Zusammenfassung
Den Romanen des „philosophischen Schriftstellers“ Italo Calvino lassen sich grundlegende Fragen der zeitgenössischen Ästhetik entnehmen. Sie eröffnen einen Horizont, innerhalb dessen sich auch das theoretische und literarische Œuvre des „Roman-schreibenden Philosophen“ Umberto Eco bewegt, ja es scheint fast, als befänden sich die Werke beider in einem Dialog. Jedes lebendige Kunstwerk ist, wie Eco betont, ein Kunstwerk in Bewegung, offen für neue interpretative und kommunikative Möglichkeiten sowie für neue Möglichkeiten des ästhetischen Genusses.1 Der Interpretationsprozeß gleicht einer Pendelbewegung zwischen der „Offenheit“ der Rezeptionsmöglichkeiten und der „Geschlossenheit“ bzw. Bestimmtheit des Werkes durch seine Struktur. Der Interpret steht demnach innerhalb einer nicht stillzustellenden Bewegung, in deren — immer erneut notwendigen — Nachvollzug er sowohl Erkenntnisse über die „kombinatorischen Möglichkeiten des Codes“ gewinnt, als auch über „die Codes (...) einer bestimmten Periode der Kunstgeschichte.“ Daher ist es die Aufgabe der semiotischen Interpretation eines ästhetischen Textes, „das strukturierte Modell für einen unstrukturierten Prozeß eines kommunikativen Wechselspiels“ zu liefern.2 Für Eco ist die Interpretation ein pragmatisch-hermeneutischer Prozeß, der im „Taumel der Möglichkeiten“ bestimmte Bedeutungsmöglichkeiten ausschließt und andere privilegiert. Ein „epochales“ Kunstwerk ist nach Eco eine „episte-mologische Metapher“, es repräsentiert ein „diffuses theoretisches Bewußtsein“,3 das von den wissenschaftlichen und ästhetischen Theorien seiner Zeit gespeist wird.
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Literatur
Italo Calvino: Wenn ein Reisender in einer Winternacht, übers, von Burkhart Kroeber, München 1983 (1979).
Italo Calvino: Das Schloß, darin sich die Schicksale kreuzen, übers, von Heinz Riedt, München 1984 (1973).
Italo Calvino: Herr Palomar, übers, von Burkhart Kroeber, München 1988 (1985).
Umberto Eco: Der Name der Rose, übers, von Burkhart Kroeber, München 1987 (1980).
Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel, übers, von Burkhart Kroeber, München 1989 (1988).
Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, Frankfurt/M. 1989 (1973).
Walter Benjamín: Über den Begriff der Geschichte, in: Illuminationen, Frankfurt/M. 1977 (1955).
Massimo Bonfantini: Semiotik und Geschichte: eine Synthese jenseits des Marxismus, in: Zeitschrift für Semiotik 10, 1988.
Armin Burkhardt und Eberhard Rohse: Umberto Eco. Zwischen Literatur und Semiotik, Braunschweig 1991.
Umberto Eco: Das offene Kunstwerk, Frankfurt/M. 1970 (1962).
Umberto Eco: Apokalyptiker und Integrierte. Zur kritischen Kritik der Massenkultur, Frankfurt/M. 1984 (1964).
Umberto Eco: Semiotik. Entwurf einer Theorie der Zeichen, München 1987 (1976).
Umberto Eco: Lector in fabula, München 1987 (1979).
Umberto Eco und Thomas A. Sebeok:, Der Zirkel oder im Zeichen der Drei: Dupin, Holmes, Peirce, München 1985 (1983).
Umberto Eco: Nachschrift zum „Namen der Rose”, München 1984.
Umberto Eco: Der Streit der Interpretationen, Konstanz 1987.
Umberto Eco: Das Irrationale gestern und heute (1987), in: Über Spiegel und andere Phänomene, München 1988.
Umberto Eco: Die Abduktion in Uqbar (1983), in: Über Spiegel und andere Phänomene, München 1988.
Umberto Eco: Platon im Striptease-Lokal. Parodien und Travestien, München 1990.
Gérard Genette: Paratexte, Frankfurt/M. 1989.
Gerhard Goebel-Schilling: Salvatore A. Sanna, Ulrich Schultz-Buschhaus, Widerstehen. Anmerkungen zu Calvinos erzählerischem Werk, Frankfurt/M. 1990.
Nancy Harrowitz: Das Wesen des Detektiv-Modells. Charles S. Peirce und Edgar Allan Poe, in: Der Zirkel oder im Zeichen der Drei, hrsg. von Eco und Sebeok, München 1985.
Burkhart Kroeber: Zeichen in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose”, München 1987. magazine littéraire: Umberto Eco. Du sémiologue au romancier, Nr. 262, Februar 1989.
Heike Maybach: Der erzählte Leser. Studien zur Rolle des Lesers in Italo Calvinos Roman „Wenn ein Reisender in einer Winternacht”, Frankfurt/M. 1990.
Charles Sanders Peirce: Collected Papers (CP). Band I–VI hrsg. von Charles Hartshorne und Paul Weiß. Harvard University Press 1931–1935; Band VII, VIII hrsg. von Arthur W. Burks, 1958.
Charles Sanders Peirce: Die Festigung der Überzeugung und andere Schriften, hrsg. von Elisabeth Walther, Frankfurt/M./Berlin/Wien 1985.
Charles Sanders Peirce: Semiotische Schriften, Bd. 1, hrsg. von Christian Kloesel und Helmut Pape, Frankfurt/M. 1986.
Richard Rorty: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt/M. 1987.
Dörte Schultze: Semiose oder Kabbala? Überlegungen zu Umberto Ecos „Foucaultschem Pendel”, in: Kodikas/Code 12, 1989.
Ulrich Schultz-Buschhaus: Sam Spade im Reich des Okkulten. Umberto Ecos „Il pendolo di Foucault” und der Kriminalroman, in: Poetik und Geschichte. Festschrift Viktor Zmegac, hrsg. von Dieter Borchmeyer, Tübingen 1989.
Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, Frankfurt/M. 1984 (1918).
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Wirth, U. (1994). Zwerge, Leser, Abduktionen. In: Piechotta, H.J., Wuthenow, RR., Rothemann, S. (eds) Die literarische Moderne in Europa. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93545-8_20
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