugrenzen versucht.
Der Begriff „behavior setting“ stammt von BARKER 1968, der sich auf bestimmte alltägliche Geschehenskomplexe bezieht, in denen mit typischen Handlungsmustern zu rechnen ist.
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© 1990 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Trampe, W. (1990). Ein Ökologisches Sprecher-Hörer-Modell. In: Ökologische Linguistik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94182-4_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94182-4_8
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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