Zusammenfassung
Vielleicht könnte der Städtebauer auf theoretische Überlegungen soziologischer Art verzichten und sich auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen, wenn die geistige Welt, in der er lebt, jungfräulich wäre. Das ist sie aber nicht. Überall stößt er — wie wir gesehen haben — auf Ablagerungen geistiger Auseinandersetzungen, die sich oft als schlichte Erfahrungen ausgeben, während sie in Wahrheit kulturphilosophischen, sozialwissenschaftlichen oder ideologischen Ursprungs sind.
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Anmerkungen
Der Markt
Zur Definition der Stadt: Artikel >Stadt< in: Hdwb. der Soz. Wiss., Bd. 9, Tübingen-Göttingen 1956; W. Sombart, Städtische Siedlung, Stadt, im Hdwb. der Soziologie, Hg. A. Vierkandt, Stuttgart 1931. Zum Begriff der Großstadt: E. Pfeil, Großstadtforschung, a. a. O., S. 13 ff.
M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. 2. Halbbd., 4. Aufl., Tübingen 1956, S. 732.
Vgl. die Kritik von R. König, Grundformen der Gesellschaft: Die Gemeinde, a. a. O., S. 76.
Begriff der Öffentlichkeit
Vgl. A. Gehlen, Urmensch und Spätkultur. 1955, S. 164 ff.
Dies ist auch von Schmidt-Relenberg mißverstanden worden (vgl. a. a. O., S. 111), obwohl er den richtigen Satz, der von »Voraussetzung« spricht, in einem anderen Zusammenhang richtig zitiert (vgl. S. 209).
Vgl. E. Pfeil, Soziologie der Großstadt. In: Soziologie, Lehr-und Handbuch zur modernen Gesellschaftskunde, Hg. A. Gehlen u. H. Schelsky, Düsseldorf-Köln 1955, S. 245 ff.; H. Schelsky, Ist der Großstädter wirklich einsam? In: Magnum, Heft 9, Mai 1956, S. 33.
Vgl. z. B. die Ausführungen Carl Schmitts zum Begriff der Repräsentation in seiner Verfassungslehre, 1928, S. 208 ff.
Der Begriff der Privatheit. Wechselbeziehungen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit
J. u. E. Goncourt, Die Frau im 18. Jahrhundert. Dt. Ausgabe Leipzig 1905, 1. Bd., S. 187 ff.
Vgl. R. Koselleck, Kritik und Krise, ein Beitrag zur Pathologie der bürgerlichen Welt. Freiburg/München, 1959, vor allem S. 41 ff. K. zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen der Entstehung einer politischen Öffentlichkeit und den Forderungen nach einem privaten Bereich an Hand geistesgeschichtlicher Zeugnisse. Das Bewußtwerden der Gesellschaft in ihrer Eigengesetzlichkeit gegenüber dem Staat ermöglichte erst die Herausbildung der Begriffe, die wir verwenden. Dies ist auch ein politischer Vorgang: Er bereitet die bürgerlichen Revolutionen vor. Die Besonderheit dieser Bewußtseinsbildung wird nicht relativiert, wenn man — wie wir — an die faktischen Wandlungen des sozialen Alltags erinnert, die schon weiter zurückliegen.
Vgl. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, a. a. O., S. 752 ff.
H. Schelsky, Wandlungen der deutschen Familie, a a O., S. 350 ff.
P. v. Oertzen, Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus. Phil. Diss. Göttingen 1953.
Gerade die Einsicht in das strukturelle Wechselverhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit im soziologischen und deshalb auch politischen Sinn hindert uns daran, in der modernen liberalen Demokratie einen Widerspruch in sich selbst zu sehen. Die verschiedenartige geistesgeschichtliche Herkunft des demokratischen Gedankens und des Liberalismus, ferner die Konfliktmöglichkeiten, die zwischen radikaler Demokratie und liberalem Denken bestehen, entkräften unsere Behauptung nicht. Wirksame Ideen haben ebensowenig einen reinen Stammbaum wie die Menschen, die nach ihnen leben. Und Gleichgewichtssysteme unterliegen immer Störungen, die durch das Übergewicht der einen oder der anderen Seite hervorgerufen werden.
Öffentlichkeit und Privatheit als Grundprinzipien städtischer Soziierung
Hinter dem Streit einiger Historiker darüber, ob die Zünfte aus den >ofjicia< der Grundherrschaften oder als >fraternitates< freier Handwerker entstanden sind, steht die Frage, ob man in der Zunft ein sozialgeschichtliches Novum und einen spezifischen Ausdruck städtischer Vergesellschaftung sehen soll. Wie die Zünfte auch immer entstanden sind, so gewannen sie doch im Zuge der Stadtentwicklung jene eigentümliche Struktur und Bedeutung, die die.offrcia< im grundherrlichen Großoikos nie besessen haben. Vgl. G. v. Below, Probleme der Wirtschaftsgeschichte. Tübingen 1920, S. 271 ff.
M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, a. a. O., S. 756; zum allmählichen Wandel der Phylen von ursprünglich gentilizisch bestimmten Personalverbänden zu Lokaleinheiten: V. Ehrenberg, Der Staat der Griechen. Leipzig 1958, Bd. 1, S. 10 ff., 17 ff. und an anderen Stellen des Buches. Dort weitere Literatur.
M. Weber zeigt in der o. a. Abhandlung, daß all diese Gruppierungen auch in den asiatischen Städten vorkommen, daß die Städte Asiens aber in der Regel nicht über schwache Ansätze zur Selbstverwaltung hinausgelangt sind. Vgl. ebda. S. 744 ff. Vgl. hierzu: O. Brunner, Neue Wege der Sozialgeschichte. Göttingen 1956, S. 97 ff., 113 f.
M. Weber, ebda. S. 761 ff.; F. R. Rörig, Die europäische Stadt im Mittelalter. Göttingen 1955, S. 7 ff., im Anhang weitere Literatur. Vgl. auch E. Ennen, Artikel >Stadt< III, in: Hdwb. der Soz. Wiss., dort ebenfalls Literatur; H. Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Graz-Köln 1954. S. 102 ff., 285 ff.
F. R. Rörig, ebda. S. 11 ff.
Die Tatsache, daß die Palazzi der italienischen stadtsässigen adligen Geschlechter oft befestigt waren, widerspricht unserer These nicht. Auch in Italien vollzieht sich allmählich die Entwicklung zur Bürgerstadt, wenn auch die Periode der adligen Geschlechterherrschaft — vor allem der Geschlechterkämpfe — deutlichere Spuren hinterlassen hat als im Norden, wo sie bei Neugründungen vielfach sogar übersprungen wurde. Diese Kämpfe, von denen die burgähnlichen Paläste zeugen, ähnelten mitunter einem permanenten Bürgerkrieg und dürften mit der Zeit die Geschlechterherrschaft unterhöhlt haben. Außerdem muß man beachten, daß im mittelalterlichen Italien — wie übrigens auch in der Antike — im allgemeinen nicht eine politische Loslösung der Stadt vom Umland stattgefunden hat. Diese Tatsache hat natürlich ihre Bedeutung für die Dauer der >Geschlechterperiode<, wobei die Frage entsteht, was Ursache und was Wirkung ist. Von der Stadt her wurde auch das Land beherrscht. Die typische Oberschicht des flachen Landes, der wehrhafte Adel, der nicht im städtischen Sinn erwerbstätig war, sondern von seinem Grundbesitz lebte, wohnte häufiger als im Norden in der Stadt und trug seine Fehden in die Stadt hinein. Aber nur in Ausnahmefällen gelang es, eine Adelsherrschaft für lange Zeiten zu konsolidieren, wie z. B. in Venedig.
H. B. Reichow, Organischer Städtebau. 1949, S. 1 ff. Vgl. S. 162 ff. dieser Arbeit.
Dieser Gedanke drängt sich z. B. bei der Barockgründung Mannheims auf. Ein Bild von der wachsenden planerischen Routine vermitteln die zahlreichen Stadtpläne in dem Buch von H. Planitz, a. a. O.
Ein charakteristisches Beispiel ist Hildesheim. Zunächst bestand die Domburg. Dann entwickelte sich eine zunächst im Grundriß unregelmäßige Handelsniederlassung an der Straße, die an der Burg vorbeifiihrte (sogenannter >Alter Markt<). Die später entstandenen Stadtteile um den >Altstädter Markt< (12. Jhdt.) und der >Neustädter Markt< (1221 erwähnt) zeigen zunehmend einen geplanten Charakter. Jeweils wurde ein vollständiges städtisches Gebilde mit eigenem Mittelpunkt geschaffen. Vgl. E. Hamm, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Stuttgart 1935, S. 38 ff. Ein gutes Beispiel hierfür ist auch Braunschweig.
Vgl. vom Verfasser: Humaner Städtebau, a. a. O., S. 172 ff. Zur Geschichte der modernen Mietskaseme, vgl. W. Hegemann: Das steinerne Berlin, Lugano 1930, neuaufgelegt in: Ullstein Bauwelt-Fundamente, Bd. 3, Berlin 1963.
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Bahrdt, H.P., Herlyn, U. (1998). Öffentlichkeit und Privatheit als Grundformen städtischer Vergesellschaftung. In: Herlyn, U. (eds) Die moderne Großstadt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93320-1_5
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