Zusammenfassung
Der letzte Versuch, den Stand der „Parteientheorie“ im Kontext dieses Arbeitskreises zu resümieren, liegt acht Jahre zurück. Seine Ergebnisse1 gaben zu beträchtlicher Skepsis Anlaß; pointierter noch als die Beteiligten selbst, formulierte Klaus von Beyme sie in seinem Plenumsbeitrag auf der damaligen Tagung. Ich zitiere zur Erinnerung:
„Das meiste, was gerade in Deutschland als allgemeine Theorie der Parteien ausgegeben wird, ist wackeres normatives Bemühen ... Nostalgie nach der sozialen Bewegung bestimmt die Parteienkritik von links und rechts ... Für die Zusammenfassung des bisherigen Wissens über Parteien schließlich ist eine allgemeine Parteientheorie wünschenswert, aber ... schwer zu erreichen. Unerläßlich ist sie auch nicht ... Für die großen Systeme werden wir weiter damit leben müssen, daß nicht alles von der Wahlwerbung bis zur Parteienfinanzierung in einer in sich schlüssigen Theorie untergebracht werden kann, es sei denn, sie riskierte als gestelztes Leerformelgebilde in die Arena der Wissenschaft zu treten. “2
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Literatur
Siehe: Theoretische Probleme der Parteienforschung: Gibt es eine allgemeine Parteientheorie?, in: Jürgen W. Falter/Christian Fenner/Michael Th. Greven (Hrsg.), Politische Willensbildung und Interessenvermittlung, Opladen: Westdeutscher Verlag 1984, S. 52–139.
Klaus von Beyme, Theoretische Probleme der Parteienforschung, in: Politische Vierteljahresschrift,24. Jg. (1983), H. 3, S. 250 f.
Deutsche Ausgabe: Maurice Duverger, Die politischen Parteien, Tübingen: Mohr 1959.
Rudolf Steininger, Bedingungen einer allgemeinen Theorie politischer Parteien, in:Falter/Fenner/Greven (Hrsg.), Willensbildung (Anm. 1), S. 91.
Rudolf Steininger, Politische Parteien, Frankfurt a.M.: Steiner 1984.
Leon B. Epstein, Political Parties in Western Democracies, London: Praeger 1967; Giovanni Sartori, Parties and Party Systems, Cambridge: Cambridge University Press 1976; David Robertson, A Theory of Party Competition, London: John Wiley 1976; Richard Rose, The Problem of Party Government, London: Macmillan 1974; Richard S. Katz, A Theory of Parties and Electoral Systems, Baltimore: Johns Hopkins University Press 1980.
Fred C. Engelmann, A Critique of Recent Writings on Political Parties, in: The Journal of Politics,19. Jg. (1957), S. 426.
Vgl. Samuel H. Barnes, Party Democracy and the Logic of Collective Action, in: William J. Crotty/Donald M. Freeman/Douglas S. Gatlin (Hrsg.), Political Parties and Political Behavior, Boston: Allyn & Bacon 1968, S. 105.
The Future of Party Government. A Series under the general Editorship of Rudolf Wildenmann, Berlin: Walter de Gruyter 1986 ff.; s. bisher besonders Band 1: Francis G. Castles/Rudolf Wildenmann (Hrsg.), Visions and Realities of Party Government,Berlin: Walter de Gruyter 1986 und derselbe Ansatz, aber mit Beiträgen von sehr ungleicher Qualität: Rudolf Wildenmann, Volksparteien,Baden-Baden: Nomos 1989.
So v. Beyme, Theoretische Probleme (Anm. 2 ), S. 251.
Elmar Wiesendahl, Parteien und Demokratie,Opladen: Leske & Budrich 1980, S.17 f.
Michael Th. Greven, Prolegomena zu einer allgemeinen Theorie der Parteien und Parteiensysteme, in: Falter/Fenner/Greven (Hrsg.), Willensbildung (Anm. 1 ), S. 54.
Vgl. Michael Th. Greven, Parteien und politische Herrschaft, Meisenheim am Glan: Anton Hain 1977.
Vgl. Michael Th. Greven, Die politische Gesellschaft als Gegenstand der Politikwissenschaft, und ders., Die politische Gesellschaft - was sonst?, beide in: Ethik und Sozialwissenschaften, 1. Jg. (1990), H. 2, S. 223–228 und 255–261. Siehe dort auch die abgedruckten Kritiken u.a. von Johannes Agnoli, Udo Bermbach, Rolf Ebbighausen, Jürgen Gebhardt, Gerhard Göhler und Bernhard Willms.
Der Begriff politische Gesellschaft ist vor allem inkompatibel mit der in verschiedenen Varianten in den Sozialwissenschaften derzeit vorherrschenden evolutionären (Aus-)Differenzierungstheorie, wonach gesellschaftliche „Subsysteme“ sich je nach eigener Binnenlogik („Codierung“) regulieren und gegenüber ihrer „Umwelt“ stabilisieren und ihre „Steuerung“ durch das „politische Subsystem“ - eines unter anderen in einer nichthierarchisch-polyzentrischen Gesellschaft - oder jedes andere ausgeschlossen ist. Siehe dazu beispielsweise die Kontroverse zwischen Niklas Luhmann und Fritz Scharpf auf dem letzten Politologentag, in: Hans-Hermann Hartwich (Hrsg.), Macht und Ohnmacht politischer Institutionen,Opladen: Westdeutscher Verlag 1989, S. 12–29. Neben der Kritik der (Aus-)Differenzierungstheorie teilt mein Konzept der politischen Gesellschaft mit Scharpf die handlungstheoretische Grundlage.
Ulrich Beck/Elisabeth Beck-Gernsheim, Das ganz normale Chaos der Liebe,Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1990, S. 51 ff.
Siehe zur Genealogie dieses Begriffs Dieter Haselbach, Franz Oppenheimer, Opladen: Leske & Budrich 1985.
Einige Kritiker haben zu Recht bemerkt, daß sich damit das Problem eines grundlegenden „Dezisionismus“ stellt, und sie haben, traditionellen Zuordnungen folgend, von dort eine Nähe zu Carl Schmitt oder zum italienischen Fascismus konstatiert (Johannes Agnoli, Jürgen Gebhardt, Bernhard Willms in: Ethik und Sozialwissenschaften,l.Jg., 1990, H. 2). Tatsächlich ist aber „Dezisionismus“ der Politik - etwa im Beckschen Sinne von „Wahlfreiheit und Wahlzwang“ - die zwangsläufige Konsequenz aus dem Ende der einheitlichen Metaphysik und dem grundlegenden Pluralismus moderner Gesellschaften und keine konservative Ideologie. Zur Tradition eines freiheitlich-emanzipativen Dezisionismus sei hier ohne weiteres auf die „praxis-philosophische“ Lesart des jungen Marx, auf Theodor Lessing, Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen, München: Matthes & Seitz 1983, sowie auf den Begriff „Wahl(handlung)“ bei Jean-Paul Sartre, Kritik der dialektischen Vernunft,Reinbek: Rowohlt 1967, und beim späten Georg Lukâcs, Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins,Darmstadt/Neuwied: Luchterhand 1984, verwiesen.
Vgl. Richard Stüss, Einleitung: Struktur und Entwicklung des Parteiensystems der Bundesrepublik–eine Theorie, in: ders. (Hrsg.), Parteien-Handbuch, Bd. 1, Opladen: Westdeutscher Verlag 1983, S. 17–309.
Vgl. Klaus von Beyme, Parteien in westlichen Demokratien, München: Piper 1982.
Oder auch „government“ - eine Differenz zwischen kontinentaler und anglo-amerikanischer Tradition, die trotz ihrer Bedeutung hier im Augenblick keine Rolle spielt, weil es auf die beiden Konzeptionen gemeinsame begriffliche und konzeptionelle Spaltung zwischen unpolitischer Gesellschaft und politischem Entscheidungssystem ankommt, die erst die „Vermittlung“ notwendig macht. Zur Differenz der deutschen und der anglo-amerikanischen „politischen Apperzeption“ s. Ernst Vollrath, Die Kultur des Politischen, in: Volker Gerhardt (Hrsg.), Der Begriff der Politik,Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1990, S. 268–290.
Diese Vorstellungen finden sich auch noch in so auf ihre Modernität pochenden dualistischen Konstruktionen wie „System“ und „Lebenswelt“ mit den immergleichen Konsequenzen für den Politikbegriff wieder und - zumindest für jene, denen an der Demokratie gelegen ist - mit den bekannten Schwierigkeiten, Politik einmal als staatliche Steuerung, einmal als Selbstbestimmung in der Gesellschaft zu begreifen. Siehe dazu meine Kritik: Macht und Politik in der „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas, in: Michael Th. Greven (Hrsg.), Macht in der Demokratie,Baden-Baden: Nomos 1991, S. 213–237.
Der heutige deutsche Staat ist total aus Schwäche und Widerstandslosigkeit, aus der Unfähigkeit heraus, dem Anspruch der Parteien und der organisierten Interessenten standzuhalten.„ Carl Schmitt, Weiterentwicklung des totalen Staats in Deutschland (Januar 1933), in: ders., Positionen und Begriffe,Berlin: Duncker & Humblot 1988, S. 187. Normativ tritt Carl Schmitt demgegenüber für einen “totalen Staat… total im Sinne der Qualität und der Energie„ ein (ebd., S. 186); die beiden Begriffe werden in der Rezeption häufig verwirrt.
Z.B. bei Ulrich Rödel/G inter Frankenberg/Helmut Dubiel, Die demokratische Frage,Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1989, S. 83 ff.
Dazu Hans Haferkamp, Soziologie der Herrschaft,Opladen: Westdeutscher Verlag 1983, S. 79 ff.
Michael Th. Greven, Parteimitglieder, Opladen: Leske & Budrich 1987.
Vgl. Elmar Wiesendahl, Wie politisch sind politische Parteien?, in: Falter/ Fenner/Greven, Willensbildung (Anm. 1 ), S. 78–88.
Katz schlägt im Rahmen seiner „rationalistic conception“ eines Idealtypus von „Partei“ demgegenüber ein graduelles Konzept von „partyness“ vor: „More generally, organisations can vary in the degree to which they satisfy each of these requirements. This implies that one should be concerned with the level of partyness of a group, that is with the degree to which a group approximates the party ideal type, rather than with the dichotomous choice of whether or not to call the group a party.“ Richard S. Katz, Party Government: A Rationalistic Approach, in: Castles/ Wildenmann (Hrsg.), Visions (Anm. 9), S. 38.
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Greven, M.T. (1993). Die Parteien in der politischen Gesellschaft sowie eine Einleitung zur Diskussion über eine „allgemeine Parteientheorie“. In: Niedermayer, O., Stöss, R. (eds) Stand und Perspektiven der Parteienforschung in Deutschland. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94160-2_11
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94160-2_11
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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