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Offene Gesellschaft, Migration und sozialer Wandel: Versuch einer theoretischen Grundlegung

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Zusammenfassung

Das Ausbilden von Grenzen und deren Überschreitung sind Grundprozesse sozialen Wandels, auch wenn wir uns heute daran gewöhnt haben, in stabilen sozialen Einheiten — etwa Nationalstaaten — und vermeintlich internen Entwicklungslogiken moderner Gesellschaften zu denken. Daß gerade langfristiger sozialer Wandel ganz anders interpretiert werden kann, zeigt Toynbee (1979):

„Im Altpaläolithikum (der älteren Altsteinzeit, die etwa fünfzehn Sechzehntel der gesamten menschlichen Geschichte umfaßt) war das Leben eintönig, denn die Veränderung ging langsam vonstatten, und die Verbindung der Menschen untereinander war schwierig. In den letzten fünf Jahrhunderten wurde der Lebensraum der Menschheit zu einer Einheit auf technologischer und wirtschaftlicher, wenn auch noch nicht auf politischer Ebene, weil sich die Verkehrsmittel schneller entwickelten als der historische Ablauf im ganzen. In der dazwischenliegenden Phase und besonders während der viereinhalb Jahrtausende von etwa 3000 v. Chr. bis 1500 n.Chr. schritt die Veränderung in einem schnelleren Tempo voran als die Entwicklung der Verkehrsmittel; infolgedessen waren in dieser Periode die Unterschiede zwischen den Lebensweisen in den verschiedenen Regionen erheblich.“ (S. 12)4

„But my intent all along has been to argue that overall processes of globalization (and sometimes deglobalization) are at least as old as the rise of the so-called world religions.... They have been deeply intertwined with in-group/out-group relations and this is one of the reasons for the growing debate about the relationships between modernity, globalization and the idea of postmodernity.“

(Robertson, Globalization — Social Theory and Global Culture, 1992b)

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Literatur

  1. Das Begriffspaar »exogen/endogen« wurde gewählt, um zu betonen, daß diese Faktoren sozialen Wandels »innen oder außen entstehen« (gr.). Die Differenz »intern/extern« wird später für Schließungen verwendet und bezieht sich einfach auf die Verortung »innerhalb/ außerhalb« (lat.).

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  2. Marx verwendet hier auch die Begriffe: urwüchsige Gemeinschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus und Kommunismus (vgl. Kiss 1977, 160 ff).

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  3. Vgl. hierzu die auch heute noch lesenswerten Abhandlungen über Entwicklungstheorien, Kulturverwandschaft und Kriterien der Kulturbeziehungen (Gräbner 1911, S. 77–104).

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  4. Ähnliches gilt auch für Georg Simmel.

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  5. Zur Eingrenzung des diffusen und oft unterschiedlich verwendeten Begriffes »Modernisierungstheorie« vgl. So 1990.

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  6. Betrachtet man Diffusion und Globalisierung in soziologischen Theorien nach dem Zweiten Weltkrieg, so kann wohl gesagt werden, daß diese Konzepte — mit nur wenigen Ausnahmen — immer in den Rahmen einer allgemeineren Theorie sozialen Wandels eingebaut worden sind. Trotzdem gibt es einige Literatur, die historische Abläufe über Diffusionsmodelle zu erklären versucht, ohne auf die Implikationen der klassischen Theorien sozialen Wandels zurückzugreifen. Diese Autoren legen dann meist auch mehr Gewicht auf Brüche und Diskontinuitäten sozialen Wandels, den Einfluß von Ereignissen, und den Einfluß spezifischer Entscheidungen von Akteuren in kritischen Momenten. Eindringen und selektives Aufnehmen oder Verschmelzen, besonders im Hinblick auf Ideologien, Massenbewegungen oder Eroberungen, die durch die Entwicklung jeglicher Art des Verkehrs gefördert werden, sind hier die meist verwendeten Modelle. Diese histographischen Betrachtungen führen jedoch fort von soziologischen Modellen im engeren Sinne. Hierzu siehe auch das Zitat von Tyonbee zu Beginn des Kapitels. Für eine kurze Zusammenfassung dieser Art der Literatur vgl. Smith 1976, S. 83–93.

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  7. Zur extensiven Literatur zur ökonomischen Globalisierung, die hier nicht diskutiert werden kann, vgl. zusammenfassend Hirst/Thompson 1992, zu multi-nationalen Unternehmen Borner 1990, zu Finanzmärkten Kapstein 1994.

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  8. Aus eher soziologischer Sicht siehe z.B. Castles/Miller 1993, Portes/Rumbaut 1990, aus ökonomischer Sicht z.B. Palmer 1990a.

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  9. Besonders in Nassehi/Weber (1990) und Alexander (1980) finden sich Vorschläge, wie und an welchen Stellen Ethnizität in modernisierungs- und differenzierungstheoretische Überlegungen mit einbezogen werden können. Auch Esser (1988) weist die hier angesprochenen Defizite soziologischer Theoriebildung ausführlich nach, um dann aber in seinen Schlußfolgerungen wieder auf die traditionelle Erklärung von Ethnizität durch ‘Modernisierungslücken’ zurückzufallen (vgl. auch Kreckel 1989).

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  10. Zur extensiven Diskussion, wie Ethnizität zu definieren sei oder nicht vgl. z.B. Heckmann 1987. Zu einer möglichen definitorischen Verbindung zum Nationenbegriff vgl. Estel 1994 bzw. 2.3 Fußnote 38.

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  11. Zu der ständig zunehmenden Literatur zum Konzept Staatsbürgerschaft siehe zusammenfassend Wiener 1996, Kymlicka/Norman 1994.

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  12. Zu einer werkimmanenten Interpretation siehe Rieger 1992 in Marshall 1992. Hier sind auch einige Anmerkungen zum Problem der Übersetzung von citizenship mit dem Begriff Staatsbürgerschaft zu finden.

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  13. vgl. Marshall 1992, Bendix 1977; zur immanenten Kritik von auf Marshall basierenden Staatsbürgerschaftskonzepten s. Barbalet 1988; zur Dimension der Solidarität vgl. Parsons in der Interpretation von Alexander 1984, S. 96–101; zu den Defiziten der Konzepte von Staatsbürgerschaft aus politologischer Sicht und einen ersten Gegenentwurf vergleiche auch R.W. Brubaker 1990.

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  14. Erklärungsversuche dieser Art fügen ein weiteres Bündel von Ursachenhinweisen in Erklärungsmodelle der Entstehung von Nationalstaaten ein, die sich bisher eher auf ökonomische und machtpolitische Faktoren beschränken (zu den klassischen Modellen vgl. zusammenfassend Tilly 1990a).

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  15. „The concept of solidarity refers to the subjective feelings of integration that individuals experience for members of their social group. “ (Alexander 1980, S. 6) Solidarität unterscheidet sich einerseits von den rein selbstgesteuerten Erscheinungen wie Politik und Wirtschaft, ist aber andererseits auch nicht so abstrakt wie kulturelle Wertstrukturen. Zur Rolle der theoretischen Dimension »Solidarität« in der Analyse moderner Gesellschaften vgl. Hondrich/Koch-Arzberger 1992.

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  16. Vgl. hierzu die Arbeiten von Stein Rokkan, in jüngerer Zeit auch Charles Tilly 1990a.

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  17. So zeigt z.B. ein kurzer Blick in die beiden die deutsche, soziologische Theoriediskussion der achtziger Jahre beherrschenden Werke von Luhmann und Habermas, daß Nationalstaaten in der Welt der Soziologie keinen Platz mehr hatten.

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  18. Als leicht verspätete Antwort hierauf können wohl die Arbeiten Becks gesehen werden.

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  19. Dies gilt gewiß nicht für die genau in dieser Zeit erblühende feministische Forschung.

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  20. Vgl. z.B. Nassehi 1990, Jeffrey C. Alexander 1980, zusammenfassend Friedrich Heckmann 1992.

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  21. Einschlägige jüngere Literatur zu diesem Thema sind etwa Heckmann 1992 oder Estel 1994. Auf Weber aufbauend gibt Estel (1994, S. 18) für ein Volk sechs Kriterien an: „Ein Volk ist,..., eine ethnische Gruppe, die 1. nach der Zahl ihrer Angehörigen groß genug ist, um eine eigene, arbeitsteilige Gesellschaft auch modernen Zuschnitts zu bilden, die 2. über ein (Kern)Gebiet und mithin eine gewisse sozio-ökonomische und, im Regelfall, politische Selbständigkeit nach außen verfügt, die 3. ein Minimum an interner, über bloße Verwandtschaftszusammenhänge hinausgehender sozialer Differenzierung insbesondere politisch-rechtlicher Art kennt, die 4. eine kontinuierliche Zeugungsgemeinschaft und 5. eine relative Kulturgemeinschaft bildet, und die 6. ein die Gesamtgruppe umfassendes Bewußtsein der eigenen, eben ethnischen Identität zumindest bei ihren Macht- und Kultureliten kennt. “ Estel weist weiter darauf hin, daß für eine moderne Nation auch die Kriterien 1 bis 3 gelten, hier aufgrund des überethnischen Charakters von Nationen jedoch die Kriterien 4 und 5 zurücktreten, dafür aber das unter Punkt 6 erwähnte Wir-Bewußtsein mit stark egalitären Zügen an Bedeutung gewinnt.

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  22. Aufgrund immer wieder engagiert vorgetragener Mißverständnisse sei darauf hingewiesen, daß Benedict Anderson (1988) nicht in diese Gruppe gehört, seine berühmte »imagined community« bezieht sich lediglich auf das strukturelle Moment, daß sich die Angehörigen einer Nation notwendigerweise im Normalfall fremd bleiben müssen. Auch Gellner kann nur in seinen frühen Werken diesem Standpunkt zugerechnet werden und ist inzwischen in den sich herausschälenden »main-stream« von Nationsbestimmungen eingeschwenkt (vgl. Estel 1994, S. 25).

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  23. Hier soll nicht das Ende dieses Absatzes verschwiegen werden, eine Einschätzung des Begriffs Ethnizität, die der Verfasser so allgemein nicht teilt: „Dabei würde der Sammelbegriff ethnisch sicherlich bald ganz über Bord geworfen werden. Denn er ist ein für jede wirkliche Untersuchung ganz unbrauchbarer Sammelname. “ (Weber 1985, S. 241 f.) Dieser ernstzunehmenden Gefahr wird versucht mit der spezifischen Formulierung des Begriffs der reflexiven Ethnisierung zu entgehen.

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© 1997 Leske + Budrich, Opladen

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Bös, M. (1997). Offene Gesellschaft, Migration und sozialer Wandel: Versuch einer theoretischen Grundlegung. In: Migration als Problem offener Geselleschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93687-5_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93687-5_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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  • Online ISBN: 978-3-322-93687-5

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