Zusammenfassung
Betrachtet man die langfristigen Entwicklungslinien der menschlichen Gesellschaften und ihre zivilisatorischen Ausprägungen, so erscheint der Zeitabschnitt, den wir heute durchleben, von einem besonderen Grundkonflikt gekennzeichnet: Auf der einen Seite verstehen wir die bisherige Geschichte der menschlichen Gesellschaften als umfassenden Fortschrittsprozeß, angetrieben durch den Motor ständig anwachsender wissenschaftlicher und technologischer Produktivkräfte. Als Höhepunkt und als Zentrum dieser globalen Entwicklung sehen wir die industrielle Produktionsweise, die in bisher noch nicht gekanntem Ausmaß die Qualität und die Masse der produktiven Kräfte zu steigern vermochte und das gesellschaftliche Niveau von Produktion und Konsumtion geradezu explosionsartig in die Höhe schnellen ließ. Konsequenterweise orten wir uns selbst auf dem Gipfel bisheriger geschichtlicher Entwicklung. Von der Zukunft versprechen wir uns weitere Fortschritte und einen unaufhaltsamen Aufstieg. Auf der anderen Seite platzen in dieses Bild einer gesetzmäßig voranschreitenden Entwicklung der menschlichen Gesellschaften Ereignisse hinein, die die Möglichkeit des jähen Absturzes aus den erklommenen Höhen industrieller Lebensweise zu einem Bestandteil unserer Wirklichkeit machen. Diese Ereignisse drohen, über verschiedene — technologische, ökonomische oder militärische — Wege zum “ökologischen Risiko” für einzelne Gesellschaften oder gar für die Menschheit insgesamt zu werden. Und was vielleicht das Unverstandenste ist: Dieselben Kräfte, die wir als Ursachen unseres Wohlergehens betrachten, müssen wir auch als Gründe für diese existentielle Bedrohung identifizieren.
Heilige Natur! du bist dieselbe in und außer mir. Es muß so schwer nicht seyn, was außer mir ist, zu vereinen mit dem Göttlichen in mir.
Hölderlin, Hyperion
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
D. Ribeiro, Der zivilisatorische Prozeß, Frankfurt 1983, S. 23. Vgl. hierzu auch D. Hassenpflug, Theorie des Industriellen, Manuskript, Kassel 1988
I. Eibl-Eibesfeldt, Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie, München 1984, S. 801
Vgl. K.E. Boulding, Income or Welfare, in: Review of Economic Studies, Vol. 17, 1949/50, S. 7786. A. Endres, Ökonomische Grundprobleme der Messung sozialer Kosten, in: List-Forum, Bd. 11, 1982, S. 251–269. Ch. Leipert, Social Costs of Economic Growth, in: Journal of Economic Issues, Vol. 20, No. 1, 1986, S. 109–131
E. Jantsch, Die Selbstorganisation des Universums. Vom Urknall zum menschlichen Geist, 3. Aufl., München 1986, S. 414
K. Marx, Vorwort zur Kritik der Politischen Ökonomie, Marx-Engels-Werke, Bd. 13, Berlin 1971, S. 9
Vgl. W.W. Rostow, Stadien wirtschaftlichen Wachstums. Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie, Göttingen 1960. K. Marx, insbesondere in: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953
Vgl. K. Marx, Über Friedrich Lists Buch “Das nationale System der politischen Ökonomie”, in: F. List, Das nationale System der politischen Ökonomie, Ökonomische Studientexte Bd. 9, Berlin 1982, S. 439–477, insbes. S. 466ff.
R.J. Braidwood, Prehistoric Men, Chicago Natural History Museum Popular Series, Anthropology No. 37, 1957, S. 122, zitiert nach: M. Sahlins, Ökonomie der Fülle. Die Subsistenzwirtschaft der Jäger und Sammler, in: F. Duve (Hrsg.), Die Zukunft der Ökonomie 1. Technologie und Politik, H. 12, Hamburg 1978, S. 159
F.M. Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums, Bd. 1, Leiden 1969, S. 29
Siehe dazu folgende Literatur: H. Müller-Karpe, Geschichte der Steinzeit, München 1974. R. Grahmann, H. Müller-Beck, Urgeschichte der Menschheit, 3. Aufl., Stuttgart 1967. H. Cunow, Technik und Wirtschaft des europäischen Urmenschen, Berlin 1927. G.G. Simpson, Leben der Vorzeit. Einführung in die Paläontologie, Stuttgart 1972. V.G. Childe, Soziale Evolution, Frank - furt 1975. R.E. Leakey, R. Lewin, Wie der Mensch zum Menschen wurde, München 1985. The Commonwealth Institute (Hrsg.), The Human Story. Die Geschichte der Menschheit - unsere Vergangenheit, unsere Zukunft, London 1985. K.E. Müller (Hrsg.), Menschenbilder früher Gesellschaften, Frankfurt 1983. H. Radandt u.a., Handbuch der Wirtschaftsgeschichte, 2 Bde., Berlin 1981
S. Moscovici, Versuch über die menschliche Geschichte der Natur, Frankfurt 1982, S. 438, im Original kursiv
Vgl. M. Sahlins, Stone Age Economics, Chicago 1972, Kap. 1
G.-Ch. Weniger, Wildbeuter und ihre Umwelt, Tübingen 1982, S. 207
E. Mandel, Marxistische Wirtschaftstheorie, 1. Bd., 5. Aufl., Frankfurt 1978, S. 21 und 22
Vgl. beispielsweise B. Frenzel, Die Umwelt des Menschen im Eiszeitalter, in: Quartar 35./36. Bd., 1985, S. 7–33
Vgl. hierzu H.-P. Uerpmann, Probleme der Neolithisierung des Mittelmeerraums, Wiesbaden 1979, S. 28ff. und S. 43ff.
O. Brunner, Das “ganze Haus” und die alteuropäische “Ökonomik”, in: Neue Wege der Sozialgeschichte, Göttingen 1956, S. 35f.
Ausführlicher L. Mumford, Mythos der Maschine, Frankfurt 1984, S. 153ff.
Vgl. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. 1, 5. Aufl., Tübingen 1976, S. 230
O. Bnunner, Das “ganze Haus”…, a.a.O., S. 44. Siehe auch M. I. Finley, Die antike Wirtschaft, München 1977.
Vgl. hierzu P. Koslowski, Haus und Geld, in: Philosophisches Jahrbuch, 86. Jg. 1979, 1. Halbbd., S. 74ff.
Vgl. O. Brunner, “Hausväterliteratur”, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 5. Bd., Stuttgart 1956, S. 92–93
M. Weber, Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur. Wirtschaft und Gesellschaft im Rom der Kaiserzeit, in: Soziologie, Universalgeschichtliche Analysen, Politik, Stuttgart 1973, S. 6
H. Häußermann, W. Siebel, Neue Urbanität, Frankfurt 1987, S. 93
H. Pirenne, Geschichte Europas. Von der Völkerwanderung bis zur Reformation, Frankfurt 1956, S. 189
B. Guggenberger, Am Ende der Arbeitsgesellschaft - Arbeitsgesellschaft ohne Ende?, in: F. Benseler, R.G. Heinze, A. Klönne (Hrsg.), Zukunft der Arbeit, Hamburg 1982, S. 71
Vgl. W. Benjamin, Geschichtsphilosophische Thesen, in: Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze, 2. Aufl., Frankfurt 1971, S. 87f.
Vgl. hierzu L. Hack, Die dritte Phase der industriellen Revolution ist keine “technische Revolution”, in: G. Bechmann, W. Rammert (Hrsg.), Technik und Gesellschaft, Jahrbuch 4, Frankfurt 1987, S. 34ff.
U. Beck, Von der Vergänglichkeit der Industriegesellschaft, in: T. Schmid (Hrsg.), Das pfeifende Schwein, Berlin 1985, S. 92, im Original kursiv
Vgl. dazu M. Jänicke, Staatsversagen. Die Ohnmacht der Politik in der Industriegesellschaft, 2. Aufl., München 1987, Kap 8, S. 132ff.
Vgl. M. Heidegger, Die Technik und die Kehre, 6. Aufl., Pfullingen 1985, S. 26ff.
Vgl. G. Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, 2. Bd., München 1980, S. 33
H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, 5. Aufl., Frankfurt 1986, S. 34
Rights and permissions
Copyright information
© 1989 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Immler, H. (1989). Die Trennung des Menschen von der Natur Zum verlorengegangenen Zusammenhang von Zivilisation und Naturprozeß. In: Vom Wert der Natur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94170-1_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94170-1_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12056-0
Online ISBN: 978-3-322-94170-1
eBook Packages: Springer Book Archive