Zusammenfassung
Gewöhnt, sich nicht mit Selbstverständlichkeiten abspeisen zu lassen, steht die Konstruktion der zwei Geschlechter uns als ein Effekt von Bildung, als gesellschaftlich produziert vor Augen. „Gesellschaft“ — das ist der virtuelle Ort zur Bildung der Geschlechter. Die Kinderfrage nach der sexuellen Differenz, um die „Gesellschaft” kreist, liegt im Schatten des Erwachsenenwerdens. Wenn wirklich einmal Gesellschaft ist, bekommen die Kinder vorher zu essen und werden abgespeist. Im Zivilisationsgehege der Kleinfamilie rumort es jedoch unaufhörlich. Im Ödipalkomplex tritt die bloße Konstruiertheit der Geschlechter als Ahnung hervor: Warum hat der andere Junge nicht (ins, was ich habe — da unten. Oder: Wie kommt es, daß bei anderen Kindern da ein Loch ist? So kann es geschehen, daß schon die harmlose Frage, „Mama! Wo kommen die Löcher im Käse her?“, pädagogische Panik auslöst: „Du sollst bei Tisch nicht reden!” Repressive Schweigegebote in Kombination mit Behauptungen, die ebenso autoritär wie falsch sind — „Ein Käse hat eben immer Löcher.“ — zerschellen freilich schnell an der widerständigen Neugier und am Wissen um das, was der Fall ist: Die einen haben doch da ein Loch und die anderen nicht. Die klassisch ödipale Frage, wonach die Abwesenheit des Penis zum Problem wird, kehrt sich dabei unmerklich in die Frage nach der Herkunft des Loches um. Der kleine Tobby läßt sich auch mit psychoanalytischen Stereotypen nicht abspeisen und bleibt hartnäckig: „Mama! Aber dieser Käse hat doch keine Löcher! Warum hat der keine Löcher? Warum hat der Löcher? “ — „Jetzt schweig und iß. “
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© 1999 Leske + Budrich, Opladen
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Etgeton, S. (1999). „Wo kommen die Löcher im Käse her?“ — Zur Bildung der Geschlechter. In: Behm, B.L., Heinrichs, G., Tiedemann, H. (eds) Das Geschlecht der Bildung — Die Bildung der Geschlechter. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93338-6_16
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