Zusammenfassung
Die Weltchronik des Jans Enikel ist ein unhandlicher Gegenstand. Zum Kanon der mittelalterlichen Texte, „auf die es in einem Grundkurs zunächst einmal ankommt“ (so das Vorwort zum Band I dieser Einführung), zählt sie gemeinhin nicht. Ihr Gesamtumfang wirkt mit seinen fast 30 000 Versen abschreckend und unübersichtlich, ist verwinkelt und vollgekramt mit sonderbaren Geschichten, hat Prosa-Einschübe und einen ungewissen Schluß. Ihre Machart hat neuzeitliche Leser und Handbuchautoren auch selten zufriedengestellt. Den Historikern war sie nicht historisch, den Literaturwissenschaftlern nicht poetisch genug angelegt.1 Doch gibt es für eine nähere Beschäftigung mit dem buoch (v. 111) des Jansen Enikel (v. 87) gute Gründe. So fremd und abseitig die Chronik dem modernen Leser zunächst erscheinen mag, in der literarischen Landschaft des Spätmittelalters war sie eine vertraute Größe. Der Typus der deutschsprachigen Reimchronik, den sie vertritt, war populär. Von ihr führen viele Wege „zu jener breiten Masse spätmittelalterlicher Weltchronistik des 14./16. Jahrhunderts“ (de Boor), deren „fast epidemische Verbreitung“ (Grundmann) die frühere Forschung oft hat zurückschaudern lassen.2 Enikels etwas schlichte Darstellungsweise brachte qualitätsbewußte Literaturhistoriker dazu, ihn nicht als ‚Dichter‘, sondern nur als ‚Geschichtenerzähler‘ gelten zu lassen. Gerade seine Erzahlfreude dürfte aber heutigen Lesern den Zugang erleichtern, ähnlich wie sie ihn auch den laienhaft gebildeten Lesern des Spätmittelalters erleichtert hat, bei denen das Werk beliebt war.
Ich wil die red nû lâzen sîn. sî ieman der nû spotte mîn, daz ich daz buoch getihtet bân, der sî des tievels kappelân und müez sîn der belle kint, an den ougen werd er blint.
Jans Enikel
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Literaturhinweise
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Frey, W. et al. (1982). Jans Enikel und die Weltchronistik im späten Mittelalter. In: Einführung in die deutsche Literatur des 12. bis 16. Jahrhunderts. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93589-2_9
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