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Verführung oder Vergewaltigung? Reden über sexuelle Gewalt vor dem Basler Ehegericht in der Frühen Neuzeit

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Book cover Erkenntnisprojekt Geschlecht

Part of the book series: Geschlecht und Gesellschaft ((GUG,volume 17))

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Zusammenfassung

Vergewaltigung ist ein politisches Verbrechen, denn Vergewaltigung gehört zum Kernbestand der Geschlechterpolitik, seit es patriarchale Gesellschaften gibt. So lautete die These von Susan Brownmiller, die sie 1975 in ihrem Klassiker „Against Our Will“ formuliert hat (Brownmiller 1975). Ihre provokative Interpretation nahm der Historiker Edward Shorter 1977 in einer kurzen Antwort auf: Für die Gegenwart bestätigte er den politischen Charakter von Vergewaltigungen und stellte einen direkten Zusammenhang zwischen der Zunahme der Vergewaltigungen und dem Erstarken der Frauenbewegung her. Für die Vergangenheit aber lehnte er diese These ab. Für die Zeit zwischen Reformation und Französischer Revolution setzte er als Erklärung auf „sexuelle Frustration“ statt auf Politik: für die vielen Fälle von Vergewaltigung und sexueller Gewalt im frühneuzeitlichen Europa sei die reine Akkumulation der „misère sexuelle“ verantwortlich. Diese Misere sei das Ergebnis verschiedener einander verstärkender Faktoren: das spezifische europäische Heiratsmuster mit hohem Heiratsalter, der Kampf gegen Unzucht in jeder Form, die Überwachungsmentalität einer vormodernen face-toface-Gesellschaft, die fehlenden Geburtenkontrollmöglichkeiten und schließlich die Furcht vor Erotik; eine Furcht, die diese Gesellschaft mindestens ebenso ängstigte wie die Pest. Damit wurde sexuelle Gewalt zum Ergebnis sozio-ökonomischer Strukturen, die für die vormodernen Gesellschaften typisch waren und erst dank der Modernisierung, wie sie seit Ende des 18. Jahrhunderts einsetzte, verändert oder überwunden werden konnten. Dennoch schien sexuelle Gewalt noch lange vor allem ein soziologisches, psychologisches oder sozialpsychologisches Problem zu sein, für die Geschichtswissenschaft dagegen kaum Relevanz zu besitzen.

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Bettina Dausien Martina Herrmann Mechtild Oechsle Christiane Schmerl Marlene Stein-Hilbers

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© 1999 Leske + Budrich, Opladen

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Burghartz, S. (1999). Verführung oder Vergewaltigung? Reden über sexuelle Gewalt vor dem Basler Ehegericht in der Frühen Neuzeit. In: Dausien, B., Herrmann, M., Oechsle, M., Schmerl, C., Stein-Hilbers, M. (eds) Erkenntnisprojekt Geschlecht. Geschlecht und Gesellschaft, vol 17. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93346-1_15

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93346-1_15

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-8100-2222-6

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