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Exkurs: Anmerkungen zur Geschichte der Selbstreflexion

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Moderne Identität und Gesellschaft
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Zusammenfassung

Unser heutiges Verständnis des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft ist das Produkt einer langen Geschichte. Einige wichtige Autoren behandeln das Thema mit sehr langem historischen Atem: McIntyre (1981) geht bis zu Homer zurück und zeigt die Aktualität aristotelischer Gedanken; Taylor (1989) erörtert an den Schriften des Augustinus die frühesten Elemente moderner Identität, Heller (1982) zeigt die Grundkategorien der widersprüchlichen Identität von Individuum und Gesellschaft am „Renaissancemenschen“; Toulmin (1991) erörtert mögliche alternative Wege der Moderne im Anschluß an Montaigne und Descartes, Max Weber zeigte kulturelle Verbindungen zwischen dem Protestantismus und dem modernen Kapitalismus; Norbert Elias führte die Zivilisierung der Affekte bis auf das Ancien régime zurück. Es ist hier nicht möglich, den notwendigen historischen Kontext aufzurollen, in den diese Auseinandersetzung hineingehört. Einige der in den vorangegangenen Kapiteln theoretisch entwickelten Zusammenhänge können aber anhand von historischen Beispielen erläutert werden. Zunächst mag es scheinen, als ob ein so umfassendes Thema wie das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft überhaupt nicht sinnvoll an einzelnen Beispielen erfaßt werden kann. Es liegen aber einige Texte vor, die dieses Thema auf je unterschiedliche und — wie ich meine — auch auf offenkundig repräsentative Weise behandeln. Dazu gehören Aristoteles’„Nicomachische Ethik“, Augustinus’ „Bekenntnisse“, Montaignes „Essays“, Rousseaus „Bekenntnisse“ und Goethes „Dichtung und Wahrheit“. Neben der aristotelischen Ethik als „Ausgangspunkt“ handelt es sich also um die in der Geschichte der „abendländischen“ Kultur wichtigsten Autobiographien, die unter dem Aspekt der Selbstreflexion des Individuums in der Gesellschaft gelesen und verglichen werden können und die bis heute immer wieder in je unterschiedlicher Weise auch in der theoretischen Auseinandersetzung verwendet werden.

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Literature

  1. Aristoteles: Nicomachische Ethik. Hamburg 1985

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  2. Bei Ethiken, die auf dem Befolgen von Gesetzen und Regeln oder auf Nützlichkeitsprinzipien beruhen, sind hingegen Dummheit und richtiges Handeln keine Gegensätze.

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  3. McIntyre bezeichnet den Aristotelismus als die „philosophisch stärkste prämoderne Form moralischen Denkens. Wenn eine prämoderne Sicht von Moral und Politik gegen die Moderne verteidigt werden soll, muß das in irgendeiner ähnlichen Form wie der aristotelischen geschehen oder gar nicht“ (McIntyre 1981, 160).

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  4. Aurelius Augustinus: Bekenntnisse. München 1982

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  5. Michel de Montaigne: Essais (Versuche) nebst des Verfassers Leben nach der Ausgabe von Pierre Coste ins Deutsche übersetzt von Johann Daniel Tietz. Zürich 1992

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  6. Jean-Jacques Rousseau: Die Bekenntnisse. München 1978. Georg Holmsten: Jean-Jacques Rousseau. Reinbeck bei Hamburg 1972

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  7. Es handelt sich um den gleichen Stamm, den Claude Lévi-Strauss 300 Jahre später in Brasilien suchen wird und über den er in „Traurige Tropen“ berichtet. Lévi-Strauss hatte Montaigne und Rousseau im Gepäck dabei. „Rousseau hatte zweifellos recht, wenn er glaubte, daß es für das Glück der Menschheit besser gewesen wäre, ,die rechte Mitte zwischen der Trägheit des primitiven Zustands und der ungestümen Aktivität unserer Eigenliebe’ zu wahren, daß dieser Zustand ,dem Menschen am besten entspricht’ und daß es, um ihn diesem zu entreißen, ,eines unheilvollen Zufalls’ bedurfte, in dem man jenes in doppelter Hinsicht außergewöhnliche — da einmalige und spät eingetretene — Phänomen erkennen kann, nämlich das Entstehen der mechanischen Zivilisation. “ (Lévi-Strauss 1955, 387)

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  8. Die allerdings nicht nur die Jakobiner in der Französischen Revolution inspirierte. Auf die im „Gesellschaftsvertrag“ beschriebene Zivilreligion als Grundlage des Gemeinwesens beziehen sich z.B. heute amerikanische „Kommunitaristen“.

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  9. Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. In: Goethes Werke, Band 9 und 10. München 1982

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© 1995 Leske + Budrich, Opladen

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Lohauß, P. (1995). Exkurs: Anmerkungen zur Geschichte der Selbstreflexion. In: Moderne Identität und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93695-0_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93695-0_7

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-1407-8

  • Online ISBN: 978-3-322-93695-0

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