Zusammenfassung
Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, der Verfassung von Virginia von 1776 und der amerikanischen Bundesverfassung von 1787 sowie der Französischen Revolution von 1789, die den überkommenen „alten Staat“ (Alexis de Tocqueville) und seine aus sich selbst heraus legitimierte monarchische Ordnung gestürzt hat, wird unter dem Begriff der „Verfassung“ die Summe der Regeln, Normen und Prinzipien verstanden, die die Einrichtung, Organisation und Ausübung der Staatsgewalt bestimmen und die Grundsätze des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft sowie der Stellung des Einzelnen im Staat anleiten (vgl. grundlegend Grimm 1991A: 11 sowie Badura 19873: 3737). Dabei fallen der Verfassung drei wesentliche Funktionen zu, die im folgenden etwas näher untersucht werden sollen: (1.) die Funktion der Staatsorganisation, (2.) die legimtationsstiftende und konfliktvermindernde Funktion der Integration der Bürger in ihren Staat und (3.) die inhaltliche Funktion der Dokumentation grundlegender rechtlicher Maßstäbe des Zusammenlebens der Bürger in einem Staat.
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Literatur
Diese Vorstellung ist in hohem Maße vom Gedankengut des Neo-Pluralismus geprägt, wie es insbesondere in der Bundesrepublik von Ernst Fraenkel vertreten und in der Staatsrechtslehre umfassend rezipiert worden ist (z.B. Zippelius 198810: 220ff.). Der Neo-Pluralismus geht davon aus, daß es in modernen Gesellschaften eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen gibt und sich das Gemeinwohl unter den Bedingungen der Existenz von nicht-kontroversen Verfahrens- und Spielregeln aus den Konflikten und Kompromissen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen ergibt (vgl. Böhret/Jann/Kronenwett 19883: 174ff.).
Vgl. hierzu Sontheimer 1988.
Vgl. zum Wiedervereinigungsauftrag BVerf GE 5, 85 (126ff.); 12, 45 (51); 36, 1 (18ff.);77, 137(149ff.).
Dementsprechend auch die Amtliche Begründung zu Art. 4 Ziff. 6 EV:„... Fortbestand des Grundgesetzes als rechtliche Grundordnung für das gesamte Deutsche Volk“ (BT-Drs. 11/7760, S. 359).
Zu den beitrittsbedingten Verfassungsänderungen gehört die Neufassung der Präambel zum GG, die Aufhebung des Art. 23 GG a.F., die Änderung des Art. 51 II GG, die Änderung des Art. 135 a GG, die Einfügung des Art. 143 GG und die Neufassung des Art. 146 GG (vgl. hierzu auch Hesse 19942B: 48f.).
Wobei natürlich auch gesehen werden muß, daß diese Mitwirkung durchaus machtvoll sein kann, vor allem dann, wenn die jeweilige Bundestagsopposition im Bundesrat über eine Mehrheit verfügt. Die weitgehende Beschränkung der gesetzgeberischen Funktionen der Länder auf ihre Beteiligung an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat erklärt jedoch wenigstens zum Teil auch „...die rabiate Inanspruchnahme legislativer Bundesratsbefugnisse durch die Landesregierungen...“ (Rudzio 19913: 343).
Abgedruckt in Zeitschrift für Parlamentsfragen 1983, Nr.3, S.357–361.
Abgedruckt in Zeitschrift für Parlamentsfragen 1985, Nr.2, S.179–187.
So in der Einschätzung auch schon bemerkenswert früh Leicht 1992 sowie Guggenberger 1994: 18f. und Evers 1994: 52.
So auch der Vorsitzende der GVK, Rupert Scholz, auf der konstituierenden Sitzung der GVK; vgl. Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S.5: „Es geht nicht um den Erlaß einer neuen Verfassung, es geht auch nich um eine Totalrevision des Grundgesetzes; denn das Grundgesetz hat sich bewährt“.
Wie weit auseinander dabei aber die Vorstellungen der handelnden Akteure zu Beginn der Kommissionsarbeit noch lagen und sich die weiterhin ungelösten inhaltlichen Kontroversen aus der Zeit der Verhandlungen über den Einigungsvertrag und die Ausgestaltung eines Verfassungsrates oder -ausschusses wiederholten, zeigen exemplarisch die Reden auf der konstituierenden Sitzung der GVK: Während der damalige Bundesratspräsident Gomolka, der sächsische Justizminister Heitmann, der damalige Justizminister von Mecklenburg-Vorpommern Born und der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jahn den begrenzten Auftrag der GVK unterstrichen, gingen die inhaltlichen Forderungen des Obmannes der SPD-Bundestagsfraktion Vogel wesentlich weiter und der PDS/LL-Abgeordnete Riege forderte, den Schritt vom Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung für ein „neues“ Deutschland vorzubereiten und das Verfassungsrecht „umzubauen“; vgl. Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992.
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Batt, HL. (1996). Das Problem: Die Verfassungsdiskussion im vereinigten Deutschland. In: Die Grundgesetzreform nach der deutschen Einheit. Analysen, vol 56. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93700-1_2
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