Zusammenfassung
Das Verhältnis von Wählern und Gewählten hat in der Demokratietheorie stets eine wichtige Rolle gespielt. Hierzu gehört nicht zuletzt die Frage nach dem Ausmaß der Übereinstimmung beider Gruppen im Hinblick auf die von ihnen vertretenen politischen Interessen bzw. Zielvorstellungen. Seit den fünfziger Jahren ist zunehmend versucht worden, dieses mit Hilfe empirischer Studien zu untersuchen1.
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Literatur
Daneben hat es nicht an Versuchen gefehlt, Repräsentation auch auf andere Weise zu messen, z.B. über das Ausmaß der demographischen Repräsentativität der Abgeordneten, über ihr Rollenverständnis bzw. über die Zufriedenheit der Bürger mit dem Repräsentativsystem. Vgl. hierzu u.a. Dietrich Herzog, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Repräsentation?, in: ders., Bernhard Weßels (Hrsg.), Konfliktpotentiale und Konsensstrategien, Opladen: Westdeutscher Verlag 1989, S. 307–335.
Diese theoretischen Modelle wurden von Miller und Stokes in die empirische Repräsentationsforschung eingeführt und bildeten in der Folge die Grundlage für eine große Anzahl von Nachfolgestudien: Warren E. Miller, Donald E. Stokes, Constituency Influence in Congress, in: American Political Science Review, 57. Jg. 1963, S. 45–56.
In der Folgezeit gingen allerdings viele Repräsentationsstudien von der dem Modell des imperativen Mandats zugrundeliegenden normativen Annahme aus, ein hohes Ausmaß von Übereinstimmung sei wünschenswert, ein geringes Ausmaß indiziere hingegen ein Defizit an Repräsentation. In diesem Sinne spricht beispielsweise Barnes davon, das Konzept der Repräsentation sei das normative Gegenstück zum Konzept der Mobilisierung. Vgl. Samuel H. Barnes, Representation in Italy, Chicago: The University of Chicago Press 1977, S. 4f.
Für die Bundesrepublik: Barbara Farah, Political Representation in West Germany, Ph.D. Dissertation, The University of Michigan, Ann Arbor 1980. Für Italien: Samuel H. Barnes, Representation in Italy (Anm 3) Für Frankreich: Philip E. Converse, Roy Pierce, Political Representation in France, Cambridge (Ma.): The Belknap Press of Harvard University Press 1986. Für die Niederlande: Jacques J. Thomassen, Kiezers en Gekozenen in een Representatieve Demokratie, Alphen aan den Rijn: Samsom 1976.
Hierauf haben u.a. Russell J. Dalton und Jacques Thomassen (vgl. seinen Beitrag in diesem Band) hingewiesen. Russell J. Dalton, Political Parties and Political Representation, in: Comparative Political Studiesjg. 18,11. 3, S. 267–299.
Vgl. Jacques Thomassen, Political Representation in France and Beyond, Papier zum XIV. Weltkongreß der International Science Association, Washington 1988, S. 6ff. Der Autor unterstreicht dies mit dem Hinweis, daß die moderne Rolle von Repräsentativkörperschaften von vornherein nicht mit der Annahme vereinbar ist, daß einzelne Abgeordnete einen Teil der Wählerschaft “repräsentieren”, z.B. ihren Wahlkreis oder die Wähler ihrer Partei. Repräsentativ ist lediglich diese Körperschaft als Ganze (ebd., S. 10 ).
Vgl. ebd., S. 10; vgl. hierzu auch Kenneth Newton, Second City Politics, Oxford: Clarendon Press 1976, S. 121.
Vgl. Barnes, Representation in Italy (Anm 3); Thomassen, Political Representation in France (Anm 7); Farah, Political Representation in West Germany (Anm. 4); Dalton, Political Parties and Political Representation (Anm. 5).
In ihrer Studie, die von ihrem Design her eine Übertragung des Miller, Stokes-Modells auf die Bundesrepublik war, versuchte Farah (Political Representation in West Germany,Anm. 4) durch eine Unterteilung der Bundestagsabgeordneten in Listen-und Wahlkreisabgeordnete das ursprüngliche Konzept wenigstens teilweise zu retten. Zwar fand sie eine deutlich höhere Ubereinstimmung zwischen Abgeordneten-und Wählereinstellungen bei den Wahlkreisabgeordneten, dieses Ergebnis muß jedoch aufgrund der Zufälligkeit, mit der Abgeordnete auf dem einen oder dem anderen Wege in den Bundestag gelangen, als zufällig angesehen werden.Vgl. dazu Eckhard Jesse, Split-voting in the Federal Republic of Germany: An Analysis of the Federal Elections from 1953 to 1987, in: Electoral Studies,7. Jg. 1988, S. 109–124. Zudem konnte Farah in ihrer Untersuchung auch nicht wie im Original-Design das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Abgeordneten als Variable verwenden, da namentliche Abstimmungen im Bundestag eher die Ausnahme sind. Sie verwendete als Ersatzmaß die offizielle Parteiposition zu den untersuchten politischen Streitfragen, womit sie sich auch der letzten Möglichkeit begab, Wahlkreiseinflüsse zu bestimmen.
In Representation in Italy (Anm. 3) machte Samuel Barnes aus dieser Not eine Tugend, indem er die Daten nutzte, um ein interessantes Buch über Parteiensystem und Wählerverhalten in Italien zu schreiben, ohne in seinen Analysen Bezug auf Wahlkreise als Einheiten der Analyse zu nehmen.
Vgl. Dalton, Political Parties and Political Representation (Anm. 5). Einheiten der Analyse waren hier die Kandidaten der einzelnen nationalen Parteien und die nationalen Wählerschaften dieser Parteien, was eine Fallzahl von insgesamt 40 ergab (ebd., S. 279).
Vgl. Herzog, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Repräsentation? (Anm. 1 ), S. 324.
Im Hinblick auf politische Aktivisten hat es sich vielfach als theoretisch sinnvoll erwiesen, auch noch die Ebene der mittleren Parteiführungen (z.B. Parteitagsdelegierte, hauptamtliche Funktionäre) zu unterscheiden. Dies ist notwendig, da gerade die Aktivisten und die Mitglieder der mittleren Führungsebene sich in ihren Einstellungen sowohl von der Führungsspitze der Partei als auch von deren einfachen Mitgliedern bzw. Wählern unterscheiden können. Solche Unterschiede wurden verschiedentlich darauf zurückgeführt, daß der Zwang zur Kooperation mit Vertretern anderer Parteien bei den Mitgliedern der Führungsspitze zu einer Abschleifung parteipolitischer Gegensätze führt, diese jedoch gerade bei den mittleren Kadern besonders ausgeprägt sein sollten. Die empirische Evidenz hierzu ist bisher allerdings widersprüchlich. Vgl. dazu James B. Christoph, Consensus and Cleavage in British Political Ideology, in: American Political Science Review, 59. Jg. 1965, S. 629–642; Gerhard Lehmbruch, Strukturen ideologischer Konflikte bei Parteienwettbewerb, in: Politische Vierteljahresschrift, 10. Jg. 1965, S. 285–313.
Vgl. dazu die umfangreiche Literatur über politische Ungleichheit und über den Bias politischer Entscheidungsprozesse: Max Kaase, Politische Beteiligung und politische Ungleichheit, in: Lothar Albertin (Hrsg.),Politische Parteien auf dem Weg zur parlamentarischen Demokratie in DeutschlandDüsseldorf: Droste 1981, S. 363–377; Sydney Verba, Norman H. Nie, Participation in America: Political Democracy and Social EqualityNew York: Harper and Row 1972; Sydney Verba, Norman H. Nie, Jaeon Kim, Participation and Political Equality: A Seven-Nation Comparison, New York: Cambridge University Press 1979; Erich Weede, ‘Schleichender Sozialismus’, Marktvermachtung und wirtschaftliche Stagnation, in Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Staatstätigkeit , Politische VierteljahresschriftSonderheft 19, Opladen: Westdeutscher Verlag 1988, S. 88–114. Putnam hat darauf hingewiesen, daß Abgeordnete dadurch Gefahr laufen, ein verzerrtes Bild der Stimmung in ihrem Wahlkreis zu erhalten. Vgl. Robert D. Putnam, The Comparative Study of Political ElitesEnglewood Cliffs: Prentice-Hall 1976, S.147ff.
Die 1981 durchgeführte Elitenbefragung des Projekts “Führungsschicht in der Bundesrepublik Deutschland” umfaßte 1744 Interviews mit Inhabern von Führungspositionen in verschiedenen Sektoren, darunter Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Gewerkschaften, Massenmedien und Kultur. Diese Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Ergebnisse der Elitenbefragung sind in einem maschinenlesbaren Codebuch dokumentiert: Rudolf Wildenmann, Max Kaase, Ursula Hoffmann-Lange, Albrecht Kutteroff, Gunter Wolf, Führungsschicht in der Bundesrepublik Deutschland 1981,Mannheim: Universität Mannheim 1982. Die repräsentative Bevölkerungsumfrage umfaßte 2206 Interviews und wurde Anfang 1982 durchgeführt. Sie wurde zusätzlich durch die Fritz-Thyssen-Stiftung finanziert.
Vgl. Ursula Hoffmann-Lange, Changing coalitional preferences among West German parties, in: Geoffrey Pridham (Hrsg.), Coalitional Behavior in Theory and Practice, Cambridge: Cambridge University Press 1986, S. 45–71.
Vgl. Ursula Hoffmann-Lange, Eliten und Demokratie in der Bundesrepublik, in: Max Kaase (Hrsg.), Politische Wissenschaft und politische Ordnung, Opladen: Westdeutscher Verlag 1986, S. 318–338.
Hier ist in erster Linie auf die bahnbrechenden Arbeiten von Philip Converse zu verweisen. Philip E. Converse, The Nature of Belief Systems in Mass Publics, in: David E. Apter (Hrsg.), Ideology and Discontent, New York: The Free Press 1964, S.206261; Philip E. Converse, Gregory B. Markus, Plus ca change…: The New CPS Election Study Panel, in: American Political Science Review, 73. Jg. 1979, S. 32–49.
In ähnlicher Weise stellen auch Wahlen keine klaren Wählermandate zur Verfolgung einer bestimmten Politik dar. Sie sind keine Abstimmungen über einzelne politische Fragen, sondern über Bündel von Wahlprogrammen und politischen Akteuren (Parteien und Kandidaten). Die Fruchtlosigkeit von Diskussionen nach Wahlen, was denn nun der “Wählerwille” gewesen sei, ist hinreichendes Beispiel hierfür. In diesem Sinne hat Putnam Wahlergebnisse als “notoriously uninformative” bezeichnet. Vgl. Putnam, The Comparative Study of Political Elites (Anm 15), S. 163.
Vgl. Herbert McClosky, Paul J. Hoffman, Rosemary O’Hara, Issue Conflict and Consensus Among Party Leaders and Followers, in: American Political Science Review, 56. Jg. 1960, S. 361–382; John S. Jackson III, Barbara Leavitt Brown, David Bositis, Herbert McClosky and Friends Revisited, in: American Politics Quarterly, 10. Jg. 1982, H. 2, S. 158–180.
Vgl. Galen A. Irwin, Jacques Thomassen, Issue-consensus in a multiparty system: voters and leaders in The Netherlands, in: acta politica,10. Jg. 1975, H.4, S. 389–420. Es scheint jedoch nicht angemessen, die geringere Polarisierung der Bevölkerungsein-stellungen als größeren “Konsens” zu interpretieren, wie dies Irwin, Thomassen getan haben. Vielfach dürfte diese eher ein Ausdruck politischer Indifferenz sein. Converse hat hierfür den Begriff der “non-attitudes” geprägt.
Putnam, The Comparative Study of Political Elites (Anm. 15), S. 117ff.
Vgl. hierzu Ursula Hoffmann-Lange, Eliten als Hüter der Demokratie?, in: Dirk BergSchlosser, Jakob Schissler (Hrsg.), Politische Kultur in Deutschland. Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 18, Opladen: Westdeutscher Verlag 1987, S. 378–391; Herbert McClosky, Consensus and Ideology in American Politics, in: American Political Science Review, 58. Jg. 1964, S. 361–382; Herbert McClosky, Alida Brill, Dimensions of Tolerance, New York: Russell Sage Foundation 1983.
Miller, Stokes, Constituency Influence (Anm. 2 ), S. 49.
Vgl. Benjamin I. Page, Robert Y. Shapiro, Paul W. Gronke, Robert M. Rosenberg, Constituency, Party, and Representation in Congress, in: Public Opinion Quarterly,48. Jg., H. 4, S. 741–756. Diese Studie enthielt allerdings keine außenpolitischen Issues.
Für Erweiterung der Mitbestimmung, gegen Zulassung privater Rundfunkanstalten, für Einschränkung des Bankeneinflusses und für Preiskontrollen für Benzin, gegen Abbau von Sozialleistungen.
Vgl. u.a. Hermann Schmitt, Zur Links-Rechts-Polarisierung in Mittlerer Führungsschicht und Wählerschaft in 10 westeuropäischen Parteiensystemen, in: Jürgen Falter, Christian Fenner, Michael Th. Greven, Politische Willensbildung und Interessenvermittlung, Opladen: Westdeutscher Verlag 1984, S.205–215; Dalton, Political Parties and Political Representation (Anm. 5 ), S. 275.
Converse, Pierce, Political Representation in France (Anm 4), S. 128, 778.
Niklas Luhmann, Der politische Code. “Konservativ” und “progressiv” in systemtheoretischer Sicht, in: Zeitschrift für Politik, 21. Jg. 1974, S. 253–271.
Vgl. Jackson et al., Herbert McClosky and Friends Revisited (Anm. 21). Anstelle der Links-Rechts-Skala wurde dort die Selbsteinstufung als “liberal”, “conservative” oder “moderate” verwendet, die zwar nicht begrifflich, aber durchaus inhaltlich der europäischen Links-Rechts-Dimension entspricht. Für die USA kann man aufgrund der Ergebnisse dieser Studie eher von einem spiegelverkehrten Trend zugunsten der Selbsteinstufung als “conservative” sprechen. 1980 beschrieben sich nur 21 Prozent der Befragten in der Bevölkerung als “liberal”, 49 Prozent hingegen als “conservative”. Unter den republikanischen Parteiführern fanden sich praktisch keine Selbsteinstufungen als “liberal”, eine deutliche Mehrheit bevorzugte den Begriff “conservative”. Bei den demokratischen Parteiführern war schließlich eine Tendenz zur Mittelkategorie der “moderates” auszumachen, d.h. das Etikett “liberal” war bei den Demokraten nicht so beliebt wie umgekehrt “conservative” bei den Republikanern und wurde nur von knapp 40% gewählt (ebd., S. 166).
Herbert Uppendahl, Repräsentation und Responsivität, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen,12. Jg. 1981, S. 123–134. Uppendahl beschäftigt sich hier primär mit der Frage, wie die Rückkoppelung von Repräsentanten an die Repräsentierten maximiert werden kann und ignoriert daher die Handlungsspielräume, die sich aus den oftmals wenig ausgeprägten Wählerpräferenzen ergeben können.
Vgl. Karl W. Deutsch, The Analysis of International Relations,Englewood Cliffs: Prentice-Hall 1968, S. 105. Vgl. dazu auch Putnam, The Comparative Study of Political Elites (Anm. 15), S. 138ff.; Sartori, The Theory of Democracy Revisited,Teil I, Chatham: Chatham House 1987, S. 92ff.
Vgl. Herzog, Was. heißt und zu welchem Ende studiert man Repräsentation? (Anm. 1), S. 333 Ähnliche Überlegungen finden sich auch bei: Putnam, The Comparative Study of Political Elites (Anm. 15), S. 138ff.; Giovanni Sartori, The Theory of Democracy Revisited, 2 Bde., Chatham: Chatham House Publishers 1987, S. 92ff., 123; Rudolf Wildenmann, Towards a Sociopolitical Model of the German Federal Republic, in: ders. (Hrsg.), Sozialwissenschaftliches Jahrbuch für Politik, Bd. 4, München: Olzog 1975, S. 278.
Vgl. Wildenmann, Towards a Sociopolitical Model (Anm. 36), S. 279; Erwin K. Scheuch, Soziologie der Macht, in: Hans K. Schneider, Christian Watrin (Hrsg.), Macht und ökonomisches Gesetz, Berlin: Duncker and Humblot 1973, S. 1036.
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Hoffmann-Lange, U. (1991). Kongruenzen in den politischen Einstellungen von Eliten und Bevölkerung als Indikator für politische Repräsentation. In: Klingemann, HD., Stöss, R., Weßels, B. (eds) Politische Klasse und politische Institutionen. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 66. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94153-4_12
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