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Das Modell psychosozialer Belastung

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Grundlagen psychosozialer Beratung

Part of the book series: Beiträge zur psychologischen Forschung ((BPF))

  • 201 Accesses

Zusammenfassung

In antithetischer Setzung zu den später dargestellten traditionellen, zumeist psychologisch vereinseitigten Belastungs- und Ambivalenzkonzepten (soziaepidemioloische, streßtheoretische und psychodynamische Ansätze) sollen zunächst die sozioökonomischen Bedingungen psychosozialer Belastungen über die Kategorien der Charaktermaske, der Individualitätsform und des persönlichen Individuums aufgeschlossen werden. Die widersprüchliche (und theoretisch umstrittene) Sozialisation des persönlichen Individuums auf seine Individualitätsformen erweist sich nachfolgend als erste, die produktive berufliche Verwendung des Individuums als wesentliche Quelle psychosozialer Widersprüche und Ambivalenzen. Am Gegenüber von Identifikation und Gleichgültigkeit soll die widersprüchliche und psychisch belastende Qualität kapitalistischer Arbeitsverhältnisse, am Beispiel der sozialen Lebensbedingungen von Industriearbeiterinnen abschließend eine komplizierte, „doppelt gefügte“ Widerspruchs- und Ambivalenzkonstellation aufgezeigt werden. Auch und gerade auf der Ebene des Entwurfs ist die Entfaltung des Modells allerdings begrenzt (s. Kap. 1 und 3.1).

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Anmerkungen zu Kapitel 4

  1. Eine ausführliche Entfaltung der Marxschen Waren — und Wertform-analyse, die auch die kategoriale Grundlage für die in den kapitalistischen Produktionsprozeß eingelagerte Dialektik von Identifikation und Gleichgültigkeit (s. Kap. 4.3.2) abgibt, muß hier und im folgenden unterbleiben. Es sei auf die Marxschen Primärtexte, insbesondere die drei Bände des ”Kapital” (Marx 1867a; 1885; 1894) verwiesen.

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  2. In oberflächlicher Zusammenführung werden die Begriffe ”Entfremdung” und ”Verdinglichung” gelegentlich mit der Kategorie des Warenfetischismus synonym verwendet. Auf ihre inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Differenzen kann hier nicht näher eingegangen werden (s. dazu Erckenbrecht 1976, Grenz 1974 u.a.).

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  3. Das warenfetischistische Quidproquo wurde von Marx gelegentlich als ”Verrücktheit” etikettiert (nach Erckenbrecht 1976, 115), jedoch wohl nicht im buchstäblichen Sinne (vgl. Hegemann 1982).

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  4. Spekulation und Phantasie, Homologie und Assoziation ersetzten die Analyse und bauten theoretische Pappkameraden auf, die ein analytischer Windhauch umpusten kann. Daß Personifikation und Charaktermaske eine eng umgrenzte und durch keinen Taschenspielertrick zu verlängernde oder verändernde Bedeutung haben und in welcher Beziehung sie zu einer Theorie des Individuums stehen, wollen wir kurz herausarbeiten, um dem verkürzten Hinweis, dort sei über das Individuum und seine Konstitution schon ausreichendes gesagt, rechtzeitig zu begegnen ” (Rexilius 1975, 177 ).

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  5. Sèves problematischer Entwurf einer marxistischen Persönlichkeitstheorie und seine diesbezügliche Einordnung der Individualitätsform kann hier nicht kritisch aufgearbeitet werden (s. hierzu Ottomeyer 1976; 1980 u.a.).

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  6. Sève grenzt seine Theorie der Persönlichkeit zwar auch von den ”psychosozialen Wissenschaften” ab, identifiziert diese jedoch weitgehend mit ”Sozialpsychologie” (Sève 1972, 236 ff.).

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  7. Gleichwohl ist Ottomeyer vorzuhalten, die Erschließung der ‘subjektiven Ebene’ über die Kategorie der Charaktermaske im wesentlichen mit Hilfe einer gesellschaftstheoretisch ”unterfütterten” Interaktionstheorie zu vollziehen: ”Die Charaktermaske fungiert als die vermittelnde Kategorie zwischen den ökonomischen Verhältnissen und dem sozialen Verhalten der Individuen, das man als Interaktion bezeichnen kann. Der Konstitutionsprozeß der Charaktermaske selbst ist einer Beschreibung mit interaktionstheoretischen Kategorien nicht zugänglich; die Rekonstruktion dieses Prozesses muß zunächst in den Kategorien der Politischen Ökonomie geleistet werden. Der Ansatz der Interaktionstheorie hätte dort zu liegen, wo die Charaktermaske auf der wahrnehmbaren Interaktion der sinnlich - konkreten Individuen, durch welche hindurch sich die ökonomischen Verhältnisse blind reproduzieren, auflastet und ihr Verhalten strukturiert” (Ottomeyer 1974, 71 ).

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  8. Das Theorie - Problem bleibt allerdings bestehen, ”wie man dem im kapitalistischen System Nichtvergesellschafteten als Sozialem auf die Spur kommen kann, ohne (exemplarisch im Unbewußten, in den Trieben) Natur als solche zu postulieren (und dann, weil unentscheidbar, alles mögliche in sie hineinzuprojizieren)” (Wolf 1974, 86).

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  9. Ich bezweifele, daß sich überhaupt so etwas wie psychologische Konstanten der menschlichen Natur, die den Vergesellschaftungsprozeß nach innen begrenzen, identifizieren lassen” (Habermas 1973, 64).

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  10. Als ”formell subsumiert” im ursprünglichen, von Marx (1967a) auf den kapitalistischen Arbeits - und Verwertungsprozeß bezogenen Sinne, gilt Arbeit dann, wenn sie zwar schon für kapitalistische Zwecke verwandt wird, diese Zwecke die Arbeit als ihr Mittel jedoch der Form nach unverändert lassen. Erst die ”reelle Subsumtion” der Arbeit geht über die nur funktionale Unterordnung hinaus und verändert die Arbeit auch stofflich — material. ”Reell subsumierte” Arbeit hat damit ihre ”nicht — kapitalistische Jungfräulichkeit” (Deutschmann 1977, 116) verloren.

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  11. Dadurch wird es erklärlich, daß auch eine sozialwissenschaftlich reformulierte Psychoanalyse als ”kritische Theorie des Subjekts ihr organisierendes Zentrum auf dem Gebiet der primären bzw. familialen Sozialisation findet” (Gerhardt 1977, 104).

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  12. Deutschmann (1977) bezweifelt demgegenüber nicht allein die Prämisse vorkapitalistischer Gebrauchswertresiduen, sondern sogar die Notwendigkeit der Ausbildung identischer und interaktionsfähiger Individuen. Vielmehr werden von ihm die sog. Borderline —Persönlichkeiten als ”Ausdruck einer reellen Subsumtion der Produktion innerer Natur unter das Kapital begriffen. Sie leisten flexible Verhaltensanpassung nicht durch Ich — Integration, sondern durch Selbstfragmentierung und Abspaltung von Ich —Anteilen.” (ebd., 104 ).

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  13. Die ‘formgebenden’ Körpervorgänge der Mutter sind von keiner anderen Art als die formgebenden Handgriffe des Arbeiters… Der ’praktische Umgang’ der Mutter mit dem Kind unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der körperlichen Bewegung bei der Arbeit” (Lorenzer 1972, 50; vgl. auch Lorenzer 1974).

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  14. Auf der anderen Seite soll nun gerade aus diesen ”autonomen Bereichen” eine anti — kapitalistische Tendenz entspringen. Eine Überwindung kapitalistischer Vergesellschaftung über die Politisierung dieser nun als ”subversiv” unterstellten ”vorkapitalistischen Gebrauchswertresiduen” initiieren zu wollen, setzt sich zusätzlich dem Verdacht einer romantischen Idealisierung der historischen Voraussetzungen wie Änderungsbedingungen von Gesellschaft aus, deren theoretischer Ursprung letztlich ebenfalls in der fehlerhaften Konstruktion einer a—sozialen ”autonomen Psychologie” zu suchen ist. ”Person/Individuum/Psyche sind nicht als eigenständige Bereiche ausserhalb der Ökonomie in anderen, unkritisch adaptierten Theorien zu analysieren, mit deren Hilfe dann noch über den Kapitalismus hinausweisende emanzipatorische Alternativen formuliert werden sollen” (Wolf 1974, 97).

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  15. Der Verlust der relativen Autonomie der bürgerlichen Kleinfamilie, der sich subjektiv als Konflikt zwischen Familienwirklichkeit und (vor allem sozialpolitisch propagiertem) Familienideal darstellt, ist eine weitere, bedeutsame Quelle psychosozialer Belastungen (vgl. Zygowski 1987b).

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  16. Trotz weitgehenden Festhaltens am psychoanalytischen Kategoriensystem wird hier das Ambivalenzkonzept jedoch in deutlicher Abkehr von triebtheoretischer Vereinseitigung entworfen. ”Wir übernehmen die Begriffe Ambivalenz und Ambitendenz zwar aus der psychoanalytischen Diskussion um die Konstitution von Objektbeziehungen, verlagern sie aber auf einen anderen Konfliktbereich: Wir haben es nicht mit widersprüchlichen Affekten gegenüber Triebobjekten zu tun (z.B. gute Mutter/böse Mutter), also auch nicht in erster Linie mit der Analyse von Triebschicksalen, sondern mit Ambivalenzen als sozialpsychologischer Reaktion auf konkurrierende Motivationen angesichts einer widersprüchlichen Realität” (Bekker—Schmidt u.a. 1983, 42). Konflikte werden so ”von der Tiefen-dimension innerpsychischer Dramatik auf die sozialpsychologische Ebene der Verarbeitung gesellschaftlicher Inkompatibilitäten” (Bekker — Schmidt u.a. 1981, 74) transportiert.

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  17. Waldhubel (1983, 149) verwirft — allerdings mit inhaltlichem Bezug nahezu ausschließlich auf die arbeitswissenschaftliche Verwendung — jeden Versuch einer gesellschaftstheoretischen Reinterpretation des Belastungsbegriffs. ”Die Kategorie Belastung organisiert eine enthistorisierende und entsubjektivierende, milieutheoretische Sichtweise. Die Kategorie ist substantialistisch und individuumzentriert.”

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  18. Grundlagen, Methoden und Ergebnisse sozialepidemiologischer Forschung sollen im folgenden mit dem Ziel dargestellt werden, ihre behauptete Bedeutung für eine empirische Initiierung wie Fundierung des psychosozialen Störungsmodells zu verdeutlichen. Zur ausführlichen Information sei z.B. auf die Veröffentlichungen von Keupp (1972b; 1974c) oder Dohrenwend u.a. (1980) verwiesen.

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  19. Hegemann ( 1982, 112) vermutet, daß sich schon K. Marx über die ”strukturelle Verbindungslinie zwischen Kapitalismus und Schizophrenie” klar gewesen sei. So habe Marx etwa ”im Zuge seiner Korrespondententätigkeit für eine amerikanische Zeitung aus London berichtet, daß sich die Zahl der Geisteskranken in den Jahren der Industrialisierung verneunfacht habe. Er versucht aber keine Verbindung zwischen den Produktionsverhältnissen und der Struktur der Ich — Störung herzustellen, sondern berichtet breit über die mangelnden materiellen Behandlungsmöglichkeiten und die erniedrigende Behandlung, insbesondere der ‘armen (proletarischen) Geisteskranken’.”

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  20. Neben der Prävalenz, die sich noch in eine Punktprävalenz (Verteilung psychischer Störungen an einem bestimmten Stichtag) und eine Streckenprävalenz (Verteilung psychischer Störungen innerhalb eines festgelegten Zeitraumes) differenzieren läßt, findet als epidemiologischer Morbiditätsindikator auch die Inzidenzrate (Statistik über die Neuerkrankungen innerhalb eines definierten Zeitraumes) Verwendung.

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  21. Das akkumulierte Wissen spricht sehr für die soziale Verursachung auch wenn der schlüssige Beweis bisher nicht erbracht werden konnte” (Keupp 1972b, 49).

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  22. Diese Definitionen decken sich mit der originären Verwendung des Streß — Begriffes. In der physikalisch — technischen Materialprüfung bezeichnet ”stress” die auf ein Material einwirkende Kraft, ”strain” entsprechend die am Material auftretende Veränderung (vgl. Kar-maus 1979).

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  23. nach Nitsch (1981d, 54)

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  24. nach Wichmann (1978, 13)

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  25. Die Spezifitätsannahme wurde von Selye selbst in jüngeren Veröffentlichungen (Taché & Selye 1978, Selye 1981) zugunsten einer Annahme von ”nonspecific behavioral coping mechanisms” eingeschränkt.

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  26. Von zunehmender Bedeutung ist auch das person — environment — fit — Modell von French u.a. (1974) bzw. French (1973). Entwickelt für Streßbestimmungen in industriellen Organisationen stellt es objektive und subjektive Person — und Umweltvariablen in ein komplexes Analysefeld, um ”Ausgleich” (adjustment) und ”Anpassung” (fit) zwischen Umwelt und Person zu bestimmen. Auch das ”Life - ” Modell von Germain und Gitterman (1983) bemüht sich für den Bereich sozialer Arbeit um eine funktional - handlungsbezogene Analyse der Transaktionen zwischen dem Individuum und seiner personalen und sozialen Umwelt.

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  27. Brown u.a. (1975) haben allerdings im Rahmen der streßtheoretischen Konzeptentwicklungen eine weitgehende Distanzierung vom biologisch - organismischen Streßansatz vollzogen.

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  28. Lazarus (1966, 5 f.) selbst mußte eingestehen, daß sein kognitiv -transaktionales Streßkonzept auf zirkuläre Streßdefinitionen nicht verzichten kann. ”The approach is also at first circular in that the stress stimulus is defined by the reaction, and the stress reaction is, in turn, defined by its relationship with the stress stimulus… There is nothing wrong with this circularity in the exploratory stage of knowledge building where we are trying to discover order and create workable hypotheses. Ultimately, however we must be able to postulate and specify the precise conditions of the reaction” - ein Anspruch, der allerdings bislang nicht einzulösen war.

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  29. nach Karmaus (1984, 74)

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  30. Auch Disziplinen der empirisch - analytischen Psychologie lassen sich als ”Konfliktpsychologien” verstehen. So gilt z.B. in der Sozialpsychologie der individuelle oder interpersonale Konflikt als etabliertes Forschungsfeld (Deutsch 1976, Nolting 1987). In der Feldtheorie Lewins (1963), der wohl bedeutendsten sozialpsychologischen Konflikttheorie, wird ein besonderes Augenmerk auf ”Feldkräfte” gerichtet, die für die ”Appetenz - Appetenz - ”, ”Aversion - Aversions” oder ”Appetenz -Aversions” - Konflikte verantwortlich sind. Charakteristisch für die sozialpsychologische Konfliktforschung ist jedoch die fehlende sozioökonomische Aufklärung bzw. psychosoziale Vermittlung ihrer Konflikttypen, die als ”unspezifisch - organismische Konfliktkonstellationen” (Holzkamp - Osterkamp 1976, 277) auf anthropologischem Erklärungsniveau verbleiben, so z.B. mit dem Hinweis, daß ”sowohl biologische ais auch kultursoziologische Anthropologie die konstitutive Konfliktträchtigkeit des Menschen anhand überzeugender Materialien nachgewiesen” (Lückert 1976, 5) habe.

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  31. S. Freud konzipierte zunächst den ”klassischen und vollständigen” Ödipuskomplex einseitig nach dem unterstellten männlichen Konfliktverlauf und gestand auch in seiner Schrift ”Über die weibliche Sexualität” (1931) ein, ”daß unsere Aussagen über den Ödipus-komplex in voller Strenge nur für das männliche Kind passen” (ebd., 521 ). Die gebotene Hereinnahme einer weiblichen Variante, vor allem in Zusammenhang mit der Hypothese einer beidseitig angeborenen Bisexualität, fügte der Freudschen Modellkonstruktion eine erhebliche Komplizierung wie Unklarheit zu. Der von Jung angeregte Begriff ”Elektrakomplex”, der die ”Analogie im Verhalten beider Geschlechter betonen will” (ebd.), sei ”abzulehnen” (ebd.).

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  32. Bei den heilbaren Formen von Psychoneurosen findet sie sich neben der zärtlichen Übertragung, oft gleichzeitig auf die nämliche Person gerichtet, für welchen Sachverhalt Bleuler den guten Ausdruck Ambivalenz geprägt hat” (Freud 1912, 372).

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  33. E. Bleulers Differenzierung wird von Strotzka (1968, 297) in Frage gestellt: ”Die Bleulersche Unterscheidung zwischen intellektueller Willens — und affektiver Ambivalenz ist hingegen sicher fallen zu lassen. Wir wissen heute, daß alle drei Formen letztlich emotionell begründet sind”. Der Einwand trifft E. Bleuler aber nicht ohne weiteres: ”Die drei Formen lassen sich nicht trennen, gehen ineinander über und kombinieren sich (E. Bleuler 1911, 266 ).

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  34. Eine Zusammenfassung der kritischen Einwände gegen die stammesgeschichtliche Verankerung und die universelle Verbreitung des Ödipuskomplexes findet sich bei Reiche (1972) und Schneider (1973).

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  35. Auch das mit der Lohnabhängigkeit verbundene Existenzrisiko allein stellt schon eine psychosoziale Belastung dar (vgl. Gerhardt 1976, Schienstock 1983, Leithäuser 1985 ).

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  36. Unser Begriff der Arbeitsbelastung bezieht sich sowohl auf die psychische Belastung durch den allgemeinen identitätsbedrohenden Charakter industrieller Lohnarbeit als auch auf die direkte psychische und somatische Beeinträchtigungen durch meßbare Merkmale des Arbeitsplatzes wie Lärm, Schmutz, Hitze und auf die Art der Tätigkeit, die bei Einseitigkeit und Eintönigkeit der geforderten Leistung, zu einer Fragmentierung der subjektiven Strukturen, damit zu einer direkten Identitätsbedrohung führen kann ” (Volmerg 1976, 114 ).

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  37. nach Udris (1982a, 134)

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  38. Im Double - bind - Konzept wird ein relativ überdauernder Kommunikationsstil zwischen Mutter und Kind vermutet, der das Kind zwingt, auf widersprüchliche Botschaften der Mutter, die zumeist unterschiedlichen Kommunikationskanälen zugeordnet werden (verbal vs. nonverbal), zu reagieren, ohne daß ihm die Möglichkeit bleibt, die Widersprüchlichkeit zu integrieren oder sich ihr durch ”Verlassen des Feldes” zu entziehen.

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  39. So wird Vinnais Annahme, daß die betriebliche Situation des Lohnarbeiters analog zur familialen Double - bind - Konstellation durch Doppelbindungs -Widersprüche bestimmt sei, von Paris (1974) widerspruchs - und konflikttheoretisch mit Hinweis auf das Fehlen der Voraussetzungen der Extrapolation zurückgewiesen, wobei er betont, ”daß Widersprüche des Systems und widersprüchlich strukturierte face -to-face - Interaktionen sich nicht auf einen Begriff bringen lassen” (ebd., 73).

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  40. Kaplonek und Schroeter (1979) betonen zwar die ”Bedeutung des Arbeitsprozesses als primäre und wesentlich prägende Strukturen” (ebd., 285), weisen jedoch darauf hin, daß ”psychische Probleme… nicht ausschließlich aus den jeweils aktuellen individuellen Lebensbedingungen erklärt werden” (ebd., 307) können. Auch die Notwendigkeit, die Anforderungen des Reproduktionsbereichs erklärend beizuziehen, wird deutlich betont.

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  41. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit einschlägigen Theoriepositionen zur Frage der Gleichgültigkeit bzw. des Instrumentalismus in der Industriearbeit findet sich bei Knapp (1980; 1981).

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  42. Bei dem von Goldthorpe u.a. (1970/71) im Zeitraum von 1962 bis 1964 über ihre Einstellung zur Arbeit sowie zu politischen und gewerkschaftlichen Fragen interviewten 229 Arbeitern der Automobilindustrie handelte es sich um besser verdienende Arbeiter (”affluent workers”). Die Ergebnisse der Studie bekräftigen die These einer ”instrumentellen Arbeitseinstellung”, da die Befragten ihre Arbeit weitgehend als belastend und wenig befriedigend empfanden. Ihr Bezug zur Arbeit entsprang eher ”extrinsischer Motivation”, die sich auf eine materielle Besserstellung, höheren Lebensstandard und Prestigezuwachs gründete. Obwohl Anlage, Ergebnisse und Interpretation der Studie mehrfach kritisiert wurden (Herkommer 1972, Voß 1980 u.a.), beschleunigte sie die Verbreitung der These einer nur ”instrumentellen Arbeitsorientierung” des Lohnarbeiters in der arbeitssoziologischen Diskussion.

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  43. nach Hack u.a. (1972, 25)

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  44. Im Sinne der Kritik der Politischen Ökonomie ist nur die Arbeit ”produktiv”, die der Verwertung von Kapital unmittelbar dient und sich gegen Lohn tauscht (vgl. Marx 1967a ). Hausfrauentätigkeit ist innerhalb der kapitalistischen Organisation der Arbeit als ”unproduktiv” real abgewertet, da sie für die gesellschaftliche wie individuelle Reproduktion zwar unentbehrlich ist, jedoch nicht Mehrwert schafft, d.h. als variables Kapital fungiert. In diesem Zusammenhang ist auch die gegen die von Becker —Schmidt u.a. vorgenommene kategoriale Fassung von Erwerbs — und Hausarbeit geäußerte Kritik einer ”produktionszentristischen” kategorialen Verwischung von Fabrik — und Hausarbeit (Kramer 1982, 198) bzw. einer Unzulänglichkeit oder gar Beliebigkeit in der Formanalyse, die Frauen weiterhin als ”Opfer” der industriellen Bewegung fasse (Heise 1986, 270), zu stellen. Ihre Stichhaltigkeit soll an dieser Stelle nicht überprüft werden. Gewisse ”Defizite auf systematisch —theoretischer Ebene ” (Alheit & Dausien 1985, 33) sind Becker—Schmidt u.a. aber durchaus vorzuhalten (s. auch die Anmerkungen 46 und 49 ).

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  45. Von den widersprüchlichen Verhaltensanforderungen zwischen und innerhalb der beruflichen und der privaten Sphäre sind zwar auch Männer betroffen; die geschlechtsspezifischen Rollenzuweisungen legen aber in der Regel der Frau die aus der Doppelbelastung resultierenden psychosozialen Belastungen auf. ”Sicherlich kennen auch Männer Umstellungsschwierigkeiten — für sie impliziert die Privatsphäre aber nicht in gleicher Weise Arbeit, Verantwortung, Präsenz ” (Becker —Schmidt & Knapp 1987, 43 ).

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  46. Auch bei der Lektüre der Arbeiten von Becker-Schmidt u.a. stellt sich gelegentlich der Eindruck ein, als könne die subjektive Verarbeitung des objektiven Zwecks diesen gleichsam neutralisieren, konterkarieren oder gänzlich außer Kraft setzen.

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  47. Daß die Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Lebenssphären sich immer weniger im Sinne ”qualitativer” Differenzen beschreiben lassen, sondern einer raumgreifenden allgemeinen gesellschaftlichen Rationalisierung unterliegen und damit tendenziell immer stärker verwischen, wurde in Kap. 4.1.3 schon angedeutet. Auch Becker -Schmidt u.a. (1982, 50) sehen zwar z.B. ”qualitative Unterschiede im Hinblick auf Zeitstrukturen und Zeitorientierungen”, registrieren aber auch, daß ”die ‘Fahrpläne’ des gesellschaftlichen Alltags beide Erfahrungsbereiche reglementieren.”

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  48. Zu den gesellschaftlichen Funktionen und der widersprüchlichen Situation der bürgerlichen Kleinfamilie unter entwickelten kapitalistischen Verhältnissen s. König 1946, Claessens & Milhoffer 1973, Ostner & Pieper 1980, Cramer 1982, Gröll 1983, Zygowski 1987b, Hörmann,Körner & Buer 1988.

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  49. Auch von Becker-Schmidt u.a. wird nicht deutlich genug auf der Dominanz des Verwertungsprozesses über den Arbeitsprozeß insistiert oder die aus der Überzeugung der Industriearbeiterin, ‘nützliche Gebrauchswerte’ zu schaffen, resultierende Befriedigung angesichts der realen Produktion von Tauschwerten kritisch hinterfragt. Ignoriert so die Industriearbeiterin den Verwertungscharakter ihrer Tätigkeit, um sich aus der vermeintlichen ”Produktion für den Verbraucher” (Becker-Schmidt u.a. 1983, 19) ein Selbstbewußtsein zu schaffen, wird diese ’warenfetischistische’ Verkehrung des Zweckes der Produktion aufgrund der durch sie ermöglichten ’Selbstbestätigung’ nicht zum Gegenstand kritischer Reflexion gemacht (z.B. ebd.). Dies wäre jedoch schon deswegen dringlich, als die ’emotionalen Gewinne’ leicht in ’Verluste’ umschlagen können, da sie nur ”nicht-intendierte” (Becker-Schmidt 1982, 18) Nebenprodukte des Verwertungsprozesses sind, die bei nächster Gelegenheit Änderungen in der Art und Organisation des Arbeitsprozesses zum Opfer fallen (vgl. Körner & Zygowski 1985), und zudem ”wohl auch die Einsicht in die Verwertungsstrategien, die den Arbeitsprozeß objektiv strukturieren” (Becker -Schmidt u.a. 1981, 70), verstellen können.

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Zygowski, H. (1989). Das Modell psychosozialer Belastung. In: Grundlagen psychosozialer Beratung. Beiträge zur psychologischen Forschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94172-5_4

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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