Zusammenfassung
Fast alle soziologischen und ethnologischen Theoretiker des Inzestverbots sind der Psychoanalyse in der Annahme gefolgt, daß das Inzestverlangen das verbreitetste und heftigste sexuelle Verlangen beim Menschen ist. In allen menschlichen Kulturen würde nun dieses Verlangen durch das Inzestverbot unterdrückt. Es werden verschiedene Gründe dafür angegeben, warum das Inzestverbot existiert. Es soll verhindern, daß sexuelle Rivalitäten und Eifersucht zwischen den Familienmitgliedern aufkommen und daß das System der sozialen Rollen in der Familie durcheinandergerät. Die herangewachsenen Kinder sollen mittels des Inzestverbots dazu gebracht werden, sich von ihrer Herkunftsfamilie zu lösen und auf diese Weise eine Erwachsenenpersönlichkeit zu entwickeln. Das Inzestverbot soll auch soziale Kontakte zwischen den Familien herstellen, die ansonsten dazu neigen würden, sich voreinander abzuschließen. Indem sich nämlich, dank des Inzestverbots, die Kinder verschiedener Familien heiraten, entstehe ein soziales Netz verwandtschaftlicher Bindungen zwischen den einzelnen Familien. Ob das Verbot alle diese Funktionen wahrnimmt oder nur einige oder eine von ihnen, darüber besteht Uneinigkeit. Ferner gab es einige Theoretiker aus dem 19. Jahrhundert und wenige Außenseiter aus dem 20., die eine soziale Funktion des Verbots auch in der Vermeidung von Erbschäden sehen. Manche Autoren entwickelten auch Theorien, wonach das Verbot nur in der Zeit seiner Entstehung oder in früheren Gesellschaften sinnvoll gewesen wäre.
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Klein, J. (1991). Zur Soziologie des Inzestverbots. In: Inzest: Kulturelles Verbot und natürliche Scheu. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 102. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93612-7_3
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12229-8
Online ISBN: 978-3-322-93612-7
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