Zusammenfassung
In der qualitativen Analyse wurde deutlich, dass die Interviewten den Eindruck haben, mit ihren spezifischen Interessen in der konventionellen Politik wenig bzw. keine Anerkennung zu erhalten. In diesem Zusammenhang kam zum Ausdruck, dass die Informanten und Informantinnen ein distanziertes Verhältnis zur etablierten Politik aufweisen, sich zum Teil von den Politikern betrogen und mit ihren spezifischen Wünschen und Interessen im Bereich der Politik vernachlässigt fühlen. Als Einflussfaktoren für die von ihnen erlebte mangelnde Wertschätzung in der Politik konnten der Altersunterschied zwischen den politischen Akteuren und Jugendlichen, Dominanzverhältnisse zwischen Politikern und “normalen Leuten”, zu denen die Interviewten sich zählen, und die als “zäh” erlebten Strukturen traditioneller Politik identifiziert werden. Die Interviewten bringen weiterhin zum Ausdruck, dass sie hohe Ansprüche an ihre politische Kompetenz und Informationsaktivität haben und trotz ihrer Distanz zur Sphäre der konventionellen Politik durchaus an politischen Themenstellungen, welche die Sicherung zukünftiger Lebensbedingungen betreffen, wie Umweltschutz oder Rentensicherung, interessiert sind.
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Literatur
Genauso wie Unterschiede im Geschlecht, Beruf oder Glauben. (Vgl. Kristeva 1990, 105) “Schließen wir die 12- bis 17jährigen wie bisher sowohl vom aktiven wie vom passiven Wahlrecht aus, dann sind die politischen Akteure in Parteien, Parlamenten und Regierungen nicht verpflichtet, diesen Teil der Bevölkerung zu repräsentieren. Mehr noch: Sie fühlen sich nach den heute geltenden Regeln der repräsentativen Demokratie faktisch dieser Bevölkerungsgruppe gegenüber in ihren Entscheidungen nicht verantwortlich. Die politisch informierten und interessierten Jugendlichen sind von einem entscheidenden Mechanismus der politischen Willensbildung ausgeschlossen, was sie in genau die Passivität weiter hineindrängt, unter der sie leiden. Auf der anderen Seite sind die Politikerinnen und Politiker nicht vom Wahlverhalten dieser Gruppe abhängig, was dazu führt, daß sie deren Themen kaum aufnehmen, sondern eher die Themen der wahlberechtigten älteren Bevölkerungsgruppen mit einem lebensperspektivisch bedingten kürzeren Zeithorizont. “ (Ebd., 15)
Auf die theoretischen Grundlagen Honneths wird an anderer Stelle noch genauer eingegangen.
Vgl. dazu auch Hurreimann 1998.
Wie noch erläutert werden wird, bildet sich das Selbst einer Person nach Hon-neth, der sich in diesem Kontext vor allem auf die Überlegungen Meads und Winnicotts bezieht, in der Interaktion mit anderen Personen heraus. Von daher betrachtet er die Entstehung des Selbst als einen intersubjektiven Prozess.
Die aktuelle Shell-Studie aus dem Jahr 2002 greift diesen Fragenkomplex nicht mehr auf. (Vgl. Deutsche Shell 2002)
Im Rahmen dieser quantitativen Untersuchung wurden insgesamt 305 Jugendliche im Alter von 11- bis 18 Jahren befragt. (Vgl. Burdewick 1998a)
In diesem Zusammenhang sollte auch bedacht werden, dass ein “aktiver” Rückzug aus dem Bereich der Politik in gewisser Weise auch als Form von Widerstand interpretiert werden kann. Ein solcher Ansatz findet sich bei Beck, der die Distanzierung junger Menschen als “hochpolitische Politikverleugnung” (Beck 1997a, 12) charakterisiert und diese ebenfalls auf eine Ausgrenzung der spezifischen Interessen Jugendlicher aus dem Bereich der Politik zurückfuhrt: “Jugendliche bewegt, was Politik weitgehend ausklammert: Wie stoppt man die globale Umweltzerstörung? Wie kann der Hoffnungstod der Arbeitslosigkeit — der gerade den Kindern des Wohlstands droht! — abgewendet, überwunden werden? Wie mit der Aids-Gefahr leben und lieben? Alles Fragen, die durch die Raster der großen
politischen Organisationen fallen. Die Folge ist: Die Kinder der Freiheit praktizieren eine hochpolitische Politikverleugnung.” (Ebd.) 150 Zu den Anerkennungskämpfen beispielsweise des Feminismus oder ethnischer und kultureller Minderheiten vgl. auch Habermas (1999, 246f).
Zu diesem Themenbereich vgl. auch Alanen (1994a u. 1994b) und Nissen (1998, 52ff.).
Ausführlicher zum Zusammenhang von “Angstkommunikation” (Luhmann 1990, 240), Moral und theoretischer Auseinandersetzung vgl. ebd. (237 ff.).
Die entspräche auf Kohlbergs Skala der moralischen Entwicklung den Stufen 5 und 6. Vgl. dazu Kapitel 4 dieser Arbeit.
Als “Neue soziale Bewegungen” werden diejenigen politischen Protestbewegungen bezeichnet, die im Zuge der und in Auseinandersetzung mit der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre entstanden sind. Luhmann charakterisiert soziale Bewegungen als politische Strömungen, die durch ihre Orientierung am Protest eine Distanz zur Gesellschaft gewinnen. Für ihn zählen die Friedens- und Ökologiebewegung genauso dazu, wie zum Beispiel rechtsradikale Gruppierungen. (Vgl. Luhmann 1997, 176) Gerdes nennt folgende Kennzeichen sozialer Bewegungen: “(1) eine vergleichsweise geringe organisatorische Strukturierung, (2) die prozessuale Offenheit bzw. Unbestimmtheit ihrer Entwicklungsdynamik, (3) die zwischen Lebenswelt und System oszillierende Reichweite ihrer oppositionellen Handlungsorientierungen und (4) ihr voluntaristisches Handlungsmodell.” (Gerdes 2001, 454)
Außerdem ziehen junge Männer die Mitarbeit in Parteien wesentlich eher in Betracht als junge Frauen, während weibliche junge Leute insgesamt etwas stärker zum einem Engagement in Bürgerinitiativen bereit sind männliche. (Vgl. Schneider 1995, 302ff.)
“Auf Stufe 3 wird, im Gegensatz zur Stufe 2, anerkannt, daß richtiges und gutes Verhalten bedeutet auch das Wohlergehen anderer Menschen im Auge zu haben, ihre Bedürfnisse und Standpunkte zu berücksichtigen, und eben nicht mehr nur daran zu denken, was für einen selbst dabei herausspringt”1 (Oser/Althof 2001, 56f).
Vgl. dazu Gilligan (1996, 28ff.): Sie kritisiert unter anderem, dass Kohlberg für seine Skala der moralischen Entwicklung Universalität beansprucht, obwohl sein Stufenschema auf einer empirischen Untersuchung von ausschließlich männlichen Personen basiert.
Inwieweit die Interviewten sich von den im Parlament agierenden Erwachsenen als Experten in eigener Sache geachtet fühlen, lässt sich aus dem Interviewmaterial nicht mit Sicherheit schließen. Deutlich wurde in diesem Zusammenhang lediglich, dass die jungen Abgeordneten zum Teil von ihren Lehrkräften im Schulunterricht als Experten und Expertinnen für (kommunal-)politische Fragestellungen angesprochen wurden. (Vgl. dazu Kap. 8.2.3)
Zur Orientierung der älteren Interviewten am Erwachsenenalter vgl. Carolas (18) Aussagen in Kapitel 6.1.4.1
Diese Tendenz der älteren, sich von jüngeren Mitgliedern eines Beteiligungsmodells abzugrenzen, stellen auch Bruner/Winklhofer/Zinser in Bezug auf einen von ihnen untersuchten Jugendbeirat fest, in dem Delegierte im Alter von 9 bis 17 Jahren mitgearbeitet haben. (2001, 58f.)
Die historischen Hintergründe für den Ausschluss von Frauen von der politischen Partizipation arbeitet beispielsweise Ute Frevert in einer Untersuchung “Zur politischen Topographie der Geschlechter vom 18. bis frühen 20 Jahrhundert” (Frevert 1995, 61) sehr anschaulich heraus. Vgl. dazu auch Appelt (1999). Zum Stellenwert der Kategorie Geschlecht in der politischen Sozialisationsfor-schung vgl. auch Kelle (1993).
Die Annahme, dass Frauen auf der Kohlberg’sehen Skala schlechter abschneiden als Männer ist nach Nunner-Winkler allerdings bereits empirisch widerlegt. In Untersuchungen, in denen Frauen ein niedrigeres Stufeniveau erreichten, verschwanden die Differenzen, wenn die Variablen Bildungsniveau und Berufstätigkeit berücksichtigt wurden. Gilligan antwortete auf diese Einwände mit dem Argument, „daß ihre These sich nicht auf Unterschiede im Stufenniveau, sondern vielmehr auf inhaltliche Differenzen im weiblichen und männlichen Moralverständnis beziehe.“ (Nunner-Winkler 1998, 79)
Im Interview mit Lorenz (17) kam implizit ein Vorwurf der Verantwortungslosigkeit zum Ausdruck: Er kritisierte Personen, die die Verantwortung für erlebte Missstände an Politikerinnen abgeben, weil sie selbst zu bequem seien, sich politisch zu engagieren.
Nails macht Gilligan in diesem Kontext den Vorwurf des sozialwissenschaftlichen Sexismus. (Vgl. Nails 1995) Vgl. dazu auch Knapp, die verdeutlicht, dass “diejenigen, die Gilligan umstandslos des ‘Essentialismus’ oder gar des ‘Sexis-mus’“ bezichtigen (Knapp 1998, 165), in ihrer Rezeption Relativierungen ausblenden, die Gilligan selbst vornimmt, und deren Ergebnisse damit “vereindeuti-gen” (ebd.).
Für diese Alltagsplausibilität spricht nach Jacobi auch der immense Einfluss, den Gilligans Forschungsergebnisse vor allem auf sozialwissenschaftliche Diskussionen gehabt haben. (Vgl. Jacobi 1991, 102)
Die stärkere Ausrichtung von Mädchen und Frauen auf den Aspekt sozialer Beziehungen wird unter anderem auf die unterschiedliche Identitätsbildung von männlichen und weiblichen Personen zurückgeführt. Vgl. dazu Becker-Schmidt (1995, 226ff.) oder auch Chodorow (1994), auf die sich auch Gilligan in Bezug auf die Sozialisation der Geschlechter bezieht.
Zum Anteil von Frauen in den Kommunal- und Länderparlamenten sowie im Deutschen Bundestag vgl. Hoecker (2000, 156 ff.).
Vgl. dazu auch Jacobi (1991, 103f.), die in diesem Zusammenhang eine differenzierte empirische Untersuchung geschlechtssegregierter Räume für notwendig hält.
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Burdewick, I. (2003). Diskussion. In: Jugend — Politik — Anerkennung. Schriftenreihe. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93460-4_9
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