Zusammenfassung
Nachdem der Fokus der Interviewinterpretation in Kapitel 6 auf der Analyse des Verhältnisses der interviewten Jugendlichen zur konventionellen Politik lag, soll im Folgenden ihre Einstellung zum Wittin-ger Jugendparlament näher betrachtet werden. Dabei geht es um ihre Motive für die Kandidatur zum Jugendparlament, um Anerkennungsprozesse im Jugendparlament, um Erfahrungen mangelnder Wertschätzung, welche die Interviewten im Hinblick auf die Mitarbeit in dem Jugendgremium beschreiben und schließlich, um ihre Motivation, sich auch im Erwachsenenalter politisch zu engagieren.
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Literatur
Die Orientierungsstufe und die Realschule in Wittingen sind im selben Gebäude untergebracht.
Vgl. dazu eine andere Stelle des Interviews mit Julian, auf die ich im nächsten Kapitel noch genauer eingehen werde: “Da [im Jugendparlament] hat man auch ein bisschen mehr Macht. Auch wenn es nur ein bisschen ist, aber immerhin”. (4: 3)
Auf diese Punkte werde ich im Lauf der Untersuchung noch genauer eingehen.
Merle hatte oft keine Zeit zu den Sitzungen zu kommen und begründet dies folgendermaßen: “Es ist immer an den ungünstigsten Zeitpunkten diese Parlamentssitzung, immer dann, wenn ich was anderes vorhab. Das letzte Mal war ich gerade einkaufen. Ist irgendwie immer ungünstig. Immer dann, wenn irgendwer Stress hat — ich oder ’ne Freundin, und die braucht dann Beistand ...na ja, ’Ich muss erst mal Politik machen!’” (16: 16)
Ob dies vor allem im Auftrag des Lehrers geschehen ist oder ob hier vor allem eigene Motive und Interessen eine Rolle spielten, wird aus der Interviewpassage letztlich nicht deutlich.
Auf diesen Punkt werde ich im Verlauf der Analyse noch detaillierter eingehen.
Von den sechzehn Interviewten haben fünf im Laufe des Interviewgesprächs herausgestellt, dass sie in der Schülervertretung, zum Beispiel als Klassensprecher bzw. Klassensprecherin, aktiv sind oder es einmal waren.
Vgl. dazu auch Todorov, der betont, dass besonders bei Kindern und Jugendlichen oftmals der Impuls zu beobachten ist, Enttäuschungen “hinter dem Panzer der Gleichgültigkeit zu verbergen” (Todorov 1998, 119) um so künftigen Enttäuschungen auszuweichen.
Und noch eine Bedeutung könnte die Formulierung implizieren: Kommunalpolitiker, wie zum Beispiel die Mitglieder des Stadtrates, sind gewählte Volksvertreter, die für ihre politische Arbeit zwar eine Aufwandsentschädigung erhalten, a-ber in der Regel noch einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgehen. Insofern üben sie ihr politisches Amt tatsächlich nach Beendigung des “Dienstes” aus. Sollte Nils dies im Blick haben, würde “nach Dienstschluss” schlicht “im Rahmen ihrer politischen Arbeit” bedeuten.
Insgesamt sechs Interviewte beklagen, dass Gleichaltrige sich nicht oder kaum für das Jugendgremium interessieren würden, drei erzählen von negativen Reaktionen durch andere Jugendliche und zwei Interviewte stellen heraus, dass ihr Engagement von Gleichaltrigen positiv bewertet wird. Sechs Abgeordnete sind schon mal in irgendeiner Form von Wittinger Jugendlichen auf ihr Engagement angesprochen worden. In diesem Kontext wurden sie meist gebeten, sich für die Durchsetzung eines bestimmten Anliegens einzusetzen.
Vgl. dazu auch die Kapitel 9.2.1, in denen der Zusammenhang von Selbstbestimmung und bestimmten Formen extrinsischer sowie intrinsischer Motivation erörtert wird.
Ausschließlich Marco berichtet von einer eher negativen Reaktion seiner Eltern auf seine Mitarbeit im Parlament.
Katrin (14):”Mein Vater ist ja auch in der SPD. Der fragt mich dann schon mal, was wir da machen. “(13:6) Charlotte (11) frage ich, ob sie manchmal mit ihren Eltern über das Parlament redet, sie antwortet: “Ja, mein Vater steht ja selber im Moment noch zur Wahl.” (2: 5). Sicherlich wäre es interessant, noch näher auf die politischen Aktivitäten der Eltern in Verbindung mit dem Engagement ihrer Söhne oder Töchter im Jugendparlament einzugehen. Darauf muss aber verzichtet werden, weil die Interviewten sonst zu leicht zu identifizieren wären.
Vgl. dazu Weiß, der den Begriff von Macht, welcher dem Alltagsverständnis weitgehend entspricht, handlungstheoretisch “als instrumenteil verstärkte praktisch-technische Wirkmöglichkeit” (Weiß 2001, 282) fasst. Diese Definition dürfte weitgehend mit Julians Vorstellungen von Macht übereinstimmen.
Vgl. dazu Arendt, die Macht definiert als “Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit andern zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Über Macht verfugt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur solange existent, als die Gruppe zusammenhält.” (Arendt 1975, 45)
Im Gifhorner Kreiskalender ist ein Beitrag über das Jugendparlament veröffentlicht worden.
Vorhop ist eine zu Wittingen gehörige Ortschaft.
Marco (17) hebt zum Beispiel heraus, dass das Jugendparlament bereits vielen Bereichen positive Veränderungen gebracht habe. Dazu gehören für ihn die Umgestaltung von Spielplätzen und die bessere zeitliche Abstimmung der öffentlichen Verkehrsmittel auf den Alltag von Schülern und Schülerinnen. Er lobt in diesem Zusammenhang die jungen Abgeordneten. “Haben sie toll gemacht, haben sie das auch.” (10: 14) Marco ist kurz nach dem Interview aus dem Parlament ausgetreten. Indem er die Arbeit der anderen Abgeordneten positiv hervorhebt und sich dabei nicht einbezieht, offenbart er gleichzeitig, dass er sich bereits von dem Jugendgremium distanziert hat. Jasmin (13) hebt die Restaurierung der zur Grundschule gehörigen Turnhalle als positives Ergebnis der Parlamentsarbeit hervor. Laura (13) und Charlotte (11) wurden im Kontext dieser Themenstellung bereits zitiert.
Eine Ausnahme bildet hier, wie im Verlauf der Untersuchung noch dargelegt werden wird, Merle (13).
Sie sagt in diesem Kontext: “Er [der Jugendpfleger] meinte dann: ’Du bist jetzt dran mit Nachrücken’ und so. Und dann meinte ich: ’Ich hah keine Lust, ich möchte nicht’. Dann hat er mich angemacht, von wegen da aufstellen lassen, a-ber dann nicht mehr wollen und so. Dann hob ich gesagt. ’Na gut, dann mach’ ich das doch’ und bin reingegangen. ” (16: 3)
Merle erklärt im Interview, dass sie keine Lust hätte, sich in einer politischen Partei zu engagieren, sondern lieber in einer Bürgerinitiative, weil es in einer solchen Gruppierung im Gegensatz zu einer Partei um die “mehr oder weniger wichtigen Probleme” (16: 6) gehe. Als ich sie daraufhin bitte zu präzisieren, was für sie in diesem Zusammenhang wichtige Probleme seien, antwortet Merle: “Mein Gott, so ne’ Umgehungsstraße oder so was würde mich nicht gerade interessieren, aber nehmen wir mal an, gegen Atomkraftwerke oder Atommülllager, das finde ich schon irgendwie besser. ” (16: 7)
Die Tagesordnung wird vor den Sitzungen gemeinsam vom Präsidenten bzw. der Präsidentin und dem Geschäftsführer des Parlaments festgelegt.
Die Aussagen Kyras zur Kandidatur in Kapitel 8.1 lassen darauf schließen, dass sie mit einer Mitarbeit im Jugendparlament die Hoffnung verbunden hatte, hier einen angemessenen Artikulationsrahmen für ihre politischen Interessen zu finden.
Vgl. dazu auch Kyras Aussagen zur Dominanz der Erwachsenen, die im folgenden Kapitel interpretiert werden.
Zum geringen Interesse der Wittinger Jugendlichen am Jugendparlament vgl. auch Burdewick (1998b, 223).
Die Gruppe der Gleichaltrigen kann aus einer so genannten Clique (zwei bis 9 Mitglieder) oder einer größeren Gruppe bestehen. (Vgl. Coleman 1980, 417)
Oerter und Dreher (1998) unterscheiden mit Blick auf zahlreiche Befunde der Entwicklungspsychologie zwischen vier wichtigen Funktionen der Peergruppe: “(a) Sie kann zur Orientierung und Stabilisierung beitragen und emotionale Geborgenheit gewähren. Insbesondere hilft sie das Gefühl der Einsamkeit überwinden, das viele Jugendliche aufgrund der einsetzenden Selbstreflexion und der Erkenntnis der Einmaligkeit entwickeln, (b) Sie bietet sozialen Freiraum für die Erprobung neuer Möglichkeiten im Sozial verhalten und läßt Formen von sozialen Aktivitäten zu, die außerhalb der Gruppe zu riskant wären, (c) Sie hat eine wichtige Funktion in der Ablösung von den Eltern und bietet Unterstützung durch die normierende Wirkung einer Mehrheit (z.B. beim abendlichen Ausgang: ’Die anderen dürfen auch so lange wegbleiben.’), (d) Sie kann zur Identitätsfindung beitragen, indem sie Identifikationsmöglichkeiten, Lebensstile und Bestätigung der Selbstdarstellung bietet.” (Oerter/Dreher 1998, 370) Die Gruppe der Gleichaltrigen spielt demnach ein wichtige Rolle bei der Ablösung vom Elternhaus und für die Entwicklung des Selbstwertgefuhls. Insofern bildet die Einbindung in die Peer-Gruppe einen wichtigen Aspekt für Anerkennungsprozesse im Jugendalter. Oerter und Dreher vertreten die Hypothese, dass besonders Freundschaften in Form von Zweierbeziehungen “die eigentlich zentrale Funktion im Rahmen der Peergruppenkontakte haben.” (Ebd., 376) Jugendliche, die sich vor dem Hintergrund der im Jugendalter einsetzenden Selbstreflexion als etwas Besonderes empfinden würden, bedürften eines Gegenübers, mit dem sie sich austauschen können. Dies seien zu Beginn wohl noch vor allem die Eltern, aber im Zuge der Entwicklung würden Gleichaltrige in diesem Zusammenhang eine immer größere Rolle spielen, da sie die spezifische Situation des Freundes oder der Freundin besser nachvollziehen könnten. (Vgl. ebd.).
Vgl. dazu auch Montada zur “Normvermittlung durch Peergruppen” (Montada 1998b, 870f.).
Ähnliches wird im Übrigen auch im Hinblick auf Freundschaftsbeziehungen angenommen: So stellt Coleman unter Bezugnahme auf Untersuchungen Dou-vans und Adelsens fest, das Freundschaften besonders in der mittleren Adoleszenz (14 bis 16 Jahre) auf einem starken Bedürfnis nach Verständnis, Vertrauen und Loyalität beruhen würden. Während die Wechselseitigkeit und Tiefe der Beziehungen in der frühen Adoleszenz noch nicht so eine große Rolle spiele. Und auch in der späten Adoleszenz (17 Jahre und älter) hat die Freundschaft nicht mehr eine so zentrale Funktion wie in den Jahren davor. (Ebd. 1980, 410). Was bedeutet es nun, wenn eine Person eine andere Haltung vertritt als ein Freund oder eine Freundin? Folgt man den Ausführungen Colemans zum Thema Freundschaftsbeziehungen, dürfte dies ab einem Alter von etwa 17 Jahren durchaus auf Akzeptanz treffen. “Although being able to share confidences is important, by this time there is a greater emphasis on the friend’s personality and interests — on what she can offer to the relationsship — and a greater degree of appreciation of individual differences.” (Ebd., 41 Of.) Coleman äußert sich an dieser Stelle nicht explizit zum Umgang mit individuellen Differenzen in früheren Entwicklungsphasen; aber die vorherigen Ausführungen legen nahe, dass zumindest in der mittleren Adoleszenz der Stellenwert der Übereinstimmung in Freundschaftsbeziehungen größer sein dürfte als in einem späteren Alter.
Wie er an einer anderen Stelle des Interviews betont, hält er es für besser, das passive Wahlrecht für das Jugendparlament auf 13 Jahre zu erhöhen.
Diese Haltung findet eine Entsprechung im Kolberg’schen Stufenschema der moralischen Entwicklung und stimmt in etwa mit den Charakteristika für die Stufe 3 des konventionellen Niveaus überein; denn hier zeigt sich Lauras Bestreben, sich den “Regeln und [..] Autoritäten; die ein stereotypes ’gutes’ Verhalten rechtfertigen” (Kohlberg 1997, 129) gemäß zu verhalten. Ich werde darauf in Kapitel 9.3.2 noch differenzierter eingehen.
Zum Begriff der Autorität vgl. Arendt. Ihrer Definition zufolge kann Autorität “sowohl die Eigenschaft einer Person sein — es gibt persönliche Autorität z.B. in der Beziehung von Eltern und Kindern, von Lehrern und Schülern — als einem Amt zugehören, wie etwa dem Senat in Rom (auctoritas in senatu) oder den Ämtern der katholischen Hierarchie (auch ein betrunkener Priester kann vermöge der Autorität des Amtes gültige Absolution erteilen). [...] Autorität bedarf zu ihrer Erhaltung und Sicherung des Respekts entweder vor der Person oder dem Amt.” (Arendt 1975, 46f.)
Vgl. dazu auch Heinrich Popitz: “Wer anderen Autorität über sich gibt, erkennt eine Überlegenheit des anderen an. Er sieht als Unterlegener zu ihm auf. Der andere, so können wir auch sagen, hat für ihn Prestige.” (Popitz 1986, 14)
Darauf deutet die Verwendung des Personalpronomens “uns” hin.
Von daher könnte Julian das Personalpronomen “uns” auch auf Personen, die sein Alter haben, beziehen.
Die Präsidentin hatte zum Zeitpunkt des Interviews mit Kyra bereits ein Alter von zwölf Jahren erreicht. Als die Gespräche mit dem vorher zitierten Julian und mit Silke, deren Aussagen im folgenden Beispiel wiedergegeben werden, stattfanden, war die Präsidentin noch ein Jahr jünger.
Die hier im Text partiell zitierte Interviewpassage lautet vollständig: Frage: “Und was wäre für dich richtige Politik? Also was hättest du gern im Jugendparlament besprochen?” (12: 3) Kyra: Nein, die Politik da war ja schon gut. Die haben ja richtig auch so darüber gelabert, über die Politik Also über so Sachen, wie was die Jugendlichen halt stört und so. Ob man sich einsetzen konnte. Es war schon in Ordnung. Aber ich finde, man hätte in dieses Parlament auch noch zwischendurch einbringen können, was da jetzt irgendwie in dem großen Parlament passiert ist, in Berlin und so. Das wäre halt besser. Also ich würde es besser finden, wenn man auch über die Politik der richtigen Politiker geredet hätte. (12:3)
In diesem Zusammenhang sollte auch berücksichtigt werden, dass zum Zeitpunkt des Interviews mit Silke (Dez. 1996) außer der Interviewpartnerin von den älteren Abgeordneten nur noch Marco (17), Nora (15) und Linda (15) im Parlament mitarbeiten. Marco war erst im Juni 1996 nachgerückt und bis zum Interviewtermin mit Silke nur bei einer Sitzung dabei gewesen. Silke ist zudem mittlerweile die einzige Jugendliche in der Gruppe der 17- und 18-Jährigen, die in dem Gremium von Beginn an mitgearbeitet hat.
Vgl. die in diesem Kapitel zitierte Aussage Marcos: “Es traut sich keiner, irgendwie ’n Kommentar dazu zu sagen. ” (10: 2)
Lorenz drückt seinen Ärger folgendermaßen aus: “Da wäre ich beinahe an die Decke gegangen. [...] Weil man hätte doch eine Spalte machen können ’Anwesend -ja, nein’ kurz ankreuzen. Nicht mal zwei Minuten hätte das gedauert, dann wären wir doch durch gewesen. ”(7:3)
Auf meine Frage, ob ihn die Arbeit im Jugendparlament in irgendeiner Weise darin bestärkt hätte, sich auch im Erwachsenenalter politisch aktiv zu betätigen, antwortet er: “Ja, Übung macht den Meister ... Irgendwie so klein anfangen und dann irgendwann ins Große übergehen.” (7: 10) Auf dieses Zitat werde ich in Kapitel 8.4.1 noch näher eingehen.
Hier sei darauf hingewiesen, dass aus den Vorstellungen über eine zukünftige Tätigkeit natürlich nicht umstandslos auf ein tatsächliches politisches Engagement im Erwachsenenalter geschlossen werden kann. Geißel stellt beispielsweise in einer qualitativen Studie mit Parteipolitikerinnen fest, “daß viele der Befragten als Jugendliche und junge Erwachsene (partei-)politisch nicht interessiert waren.” (Geißel 1999, 92) Von daher liegt es nahe, dass die von Geißel interviewten Frauen, wären sie im Jugendalter zu einem potenziellen politischen Engagement im Erwachsenenalter befragt worden, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht angegeben hätten, dass sie sich später in einer politischen Partei engagieren wollten.
Julians Antwort auf die Frage, ob er sich auch im Erwachsenenalter politisch engagieren möchte, kann hier nicht zitiert werden, da sie Informationen enthält, die eindeutige Rückschlüsse auf seine Person ermöglichen würden.
Vgl. dazu Harenbergs Lexikon der Sprichwörter und Zitate (1997, 1237). Vgl. dazu auch den Ausspruch Wilhelm Teils in Schillers gleichnamigem Schauspiel: “Früh übt sich, was ein Meister werden will.” (Schiller 2000, 58). Hier geht es darum, dass junge Männer sich frühzeitig in der Kunst des Schießens üben sollten.
Eine Einkaufspassage in Wittingen
Silkes Unsicherheit könnte zwar auch darauf zurückzuführen sein, dass sie sich diesbezüglich bisher kaum Gedanken über ihre Zukunft gemacht hat. Da sie hier aber mit sehr konkreten Beispielen antwortet, würde ich dies eher ausschließen.
Dies wurde auch bereits in Kapitel 6.1.5.3 deutlich.
Auf meine Frage, warum er sich eher in einer Bürgerinitiative engagieren würde als in einer Partei, antwortet Marco: “Da [in einer Bürgerinitiative] kann man ein bisschen mehr verändern. Bloß manche Sachen kann man nur in der Politik verändern. Ich meine diese Steuern ... Steuergesetz, das ist einfach Wahnsinn. ” (10: 18)
Ob sie tatsächlich keine Zweifel haben oder mögliche Unsicherheiten und Ängste der Interviewerin gegenüber nicht verbalisieren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. So resümiert beispielsweise Carol Hagemann-White auf der Grundlage empirischer Untersuchungen zum Thema Furcht und Angst, “daß die Bereitschaft, sich als ängstlich zu beschreiben, ab Beginn des Schulalters geschlechtstypisch stärker bei Mädchen ist [...]” (Hagemann-White 1984, 17), sich aber aus dieser Tatsache nicht unbedingt schließen lasse, dass Mädchen ängstlicher seien als Jungen. Es wäre auch möglich, dass Jungen diese Gefühle zum Beispiel aus Gründen der sozialen Erwünschtheit seltener verbalisieren.
Zu ähnlichen Befunden kommen zahlreiche empirische Untersuchungen zum politischen Interesse von Mädchen und Frauen. Jacobi schreibt in einem Beitrag zum “anderen” politischen Interesse der Mädchen: “Das Politikinteresse von jungen Frauen wird im Laufe der letzten drei Jahrzehnte immer stärker und nähert sich dem der jungen Männer an. Es gibt jedoch eine starke Differenz auf der inhaltlichen Ebene: Junge Frauen interessieren sich wesentlich mehr und engagieren sich wesentlich mehr für neue Politik und wesentlich weniger im Rahmen von konventioneller Politik.” (Jacobi 1991, 111). Ein im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit erstellter Jugendbericht zum Thema “Alltag und Biografie von Mädchen” weist bei Mädchen und jungen Frauen ein zunehmendes Engagement in alternativen Formen politischer Mitwirkung und gesellschaftlicher Partizipation nach. (Vgl. Sachverständigenkommission sechster Jugendbericht 1988, 71, vgl. auch Hoecker 1995, 163ff.)
Die hier vorgenommene Quantifizierung sollte nicht als Aussage über eine empirische Häufigkeit in der Grundgesamtheit verstanden werden, sondern sie will lediglich eine Tendenz untermauern, die sich in der qualitativen Untersuchung zeigt. Vgl. dazu auch Kapitel 5.2.
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Burdewick, I. (2003). Ergebnisse der qualitativen Untersuchung (Teil 2) — Politische Partizipation im Jugendparlament. In: Jugend — Politik — Anerkennung. Schriftenreihe. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93460-4_8
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