Zusammenfassung
Die stetige Ausweitung der Werbezeitkontingente bei den Sendern und vor allem das durch die Fernbedienung technisch unterstützte, unstete Sehverhalten der Zuschauer, die nun mehr denn je unliebsame Werbespots meiden konnten, förderten Anfang der 80er Jahre das Bestreben der Agenturen, nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten der Fernsehwerbung zu suchen. “Ja, die Remote Control wurde zum besten Freund der Kreativen in Amerika, hat die kreative Renaissance eingeläutet und die kreative Revolution entscheidend geprägt”, resümiert Jeff Stark, Creative Director von Saatchi & Saatchi.1 Bis in die 80er Jahre galten die Hervorbringungen der amerikanischen Fernsehwerbung in ihrer visuellen Qualität als minderwertig gegenüber den Spots aus anderen Industrienationen. Besonders der europäischen Fernsehwerbung wurde von den Kreativen in dieser Hinsicht eine Überlegenheit attestiert. Der Grund hierfür lag, so eine Erklärung, in der grösseren Notwendigkeit, die Werbeaussage in Europa stärker durch Bilder zu transportieren, da viele Spots länderübergreifend eingesetzt wurden, was wortlastige Werbung an der Sprachbarriere hätte scheitern lassen.2 Insbesondere der Stil der britischen Fernsehwerbung hatte es den amerikanischen Werbern angetan. Ihre Kollegen aus Großbritannien verstanden es auf höchst unterhaltsame Weise und mit dem ihnen eigenen skurrilen Witz, Geschichten in ihren Spots zu erzählen — eine Fähigkeit, die bei den amerikanischen Kreativen traditionell kaum ausgeprägt war und ihnen in den Siebzigern fast gänzlich verloren ging.
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Literatur
Stark (1988:6)
Vgl. Felix Kessler (1982): Marketing: American TV Ads Look Bad to Some International Judges. In: Wall Street Journal 1.7.82, 21 zit. nach Schudson (1986:253)
Rothenberg(1989i)
Horst Thomé, Geschäftsführer von Ogilvy & Mather in Frankfurt, kritisiert das Überhandnehmen dieser Strategie, die sich später auch hierzulande durchsetzte. Sie führe vielfach zu einer Beliebigkeit der Werbespots, da der größte Teil ihrer Sequenzen nicht produktrelevant und austauschbar ist. Er nennt diesen Suspense-Stil daher das Rumpelstilzchen-Format. Vgl. Thomé (1992)
Ogilvy (1964:170)
Vgl. Horton (1990a)
Vgl. a.a.O.
Pendleten (1985:5). Doch nicht jede provokante Idee zündete. Im nächsten Jahr versuchten Apple und Chiat/Day eine Neuauflage des Erfolgsspots. Für den Super Bowl 1985 kreierte die Agentur den Spot “Lemmings”, der die Stoßrichtung und das Thema des Vorjahresfilms aufnahm. Er zeigte eine Schlange von uniformen, Aktenkoffer tragenden Angestellten, die gedankenverloren “Hi-Ho, Hi-Ho, it’s off to work we go” summten und sich wie die Lemminge nacheinander von einer Klippe stürzten. Nur der letzte Marschierer hält vor dem Abgrund an. In dem Moment wird die bevorstehende Einführung der neuen Büroserie von Apple angekündigt. Der Spot floppte. Vgl. Winski (1985). Doch Chiat/Day war bald darauf mit zumeist sehr kreativen Kampagnen für andere Markenartikler, darunter Pizza Hut, Porscheund vor allem Nike, erfolgreich.
In Fachkreisen galt die Wahl Jacksons für den Pepsi-Spot trotz seiner Popularität und der aufflak-kernden Aufregung um den Unfall als mißglückt, da man dem Gesundheitsfanatiker und erklärten Soft-Drink-Gegner die flammende Liebe für Pepsi nicht abnahm. Denn daß die Celebrities zuvorderst des schnöden Mammons wegen in Produktwerbung auftreten, ist — eine Nebenfolge der hohen Publizität dieser Kampagnen — mittlerweile fast jedem Amerikaner bewußt. (Pepsi sponserte auch Jacksons US- und spätere Europa-Tour. Allein die amerikanischen Auftritte kosteten den Getränke-konzern über fünf Mio. Dollar — heute schon fast ein besseres Trinkgeld für derartige Engagements.)
Vgl. Alter (1985)
Aaker und Myers (1987:353)
Vgl. a.a.O. 354–5
Alter (1985:4)
Vgl. a.a.O. 3
Mit welch großem Aufwand und harten Bandagen die Cola-Giganten kämpfen, zeigen die Begleitumstände, unter denen Coca Cola eine erneute Einführung einer neuen, süßeren Coke vorbereiten muß. Die erstmalige Markteinführung eines solchen Getränks war 1985 gescheitert und gilt als eines der größten Debakel in der Geschichte des Marketing. Für erste Tests der neuen Coke II haben sich die leidgeprüften Manager aus Atlanta das Städtchen Spokane in Washington ausgesucht. Doch sie blieben nicht lange ungestört. Konkurrent Pepsi schaltete bei den örtlichen Fernsehsendern und Kabelnetzbetreibern alsbald einen eigens für diesen Testmarkt produzierten Spot. Er zeigt drei offensichtlich beunruhigte und verwirrte Coke-Trinker. “Shoot, they’re changing Coke again”, sagt einer der drei alten Männer, die auf einer Bank sitzen. “What do you suppose made them do that?” In diesem Moment fährt ein hupender Pepsi-Truck im Hintergrund vorbei. Vgl. Bird (1990)
Bezeichnenderweise hat Ridley Scotts Bruder Tony den futuristischen Spot “Robots”, in dem sich zwei Cola-Automaten in Kampfmaschinen verwandeln, für Pepsi gedreht.
Miller (M. C.) (1990:50)
a.a.O. 49
Dies, obwohl Fellini versuchte, gegenüber den italienischen Sendern eine Verfügung zu erwirken, daß seine Filme nicht von Werbung unterbrochen werden dürfen.
Einige traten zudem selbst in Spots auf, wie Bernardo Bertolucci, Spike Lee und George Lucas. Vgl. Miller (M. C.) (1990:49)
Vgl. Aaker und Myers (1987:231)
Vgl. a.a.0.232
Vgl. Dale (1989c)
Vgl. Rothenberg (1990d)
Vgl. Foltz (1990g)
Vgl. Aaker und Myers (1987:367)
Ogilvy (1988:129)
Vgl. Rothenberg (1990d)
Rothenberg (1989i)
Vgl. Ogilvy (1988:66)
Rothenberg (1989i)
Dusenberry (1989:67)
Vgl. Aaker und Myers (1987:240)
Drucker(1993)
Siehe hierzu auch den Abschnitt “Werbeprovokationen” im Kapitel “Ausgestaltung der Werbung zu einem Ereignis” ab Seite 303.
Eine gegensätzliche Strategie zu diesem Mimikry der integrierten Fernsehwerbung verfolgen viele der Spots, die aus ihrem Umfeld hervorstechen wollen. Sie sind als integrierende Werbung gestaltet, die versucht, den Zuschauer einzubeziehen. Vor allem parodistische und selbstbezügliche Spots fallen unter diese Kategorie, da sie erst durch die Reflexion des Rezipienten ihren Sinn erhalten. Vgl. Landbeck (1988:61–2). Siehe hierzu auch das Kapitel “Selbstthematisierende Fernsehwerbung” ab Seite 320.
Vgl. Kessler (1985)
Hier ist eine Konvergenz zu erkennen. Entdeckte die Werbebranche vor Jahren die Stilmittel der Videoclips für sich, so fällt mittlerweile auf, daß sehr viele Clips wie Werbespots gestaltet sind. Sie offenbaren sich immer mehr als das verkaufsfördernde Instrument, als das sie seither gedacht waren. Immer einfallslosere Clips bedienen sich der gleichen Standardeinstellungen, die vor allem eines zeigen: die Musiker — das zu bewerbende Produkt.
Nach den selbstauferlegten Statuten einiger Networks sind derartige Werbeschaltungen nur am Ende einer Sendung möglich. Vgl. Kalish (1990a)
Dieses Phänomen ist, da Programme und Produkte überwiegend aus den USA kommen, auch in den Kinderprogrammen der privaten Fernsehveranstalter in Deutschland zu beobachten. Die im Oktober in Kraft tretenden Werberichtlinien (die unter anderem untersagen, daß Unternehmen, die eine Sendung sponsern, auch darin werben) verbieten es den Sendern jedoch, Werbung für solche Produkte im Umfeld von Kindersendungen zu piazieren, die selbst Gegenstand der Programme sind.Vgl. Gla. (1993)
Bezeichnenderweise ist das 1992, bei NTC Business Books in Lincolnwood, 111. erschienene Standardwerk “Children’s Television” von Cy Schneider, einem Werbemanager von Bozell, verfaßt worden.
Kalish (1990a: 18)
Vgl. Kalish (1990a)
Vgl. Foltz (1989b); Horton (1989). Einige Radiostationen weigerten sich, die Spots auszustrahlen, da sie jeweils mit Wasserplätschern oder Vogelgezwitscher begannen. Weil die Geräusche so leise waren, fürchteten die Sendeleiter, daß Hörer eine Störung vermuten und den Sender wechseln würden. Vgl. Foltz (1989c). Die Überschrift des Artikels von Foltz spielt auf den neun Jahre alten General Motors-Slogan “We Build Excitement” an.
Foltz (1989b)
Foltz (1989c)
Siehe hierzu den entsprechenden Abschnitt über die Energizer-Kampagne im Kapitel “Verknüpfung aktueller Trends der Fernsehwerbung” ab Seite 338.
Horton (1990b)
Vgl. a.a.O.; Lev (1990b)
Lev (1990b)
Vgl. Horton (1990c)
Vgl. Horton (1990d); Horton (1990e)
Besonders der Duktus, in dem der vorherige Sprecher — Bill Heater, ein Texter von Hill, Holliday -seine Weisheiten verkündete, wurde in Branchenblättern von Beginn an kritisiert. So kommentierte der Werbekritiker Bob Garfield in Anspielung auf die Motorenleistung des Infinity: “I am prepared to stuff 278 horses and 32 valves down Heater’s throat, if that’s what it takes to rid the world of his ostentatiously understated voice-over delivery. His laid-back shtik is more annoying than Madge the Manicurist in high shrill.” Garfield (1990b). Im Zuge einer weiteren Überarbeitung der Kampagne im vergangenen Jahr wurde Michael Douglas als Sprecher verpflichtet.
Vgl. Landbeck (1988:63)
Barnouw (1978:79)
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Bachem, C. (1995). Die kreative Revolution der Achtziger. In: Fernsehen in den USA. Studien zur Kommunikationswissenschaft, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93503-8_14
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