Zusammenfassung
Die folgenden Überlegungen gehen von der Beobachtung aus, daß gegenwärtig in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen Ritualen eine neue Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Diese konventionalisierten Verhaltensweisen waren sowohl Inbegriff sakraler Übung ls auch die formelhafte Festlegung sozialen Austauschs von Gruß und Abschied, Anerkennung und Abgrenzung und dienten so vor allem der Vermeidung und Minimalisierung subjektiven Ausdrucks. In dieser entleerten Gestalt als Regelwerk zur Abwicklung des Sozialverhaltens waren sie nur noch als etwas Unreflektiertes, Unlegitimiertes und auf subtile Weise Gewaltsames erfahrbar. Abermals gewinnen sie an Bedeutung, wo ihr zentrales Element, die Wiederholung, eine neue Bewertung erfährt. Von dem stumpfsinnigen Charakter befreit, den sie in einer durch und durch konventionalisierten Gesellschaft angenommen hatte, zeigt sich Wiederholung als das Taktmaß der Übung und damit des Aufbaus leiblicher Gewißheit. Sie wird zur Möglichkeit, Erfahrungsinseln relativer und störbarer Sicherheit innerhalb sozialer Entregelung aufzubauen. Dies ist es wohl, das in die Sportstudios, in die Fitnesscenter treibt.
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Anmerkungen
E. Riegel (1994), Rituale oder: Die Kultur des Zusammenlebens. Pädagogik, Heft 1/94, S. 7
Ebda
Ebda
Ch. Sigrist (1992), Artikel »Ritus«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, Darmstadt, Sp. 1055
Vgl. G.C. Homans (1941), Anxiety and Ritual — The Theories of Malinowski and Radcliffe-Brown. American Anthropologist, Heft 43, S. 164–172
Vgl. M. Erdheim (1982), Die gesellschaftliche Produktion von Unbewußtheit. Eine Einführung in den ethnopsychoanalytischen Prozeß. Frankfurt/M. 1990, S. 284 ff
B. Hellinger (1995), Ordnungen der Liebe, Heidelberg, S. 198
B. Hellinger (1995), Ordnungen der Liebe, Heidelberg, S. 152
Vgl. B. Hellinger (1995), Ordnungen der Liebe, Heidelberg, S. 63
G. Weber (Hg.) (1995), Zweierlei Glück. Die systemische Psychotherapie B. Hellingers. Heidelberg, S. 198
B. Hellinger (1995), Ordnungen der Liebe. Heidelberg, S. 345
B. Hellinger (1995), Ordnungen der Liebe. Heidelberg, S. 441
S. Langer (1942), Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst. Frankfurt/M. 1984, S. 95; Nachweise erfolgen des weiteren im Haupttext.
A. Wellmer (1985), Wahrheit, Schein, Versöhnung. Adornos ästhetische Rettung der Modernität. In: A. Wellmer, Zur Dialektik von Moderne und Postmoderne. Vernunftkritik nach Adorno. Frankfurt/M. 1993, S. 13
G. Bateson (1967), Stil, Grazie und Information in der primitiven Kunst. In: G. Bateson, Ökologie des Geistes. Frankfurt/M. 1983, S. 194
M. Eliade hat sie (in Kosmos und Geschichte (1949), Frankfurt/M. 1986) als Wiederholung der Weltstiftung und der göttlichen Vorbilder beschrieben. Riten bekommen hier die Bedeutung von Verhaltensregeln, die zu kosmischen Prinzipien externalisiert werden.
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Boenicke, R. (1998). Ritualisierung als Erkenntnisform. In: Hilmes, C., Mathy, D. (eds) Dasselbe noch einmal: Die Ästhetik der Wiederholung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93549-6_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93549-6_10
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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