Zusammenfassung
FB: In unserem Gespräch soli es zunächst darum gehen, die Ideen, die Moreno entwickelt hat und die im Psychodrama kulminieren, mit den Ideen, die in den Kubbuzim verwirklicht worden sind, zu vergleichen. Mir sind nämlich sehr viele Parallelen aufgefallen im Laufe meiner Beschäftigung mit der Rekonstruktion des Morenoschen Ansatzes (Buer, 1989 a, 1989 b) wie in meiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Kibbuzbewegung. Neben diesen inhaltlichen Bezügen gibt es aber auch Berührungen im Leben Morenos zur Kibbuzbewegung. Moreno hat ja bis 1925 in Wien bzw. ab 1919 auch in Bad Vöslau gelebt. Vor dem ersten Weltkrieg hat er zusammen mit seinem Freund Chaim Kellmer ein „Haus der Begegnung“ eröffnet. In diesem Haus hat er viele arme Juden betreut, die aus dem Osten gekommen waren, um von Wien aus nach Amerika oder Palastina auszuwandern (Moreno, 1989 a, 42). Aber schon sein Vater Nissim Moreno Levy war auf seinen Handelsreisen nach Morenos Zeugnis (Moreno, 1989 a, 22) in Palästina gewesen und hat dem kleinen Jakob sicher von diesem Land erzählt. Als weiterer Kontext muß gesehen werden, daß Wien in der damaligen Zeit eine Hochburg des Zionismus war. Theodor Herzl hatte in Wien als Journalist gewirkt und 1896 sein Buch „Der Judenstaat“ veröffentlicht. Moreno schreibt ferner in seiner Autobiographic, daß sein Freund Chaim Kellmer vorgehabt habe, nach Palästina zu gehen. In der Auseinandersetzung mit Moreno hat er sich dann aber entschlossen zu bleiben. Ich möchte diese Passage hier einmal — übersetzt — zitieren: „Ich mochte nicht mehr nach Palästina gehen. Ich habe deine Ansicht verstanden. Ich weiß, du denkst nicht, ich sollte gehen. Ich weiß nicht, warum ich so weit weggehen sollte. Die Welt hier ist genau so gut wie dort. Auch hier gibt es Land, das Hände braucht, um es zu bebauen. Die Idee, nach Palästina zu gehen als Chalutz, war ein Traum meiner frühen Tage. Ich dachte seit ich ein Jude war, ich gehöre dort hin und daß ich zum jüdischen Volk gehöre. Aber nun weiß ich nicht mehr, was ein Jude ist. Ich versuche, den Juden in mir selbst zu finden und ich kann ihn nicht finden. Vielleicht können einige das. Ich denke, Palästina ist genau hier“ (Moreno, 1989 a, 42f).
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© 1991 Leske + Budrich, Opladen
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Melzer, W., Buer, F. (1991). Das Gespräch Psychodrama und Kibbuz Zwei Modelle der Verwirklichung gesellschaftlicher Utopien Gemeinsamkeiten und Unterschiede. In: Buer, F., Kieper-Wellmer, M., Schmitz, U. (eds) Jahrbuch für Psychodrama, psychosoziale Praxis & Gesellschaftspolitik 1991. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93651-6_5
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