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Zusammenfassung

Der Beginn bevölkerungspolitischer Maßnahmen ist nicht eindeutig festzulegen. Innerhalb der wissenschaftlichen Betrachtung bevölkerungspolitischer Vorgänge existieren Meinungsunterschiede darüber, ob das Aufkommen bevölkerungspolitischer Maßnahmen bereits bei der Hexenverfolgung, die um 1360 beginnt,320 oder erst später, etwa um 1750 im Zuge der merkantilistischen und kameralistischen Ökonomisierung und Politisierung des “Vorrats” oder der Ressource ‘Bevölkerung’321 anzusetzen ist.

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Literatur

  1. Diese These vertreten Heinsohn, Knieper und Steiger in ihren Werken (vgl. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, Heinsohn/Steiger 1989 ).

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  2. Diese These vertreten sowohl Weingart/Kroll/Bayertz (vgl. Weingart/Kroll/ Bayertz 1988, 17) als auch Foucault (vgl. Foucault 1983, 166 ).

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  3. Auf das Vorgehen und das Ausmaß der Hexenverfolgung werde ich später noch genauer eingehen.

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  4. Sowohl am Massensterben als auch an den Wanderungen waren zwar hauptsächlich die unteren Schichten beteiligt. Dennoch kann nicht die Rede von einer politischen Initiierung sein. Die anschließende Verstärkung der Trennung der Bevölkerung in Teile, die vom ökonomischen Aufschwung profitierten, und Teile, die in die Armut getrieben wurden, läßt jedoch ökonomische und politische Gründe erkennen.

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  5. Cromm 1988, 112. Nur in Athen stand das Individuum im Vordergrund.

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  6. Diese beinhalteten nach Cromm in Sparta das Heiratsgebot, die Reduzierung des Zwecks der Ehe auf die Kinderzeugung und eine Privilegierung von Familien mit mehr als zwei Kindern (insbesondere Söhne), und in Rom (insbesondere unter Augustus) Ehe-und Zeugungsgesetze, die Kinderzahlen vorschrieben und Familien mit mehreren Kindern ebenfalls bevorteilten (vgl. Cromm 1988, 112ff.).

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  7. Heinsohn/Steiger 1989, 42.

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  8. Heinsohn/Steiger ebd.

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  9. Cromm 1989, 113.

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  10. Vielfach wird behauptet, daß statt gezielter geburtenbeschränkender Maßnahmen eine hohe Säuglings- (Kinder unter einem Jahr) und Kindersterblichkeit die hohen Geburtenziffern kompensierten. Obwohl für die Zeit der Antike überhaupt keine gesicherten Daten zur Kindersterblichkeit vorliegen, geht man selbst bei extrem hohen Schätzungen bei 0–5- jährigen Kindern nur von einer Sterblichkeit von 20 bis 25 Prozent aus. Für die Zeit seit dem 17. Jahrhundert rechnet man hingegen mit einer Säuglingsterblichkeit von bereits 40 bis 55%, die, — da die Geburtenraten inszwischen in der Tat drastisch ansteigen — die Bevölkerungszunahme nicht mehr verhindern können (vgl. Heinsohn/Steiger 1989, 40). Eine umfangreiche Darstellung der Gründe des Scheiterns des Versuchs der griechisch-römischen Patriarchate, bevölkerungspolitische Maßnahmen gegen die Bevölkerung der Antike einzusetzen, fmdet sich bei Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 19ff.

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  11. Vgl. hierzu Heinsohn/Knieper/Steiger ebd., 42ff.

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  12. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 44.

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  13. Vgl. hierzu Sachße/Tennstedt 1983, 34ff. Die neuzeitliche Armut, die eng an die Problematik der Arbeit bzw. Arbeitslosigkeit gebunden ist, war dem Mittelalter völlig fremd. Armut und hohe Kinderzahlen schlossen sich gegenseitig aus, wobei die notwendige Alternative nicht aus sexueller Enthaltsamkeit, sondern eben aus Geburtenbeschränkung bestand (vgl. hierzu Heinsohn/Steiger 1989, 57).

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  14. Vgl. Heinsohn/Steiger ebd., 58.

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  15. Vgl. Heinsohn/Steiger ebd., 79.

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  16. Vgl. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 51.

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  17. Vgl. hierzu die Tabelle der mit Todesstrafen belegten Geburtenkontrolldelikte im Spätmittelalter und in der Neuzeit, in: Heinsohn/Steiger 1989, 115.

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  18. Die Verfasser des Hexenhammers, Johannes Sprenger und Heinrich Institoris, bezogen sich nach Heinsohn/Steigers Dechiffrierung ihres Maßnahmenkatalogs auf folgende Punkte: — Unzucht und Ehebruch; — Männer zur Begattung unfähig machen; — Kastration und Sterilisation; — Verkehr mit Tieren und Homosexualität; — Empfängnisverhütung; — Abtreibung; — Kindestötung (vgl. Heinsohn/Steiger 1989, 77ff.).

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  19. Vgl. Heinsohn/Steiger 1989, 114.

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  20. Vgl. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 77ff.

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  21. Vgl. Heinsohn/Knieper/Steiger ebd., 77–128, insbesondere 89. In diesem Kapitel gelangen die Autoren nach der Analyse der Theorien bedeutender Bevölkerungsökonomen zu dem Schluß, daß das rapide ansteigende Bevölkerungswachstum weder medizinische, hygienische noch ökonomische Ursachen hat, sondern hauptsächlich auf der Vernichtung des Verhütungswissens und der Produktion eines natürlichen Kinderwunsches basiert. Die mit der Peuplierungspolitik verbundene Entstehung der Massenarmut ist somit als eine Konsequenz der “Menschenproduktion” zu interpretieren.

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  22. Vgl. zu den Begriffen: Oexle 1986, 73ff., insbesondere 79; 90; 94. Zwar galt Armut im Mittelalter vorrangig als ein materielles und ökonomisches PMnomen. Der Zustand des Armen war in der Regel durch eine unfreiwillige Mittellosigkeit gekennzeichnet. Armut wurde durch Hunger und Arbeitsunfähigkeit definiert und durch Hungersnöte, Krankheit und physische “Schwäche” produziert und zu seiner Lebenssicherung war der Arme auf Andere angewiesen. Demgegenüber existierte aber auch eine Art von Armut, deren Ursache in sozialer und rechtlicher Benachteiligung lag und in allen Standen vorkam. Arm wurde, wer innerhalb seines Standes den rechtlichen, sozialen und materiellen Status des jeweiligen Standes nicht mehr einlösen konnte: “Diese Armen im Sinne eines relativen Zustands bildeten keinen (eigenen, d. Verf.) ”Stand“, sondern wurden durch die Einstellungen und Verhaltensweisen jener zusammengefaßt, die nicht zu den Annen gehörten” (ebd., 79). Im Spätmittelalter enstand ein neuer Typ von Armut, der nicht mehr natürlich verursacht war, sondern als ein “gesellschaftliches Produkt zu bezeichnen ist” (vgl. hierzu Sachße/Tennstedt 1983, 154ff. Die beiden Autoren sehen den Wandel von der natürlich bedingten zur gesellschaftlich bedingten Armut zwar erst im 19. Jahrhundert. Aufgrund des bevölkerungspolitisch initiierten Kindereichtums im 14. Jahrhundert und der nicht mehr nur auf natürlichen Ursachen beruhenden Armut ist diese Bezeichnung zu diesem Zeitpunkt bereits gerechtfertigt). Diese Art Armut wurde durch “Nicht-Arbeit” definiert und durch Arbeitsentzug von Arbeitsfähigen und -willigen produziert (vgl. Oexle 1986, 91). Die damals entstehende Art der Armut, die vor allem auch Menschen betraf, die trotz Armut viele Kinder hatten, und dadurch immer stärker der Armut verfielen, war dem Mittelalter völlig fremd (vgl. hierzu auch Heinsohn/Steiger 1989, 57). Die Behandlung dieser Armut konnte die herkömmliche Armenfürsorge, die hauptsächlich Aufgabe der Klöster war, nicht mehr leisten. Es entstand ein völlig neues Armenfürsorgesystem, dessen vorrangiges Ziel die “Sozialdisziplinierung” (vgl. Breuer 1986, 45f.) jener arbeitsfähigen, aber arbeitslosen, unterbeschäftigten oder unterbezahlten — und als “arbeitsscheue und unwürdige Arme” diskriminierte — Menschen war (vgl. Oexle 1986, 94). Gegenstand dieser Disziplinierung und Normierung der Menschen war die Diffamierung des Müßiggangs und die Verpflichtung zur Arbeit durch pädagogische Maßnahmen. Der Leistungsanspruch und die ökonomische Verwertbarkeit der Menschen werden zu zentralen und feststehenden Kriterien der Erfassung und Beurteilung von Menschen. Diese “Armenpolitik”, die neben staatlichen Reglementierungen nun auch in den Städten ihre Verwaltungsapparate etablierte, war somit durch diese vier Merkmale gekennzeichnet: “durch Kommunalisierung, Rationalisierung, Bürokratisierung und Pädagogisierung ” (Sachße/Tennstedt 1983, 43 und ff., auch Oexle 1986, 90 ).

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  23. Oexle 1986, 88.

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  24. Vgl. hierzu Braudel 1985, Der Alltag, 23ff.

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  25. Vgl. Braudel ebd., 67ff.

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  26. Vgl. Braudel ebd., 72. Braudel datiert den Beginn derartiger Maßnahmen ins 17. Jahrhundert. Bedeutsam ist dabei auch, daß von diesen Maßnahmen nicht nur die Armen, sondern auch andere, den gesellschaftlichen Leistungsanforderungen und Verwertungsansprüchen nicht entsprechenden Menschen wie Wahnsinnige, Kranke und Straffällige, betroffen sind. Bis zu diesem Zeitpunkt gelten Hospitäler und Gefängnisse als “letzte Asyle”. Der Zustand der Insassen sollte nicht verbessert werden; die Funktion dieser Anstalten beruhte lediglich darin, sie stillzustellen. Die Hoffnung auf ein Herauskommen aus diesen Anstalten war insofern äußerst gering (vgl. hierzu auch Illich 1981, 181ff.).

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  27. Vgl. Braudel 1985, Der Alltag, 83.

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  28. Vgl. Braudel 1985, Der Alltag, 71.

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  29. Vgl. hierzu auch Sachße/Tennstedt 1983, 92 und 101. Die Autoren zeigen auf, daß Armutspolitik im absolutistischen Staat auch immer Bevölkerungspolitik war. Als Aufgaben galten die Forcierung einer übermäßigen Reproduktion der Bevölkerung und eine gesundheitliche Überwachung der Menschen durch eine umfangreiche “Policey”, die die Verbindung des absolutistischen Machtanspruchs mit dem Wohlergehen der Bürger herstellen sollte. Zu dieser Wohlfahrt gehörte auch die staatliche Übernahme der Armutspolitik, die sich in einer durch staatliche Verwaltungsträger von der Kirche übernommenen Armenfürsorge niederschlug.

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  30. Vgl. Braudel 1985, Der Alltag, 23. Diese Epidemiewelle führte nicht mehr zu Einbrüchen der Bevölkerungszahl, sondern höchstens zu einer Wachstumsverzögerung.

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  31. Vgl. Heinsohn/Steiger 1989, 174.

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  32. Vgl. Heinsohn/Steiger ebd., 175f. Mit den erwähnten Nebenfolgen sind vor allem der hohe “Menschenverschleiß” einerseits bei den Kindern, die nicht ernährt werden können, andererseits bei den Frauen, die immer mehr auf die Funktion der Gebährenden reduziert werden und folglich auch einer übermäßigen physichen und psychischen Belastung ausgesetzt sind.

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  33. Vgl. Heinsohn/Steiger ebd., 182.

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  34. Dies war schon das Argument der politischen Arithmetiker (vgl. hierzu Bonß 1982, 59ff.), die behaupteten, soziale Phänomene durch naturwissenschaftliche und statistische Techniken erfassen und erklären zu können.

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  35. Vgl. Heinsohn/Steiger 1989, 183.

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  36. Vgl. hierzu Foucault 1983, insbesondere 172.

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  37. Zu nennen sind hier vor allem Foucault und Weingart/Kroll/Bayertz. Für Heinsohn/Knieper/Steiger ist der Beginn bevölkerungspolitischer Maßnahmen — wie bereits erwähnt — früher anzusetzen, nämlich mit dem Beginn der Vernichtung des Verhütungswissens durch die Hexenverfolgung. Aber auch sie konzedieren, daß die Bevölkerungspolitik in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch die umfassenden ökonomischen und sozialen Veränderungen und insbesondere durch die Einführung bevölkerungstatistischer Methoden eine qualitativ andere Gestalt erhält. Zudem erhalten die eugenischen Züchtungsvorstellungen erst zu dieser Zeit Einzug in die bevölkerungspolitische Agenda.

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  38. Foucault 1983, 166ff.

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  39. Foucault ebd., 166.

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  40. Foucault ebd., 167.

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  41. Vgl. hierzu u.a. Illich 1981, insbesondere 181fí.; Foucault 1976.

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  42. Vgl. hierzu u.a. Foucault 1968; Foucault 1969.

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  43. Vgl. hierzu u.a. Breuer 1986; Sachße/Tennstedt 1986.

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  44. Vgl. hierzu Lamnek 1988, 57f. An dieser Stelle ist weniger an die biologisch-anthropologische Schule der Kriminalistik gedacht, deren Interessengebiet sich auf die biologisch-anthropologische Konstitution des Täters beschränkt. Angesprochen ist hier vielmehr die klassische, allen voran die von Bentham entwickelte Schule der Kriminalistik, die Tötung und ähnliche Bestrafungsformen durch Besserung und Heilung ersetzen will (vgl. hierzu auch Foucault 1977, 256ff.).

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  45. Vgl. hierzu u.a. Bonß 1982, insbesondere 59ff.; auch WeingartlKroll/Bayertz 1988, 21. Sie weisen darauf hin, daß die Entstehung der Demographie erst die Erfassung der Bevölkerung ermöglichte.

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  46. Foucault 1983, 168.

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  47. Foucault ebd., 168. Foucault spricht an dieser Stelle von “Machtinstitutionen”, die den damaligen Staatsapparaten die Aufrechterhaltung der Produktionsverhältnisse ermöglichte, und von “Machttechniken” der Normierung des Verhaltens und Beeinflusssung der generativen Struktur, die von wichtigen Institutionen wie der Polizei, der Armee, aber auch der Schule oder der Medizin eingesetzt wurden.

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  48. Vgl. Foucault ebd., 174ff. Foucault analysiert die Entwicklung der Machtprozeduren der europäischen Gesellschaft durch den Übergang von einer “Symbolik des Blutes” zu einer “Analytik der Sexualität”. Obwohl beide Ele-mente unterschiedlichen Machtregimen angehören, weisen sie dennoch Wechselwirkungen auf. In bestimmten gesellschaftlichen Formationen treten sie gemeinsam auf und werden - so Foucault - zu Rassismus, der sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu formieren beginnt.

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  49. Weingart/KrolllBayertz 1988, 17.

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  50. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz ebd., 42 und ff.

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  51. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz ebd., 58ff. Ursprünglich als retrospektive Bezeichnung für den Verfall großer Imperien oder auch großer Bauwerke benutzt, erfährt der Begriff der “décadence” Mitte des 19. Jahrhunderts einen wichtigen Wandel. Von nun an wird er eher für die Charakterisierung zeitgenössischer Zustande oder für den Verfall von Völkern benutzt und kennzeichnet sogar sehr individuell den durch die fortschreitende Industrialisierung verursachten physischen Verfall derjenigen Menschen, deren gesundheitlicher Zustand die “Rasse” zu verschlechtern droht.

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  52. Degeneration erfuhr in einigen literarischen Arbeiten aber auch eine völlig andere, aber weitaus unpopulärere und inoffiziellere Erklärung. Sie galt als der Weg, der eine neue ästhetische Sensibilität eröffnete und die raffiniertesten Genüsse ermöglichte. Während sie von Autoren wie Baudelaire oder T. Mann als Preis für eine neue Ästhetik interpretiert wurde, beklagten sich andere Autoren wie Hauptmann und Schallmayer über die Degeneration als die Ursache allen Übels. Wagner und später Nietzsche nahmen die Degeneration zum Anlaß, die “Umwertung aller Werte” einzufordern und einen neuen, vor dem physischen und moralischen Verfall gefeiten Menschen zu erschaffen (vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 62ff.).

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  53. Vgl. Weingart/KrollBayertz ebd., 42ff.

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  54. Vgl. zu den Instrumentalisierungen der einzelnen Diskurse Weingart/Kroll/ Bayertz ebd., 70ff., 67, 33 und 76. Alle diese Diskurse weisen zwar einen Bezug zu eugenischem Gedankengut auf, sind aber nicht mit Eugenik gleichzusetzen. Erst die Verbindung von bestimmten Inhalten der einzelnen Diskurse und ihre Instrumentalisierung für bestimmte Machtansprüche ermöglicht das Konstrukt eugenischer Vorstellungen. Eine Instrumentalisierung wird insbesondere bei den häufig anzutreffenden Zitaten Nietsches ersichtlich. Seine Ideen werden meist zur Rechtfertigung der Tötung “lebensunwerten” Lebens benutzt. Dies ist angesichts Nietzsches psychischer Entwicklung kurz vor seinem Tod äußerst paradox. Er wäre eines der ersten Opfer eugenischer Forderungen geworden (vgl. auch Klee 1985, 16). Gleiches gilt auch für die Evolutionstheorie Darwins. Fernab von einer Zielbestimmung der Evolution, begreift Darwin die Evolution als eine nicht mit (sozialem) Fortschritt gleichzusetzende Entwicklung, sondern lediglich als Motor des Zusammenspiels von Variation und Selektion. Erst die Sozialdarwinisten unterstellen der Evolution eine spezifische Form dieses Zusammenwirkens, das das Überlebensrecht des Stärkeren bzw. einen Herrschaftsanspruch impliziert. Diese verzerrende Form der Rezeption Darwins verfolgt das Ziel, Rassismus, Chauvinismus und andere Formen der Unterdrückung zu legitimieren (vgl. auch Rott 1989, 11, 21f.).

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  55. Foucault 1983, 178.

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  56. Vgl. Weingart/KrollBBayertz 1988, 32ff. Vgl. auch Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 134.

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  57. Vgl. Weingart/KrollBBayertz ebd., 37ff. Auch in den USA gab es seit dem 19. Jahrhundert bereits eugenische Maßnahmen, die - ähnlich wie in England - sehr eng mit der Genetik verbunden waren. In den USA entstanden derartige Forderungen hauptsächlich aufgrund der Immigration. Den “Einwanderungswellen” wurde mit einer wissenschaftlich begründeten Diskriminierung der Immigranten als “Minderwertige” und mit anderen eugenischen Maßnahmen begegnet (vgl. ebd. 345ff.). Zwischen 1905 und 1935 wurden in 31 von damals 48 Bundesstaaten rassenhygienische Gesetze erlassen und sogar die Sterilisation “Minderwertiger” wurde zulässig (vgl. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 134 ).

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  58. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 41.

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  59. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 91.

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  60. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz ebd., 91ff. und 189ff Die Forderung nach Neutralität, die Ploetz mit dem Begriff der Rassenhygiene zu verbinden trachtet, bietet die Möglichkeit der Instrumentalisierung des Begriffs durch die Rassentheoretiker. Wenn die Wissenschaft nicht um ihre Wertimplikationen weiß, läuft sie Gefahr, von wirtschaftlichen, politischen o.ä. Interessen vereinnahmt oder instrumentalisiert zu werden. Dieser Versuch zeigt aber auch auf, daß sich eugenische Gedanken mit anderen politischen Gedanken, z.B. mit der sozialistischen Idee vereinbaren lassen (vgl. hierzu ebd. 105–129). Sogar Ploetz und auch Schallmayer sympatisierten mit den Sozialisten. Als der führende Sozialhygieniker der Weimarer Zeit galt der Sozialist Grotjahn (vgl. hierzu Roth 1984, 31ff.). Er plädierte u.a. bereits für eine Verstaatlichung des Gesundheitswesens und für die Verschmelzung von Sozialhygiene und Eugenik. Rezipiert wurde Grotjahn später sowohl in den Ländern des Ostblocks (vor allem in der DDR und der UDSSR), aber auch von der institutionellen Gesundheitsfürsorge in der BRD während der Adenauer-Ära, mit der Intention, bereits frühzeitig in den Prozeß der Arbeitsmigration eingreifen zu können (vgl. ebd. 32 ). Die Kritik der Sozialisten an der Degeneration der Rasse ist jedoch vornehmlich eine Gesellschaftskritik, die sich gegen die ökonomischen Verhältnisse richtet. Dabei wird das Degenerationsproblem als eine Folge der Polarisierung von Reichtum und Armut interpretiert, der gesellschaftlich begegnet werden muß. Eine Verbesserung der Rasse ist diesen Theoretikern zufolge nur im zeitlichen Anschluß an eine Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse möglich. Mit anderen Worten: Zunächst muß der Sozialismus eingeführt sein, dann ergibt sich eine Art “Sozialeugenik” von selbst. Sie bedarf dann keines Zwangs mehr. Obwohl die Eugenik in der Sozialdemokratie auch noch bis um die Jahrhundertwende Bedeutung hatte, ist sie im Grunde genommen jedoch eindeutig dem rechten poltischen Spektrum zuzurechnen. Für manche Eugeniker war das sozialdemokratische Interesse an einer Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse auch der entscheidende Anlaß, ein eugenisches Programm der Selektion zu fordern. Insbesondere die Forderungen nach Kranken-, Unfall-und Altersversicherung erschienen diesen Eugenikern als Fortsetzung der Degeneration bzw. als Abschwächung der Selektion. Dieser Ansatz impliziert eine Biologisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, d.h. Reichtum und Armut werden im Sinne eines natürlichen Kampfes ums Dasein interpretiert. Ungleichheit ist biologisch bedingt, und der Verlierer dieses “natürlichen” Kampfes ist untauglich zu bestehen.

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  61. Deshalb soll ihm untersagt werden, sich fortzupflanzen. Es zeigt sich, daß die eugenischen Forderungen der Rechten andere Prämissen und Paradigmen implizieren. Gemeinsam ist den verschiedenen eugenischen Positionen nur das Degenerationsproblem, das jedoch völlig unterschiedlich interpretiert wird (vgl. WeingartfKroll/Bayertz 1988, insbesondere 108ff.)

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  62. Der Anthropologe Fischer arbeitete später eng mit dem Vererbungsforscher Baur und dem Rassenhygieniker Lenz zusammen, mit denen er auch sein Standardwerk über Vererbung und Rassenhygiene publizierte (vgl. Baur/Fischer/ Lenz 1927, Bd. 1 und 1931, Bd. 2 )

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  63. Einen Überblick über derartige Maßnahmen befindet sich in: Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (Hrsg.) 1988, 97ff.

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  64. Vgl. Klevenow 1986, 64ff.

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  65. Klevenow ebd., 65.

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  66. Vgl. Klevenow ebd., 66ff. Einige beispielhafte Forderungen sollen den Grundtenor dieser Kongresse widerspiegeln: eine eugenische Sexualreform fordert bereits 1921 der Psychologe von Ehrenfels. Die zur “Rassenveredelung” führende juristisch abgesicherte Zwangssterilisation für Frauen mit “sexueller Überreizung”,… für “Sadisten, ‘sonstige Perverse’ und Homosexuelle” befürwortet Fraenkel, und Rohleder, ebenfalls Arzt an der Universität Berlin, tritt für die künstliche Befruchtung ein. Hirschfeld fordert 1928 auf einem Kongreß für Sexualreform eine “hygienisch und eugenisch geleitete Ehevermittlung”.

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  67. Vgl. Klee 1985, 29; Klee 1990, 7ff. Neben den eben erwähnten Sexualreformern beziehen sich auch andere Wissenschaftler auf die Auslese-oder Ver-nichtungsideologie. Der Psychiater Hoche und der Jurist Binding sind die wichtigsten Vorreiter des von den Nationalsozialisten später realisierten Euthanasie-Programms Die Legitimation ihrer Vernichtungslogik ist äußerst zynisch: “Die Verspotteten (die als ”Minderwertige“ oder sogar als ”Mißgeburten“ betitelten Menschen, d. Verf.) werden beseitigt, damit sie nicht weiterhin verspottet werden” (Klee 1985, 22.). Hoche plädierte in seinen Werken zumindest latent für die Vernichtung der “Ballastexistenzen”, deren finanzieller Aufwand nicht mehr zu gewährleisten ist (vgl. Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 1988, 70f; zit. nach: Binding/Hoche 1922 54f.); ein Argument, daß bis in unsere Zeit Gültigkeit besitzt. Bemerkenswerter Weise wandte sich Hoche erst von diesem Gedankengut ab, als eine Verwandte der Krankenmorde zum Opfer fiel (vgl. Klee, ebd. 25; zu Bindung und Hoche vgl. auch Weingart/KrolllBayertz 1988, 524). In der Medizin bzw. der Pathologie ist Grotjahn zu erwähnen, der von der Notwendigkeit einer Asylierung der Minderwertigen spricht (vgl. Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, 70; zit. nach: Grotjahn 1923, 466f). Aber auch der Religionspädagoge Thrändorf und der Theologieprofessor Titius sind von der Notwendigkeit der Vernichtung der “Idioten” oder “sonstiger störender Naturkeime” überzeugt (vgl. Klee 1985, 26.).

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  68. Vgl. Schleiermacher 1986 73ff.

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  69. Vgl. Schleiermacher ebd., 79.

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  70. Vgl. Schleiermacher ebd., 82.

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  71. Als Institutionen sind in Deutschland vor allem zu nennen: das “Archiv für Rassen-und Gesellschaftsbiologie”, die “Berliner Gesellschaft für Rassenhy-giene”, die “Ärztliche Gesellschaft für Sexualwissenschaft und Eugenik”, die “Deutsche Gesellschaft für Bevölkerungspolitik” und der “Deutsche Bund für Volksaufartung und Erbkunde”. Sie alle hatten die Aufgabe, die Rassenhygiene in der Bevölkerung wissenschaftlich zu legitimieren und die Politik für die Durchsetzung ihrer Interessen zu mobilisieren (vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 198ff., 246ff.; Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 1988, 44, zit. nach: Kroll 1983). Einen Überblick über die zahlreichen Zeitschriften, die teilweise auch noch nach dem 2.Weltkrieg erschienen oder unter anderem Namen sogar bis heute herausgegeben werden, befindet sich in: Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 1988, 44, zit. nach: Rauschenfels 1969, 8ff.).

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  72. Vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 178.

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  73. Vgl. Weingart/KrollBayertz ebd., 254ff.; Heinsohn/Knieper/ Steiger 1979, 129ff. Im Vordergrund dieser Analyse steht das Verhältnis von “generativem Nutzeffekt” und “generativem Arbeitsaufwand”. Als Ziel gilt, den Nutzeffekt zu steigern und gleichzeitig den Aufwand möglichst gering zu halten (vgl. Kleve-now 1986, 70). Dieser “Rentabilitätsgedanke” wird später von den Nationalsozialisten zur Legitimation ihrer Vernichtungspolitik benutzt (vgl. Klee 1989, 21). Angelegt ist er jedoch schon in der Weimarer Zeit. Die ökonomische Kosten-Nutzen-Analyse betraf viele derjenigen, die aus körperlichen oder psychischen Gründen der Verwertbarkeit durch Arbeit entgegenstanden. Das preußische “Krüppelftirsorgegesetz” von 1920 sah z.B. vor, zunächst die durch eine wissenschaftlich untermauerte individuelle Schuldzuschreibung ihrer sogenannten “Defizite” klientelisierten, ausgesonderten und stigmatisierten Menschen durch Rehablitation, sprich: Erziehung zur Arbeit, für die Ökonomie wieder nutzbar zu machen (vgl. zur Strategie “Aussonderung plus Arbeitserziehung” bezüglich der “Behinderten” während der Weimarer Zeit und des Nationalsozialismus Poore 1984, 67ff.).

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  74. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 276, zit, nach ARGB, 1922–23, 14:438.

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  75. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 132.

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  76. Vgl. hierzu auch Klevenow 1986, 71.

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  77. Zu diesem Schluß gelangt Klevenow (vgl. Klevenow ebd., 71). Ohne die “Vorarbeiten” der Sexualreformer in den zwanziger Jahren hätte der Nationalsozialismus keine Basis fir die Einführung der nachfolgenden Gesetze (z.B. das “Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” 1933) gehabt. Diese Gesetze waren letztendlich “nur” die Realisierung der sexualreformerischen Forderun-Im Gegensatz zu den Maßnahmen zur Beeinflussung der Fruchtbarkeit gen. Auch Klee (vgl. Klee 1989, 29ff.) und der Humanbiologe Seidler (vgl. Seidler 1983, 61f.) vertreten die Auffassung, daß das Euthanasie-Programm, das die Nationalsozialisten ab 1933 durchführten, ohne eine umfangreiche Popularisierung der eugenischen Ideen durch verschiedene Wissenschaftler in der Weimarer Zeit nicht möglich gewesen wäre.

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  78. Vgl. Bade 1983, 28. Zweifellos liegt der Migration auch ein Moment der Entscheidung durch die Migranten zugrunde. Diese wird jedoch von seiner politischen, sozialen und ökonomischen Lage bestimmt.

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  79. Vgl. Heckmann 1981, 60. Heckmann sieht in diesen Wanderungsbewegungen die Ursache für die Entstehung von Minderheitenvölkern. Sie sind — seiner Definition gemäß — “Nachkommen der Urbevölkerung kolonial eroberter und besiedelter Territorien, denen in einem Prozeß der Beraubung, Liquidierung und Verdrängung ihre ökonomische Lebensgrundlage genommen und deren Sozialstruktur und Kultur weitgehend zerstört wurden” (Heckmann 1981, 60f.). Die Emigration ist auch im Kontext internationaler Bevölkerungspolitik zu sehen, die weiter unten näher erläutert wird.

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  80. Vgl. hierzu auch das Kapitel II. 4.

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  81. Vgl. Heckmann ebd., 39ff., insbesondere 42. Nach Heckmann sind Arbeiterimmigranten meist ländlicher Herkunft. Sie sind im Aufnahmeland in der Regel als industrielle Lohnarbeiter beschäftigt und gehören somit der untersten Schicht an. Zudem sind sie mit diskriminierenden Lebensverhältnissen (Wohnungsnot, Hunger, soziale Verachtung und Konkurrenz etc.) konfrontiert. Berücksichtigt werden muß, daß ein großer Anteil der Arbeiterimmigranten nicht permanent im Aufnahmeland verblieben, sondern wieder in ihre Heimat zurückkehrten.

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  82. Heckmann ebd., 41.

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  83. Die Benutzung des Begriffs “Rasse” ist problematisch. Memmi entlarvt den Begriff als eine künstlich festgelegte Linie. Der Begriff impliziert das artifizielle Konstrukt der “Reinheit”, das einer “Metapher”, einem “Wunschgebilde” oder einem “Gegenstand der Phantasie” entspricht (vgl. Memmi 1987, 14f.). Eine geographische oder gesellschaftliche Isolation einer “Rasse” ist hypothetisch, die biologische Natur des Menschen ist ein Konstrukt aus Vermischungsprozessen (ebd., 20). Heckmann analysiert diesen Begriff zurecht als einen politischen Kampfbegriff, dem keine Wissenschaftlichkeit zugesprochen werden kann (vgl. Heckmann 1981, 52f.) In seiner historisch-soziologischen Typologie diverser Minderheitenlagen tritt er aufgrund mangelnder Wissenschaftlichkeit nicht mehr als sozial relevante Kategorie auf (ebd., 64f.). Dies trifft zweifellos für den Begriff “an sich” zu. Auch als soziologischer Begriff ist er untauglich, da er sich eindeutig auf biologische Strukturen bezieht. Als politischer Kampfbegriff darf er bei der Analyse der Genese der Minoritäten — und auch bereits für die Zeit bis 1933 — jedoch nicht ausgelassen werden. Im Gegenteil, an ihm läßt sich zeigen, wie Wissenschaft politisch instrumentalisiert wird. Insofern ist es entscheidend, nicht nur eine Wissenschaftsfeldanalyse, sondern Politikfeldanalyse zu betreiben. Dies kommt m.E. bei Heckmann zu kurz. Zur Entstehung der Kategorie “Rasse”, zu seiner weiterhin aktuellen Umformung in die Begriffe “Ethnie” und “Kultur” und zu deren immanenten Bestandteil einer konstruierten Differenz vgl. Dittrich/ Radtke 1990, 14ff, Bukow 1987, 27f.; Bukow/Llaryora 1988, 12f

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  84. Vgl. Bade 1983, 32 ff. Während ökonomische Interessen eine ausreichende Deckung des Arbeitsmarkts durch ausländische Arbeitskräfte befürworteten, war der preußische Staat eher bemüht, die Immigration (aufgrund der Skepsis gegenüber polnischen Nationalstaatsvorstellungen insbesondere in den Ostgebieten) niedrig zu halten bzw. sie nur als Saisonzuwanderung zuzulassen.

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  85. Vgl. Bade 1983, 36. Der Rückkehrzwang gilt jedoch nur fur die niedrigsten Qualifikationsstufen. Qualifizierte Arbeitskräfte konnten bleiben. Hier bahnt sich bereits eine Differenzierung zwischen “angenehmen” - weil qualifiziert oder reich - und “unangenehmen” - weil unqualifiziert und arm - Immigranten an. Die Ausübung qualifizierter Tätigkeiten ist gleichzeitig an die “Sprachklausel” gebunden, d.h. nur wer die deutsche Sprache beherrscht, kann solche Arbeitsplätze einnehmen (vgl. Bade ebd., 46 ).

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  86. Vgl. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 141ff.

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  87. Vgl. Rott 1989, 9; Wichterich 1985, 10ff. Wichterich zeigt auf, daß die Entwicklung der Beeinflussung des generativen Verhaltens in der Dritten Welt gemäß derjenigen der Industriestaaten verläuft Zunächst wurden die Frauen aufgrund einer Arbeitskräfteknappheit zu einer übermäßigen Menschenproduktion angehalten, um mehr Landwirtschaft betreiben zu können und den Rohstoffabbau schneller zu gewährleisten. Seitdem ein “Genug” an Menschen vorhanden ist, wird der künstlich forcierten Menschenproduktion Einhalt geboten. Stattdessen wird eine mehr oder weniger rigide Familienplanung durch Geburtenkontrolle zum erzwungenen Leitbild des generativen Verhaltens. Diesen Prozeß verdeutlicht Baatz am Beispiel der Geschichte der US-amerikanischen Entwicklungspolitik (vgl. Baatz 1989, 182ff.).

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  88. Vgl. Rott 1989, 9, 16ff. Erst die Kolonialisierung implizierte die Einführung kapitalistischer Strukturen in den Kolonien. Zur Anreicherung der Kapitalien bedingt das Kapitalsystem verschiedene Grade der Exploitation. Der Grad ist in den Kolonien wesentlich höher als in den industrialisierten Staaten. Betrachtet man sich die Entwicklung des Weltwirtschaftgefüges, so nimmt die unterschiedliche Exploitation zwischen den Entwicklungsländern und den Arbeitsimmigranten innerhalb der Industriestaaten sogar immer weiter zu. Dies verschärft zweifellos den Drang zu emigrieren (vgl. hierzu auch Heckmanns Analyse der Entwicklung der Sklaverei zum gegenwärtigen Minoritätenstatus; Heckmann 1981, 48ff., insbesondere 50 ). Memmi analysiert das Verhältnis zwischen Kolonisator und Kolonialisierten u.a. als ein immanent rassistisches. Es impliziert zunächst die Konstruktion und die Hervorhebung von Differenzen zwischen Menschengruppen, dann eine Interpretation und Bewertung der Unterschiede und schließlich eine Hegemonialisierung und Privilegierung bzw. die Diskriminierung, Unterdrückung oder Eliminierung einer bestimmten konstru-

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  89. ierten Gruppe. Dieser letzte Punkt ist der entscheidende, er kennzeichnet das

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  90. Rassistische dieses Verhältnisses (vgl. Memmi 1987, 42ff., 103 und 179ff.).

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  91. Die Neomalthusianisten bzw. die “Malthusian League” richtete sich gegen eine unbeschränkte und übermäßige Fruchtbarkeit. Sie plädierte für Geburtenkontrolle durch die Benutzung von Verhütungsmitteln und wurde damit, obwohl ihre Forderungen wirkungslos blieben, zum wichtigsten Feind der Rassenhygieniker (vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 130ff.). Ihre “Propaganda für die Verringerung der Menschenproduktion” wird von der Regierung und insbesondere von den Eugenikern als Gefahr für das kapitalistische System interpretiert (vgl. Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 164 ).

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  92. Vgl. Mertens 1988, 41ff. Diese Art der Familienplanung durch Geburtenkontrolle ist nicht mit einer Emanzipation der Frau gegenüber einer staatlichen Bevölkerungspolitik gleichzusetzen. Im Gegenteil, sie entspricht ebenfalls einer sozialen und politischen Beeinflussung und Normierung der Reproduktion. Lediglich die Vorzeichen sind verändert: statt der “Nötigung” zu vermehrter Fortpflanzung (diese Politikstrategie wird eher in industrialisierten Staaten angewandt), soll die Reproduktion der Frauen reduziert werden (diese Strategie fmdet sich eher in Schwellen-und Entwicklungsländern wieder). In beiden Fällen liegt jedoch eine eindeutige Instrumentalisierung weiblicher Gebärfähigkeit vor. Dies allein sagt jedoch noch nichts über die Notwendigkeit bevölkerungspolitischer Maßnahmen in diesen Ländern aus. Sie wird aber erst später angesprochen und diskutiert.

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  93. Auch Roth (Roth 1989, 57ff., insbesondere 62) gelangt zu dem Schluß, daß die während der Zeit der Weimarer Republik eingeführten erbbiologischen Maßnahmen die spätere Handlungsbasis der Nationalsozialisten erst ermög-

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  94. lichte. Insofern ist der Aspekt der Geschichtlichkeit der Rassenhygiene im Nationalsozialismus für das Verständnis der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik unentbehrlich. Daraus erklärt sich auch die umfangreiche Darstellung der Entwicklung der Rassenhygiene im Vorkapitel.

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  95. Hier ist in erster Linie an England, die USA und Deutschland zu denken (vgl. die Darstellung der Entwicklung der Eugenik in England und den USA im Vergleich zur deutschen Entwicklung: Weingart/KrollBayertz 1988, insbesondere 320–366).

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  96. Während die Anthropologie maßgeblich an der Kreation der Weltanschauung der Nationalsozialisten beteiligt war, erstellten Mediziner und Biologen (Genetiker, Molekularbiologen) hauptsächlich die Diskurse und Maßnahmen der “Rassen-und Erbpflege”. An der Euthanasie waren vorrangig die Mediziner (incl. der Psychiater) beteiligt (vgl. hierzu die umfangreiche Darstellung der Verwicklung der Wissenschaften mit der nationalsozialistischen Politik Weingart/KrollBayertz 1988, insbesondere 396ff). An der Entwicklung und der Vollstreckung der nationalsozialistischen Rassentheorie waren zweifellos auch noch andere Wissenschaften beteiligt. So spielten z.B. auch die Psychologie oder die Pädagogik eine wichtige Rolle. Die entscheidenden Bausteine der nationalsozialistischen Rassentheorie lieferten jedoch die o.g. Wissenschaften.

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  97. Vgl. zu diesem Gesetz: Klee 1985, 36ff.; Schleiermacher 1986, 82ff.; Weingart/KrollBayertz 1988, 464ff.; Lockot 1985, 221; Weß 1989, 32f Seit diesem Zeitpunkt hat der nationalsozialistische Staat mehr als 1500 rassistische Gesetze und Verordnungen erlassen.

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  98. Hierzu gehörten sogenannte “Schizophrene”, “Irre” und “Schwachsinnige”, erbliche Blindheit und Taubheit u.a. (vgl. auch im folgenden: Schleiermacher 1986, 83 ff.; Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 367ff., Lockot 1985, 221f.). Alle Pflege-und Heilanstalten waren verpflichtet, Menschen mit diesen “Krankheiten”, insbesondere “kriminelle Geisteskranke”, aber auch Patienten nicht-deutscher Staatsangehörigkeit zu registrieren, um sie später in den eigens für die “Vernichtung lebensunwerten Lebens” errichteten Anstalten zu liquidieren (vgl. Lockot ebd., 222f.).

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  99. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 480ff. Diese Maßnahme ermöglichte erst eine systematische und einheitliche Anwendung rassenhygienischer Vorstellungen (vgl. hierzu Weß 1989, 33 ).

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  100. Vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 513ff.; Klee 1985, 50f.

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  101. Vgl. Kaupen-Haas 1986, 109f. Neben dem Verbot des Schwangerschaftsabbruchs, dessen Überschreitung ab 1943 sogar mit Hinrichtung bestraft wurde (vgl. Heinsohn/Steiger 1989, 387), wurde 1941 auch die Produktion und Anwendung von Verhütungsmitteln untersagt (vgl. Bolte/Kappe/Schmid 1980, 107; Heinsohn/Knieper/Steiger 1979, 202ff., insbesondere 205f. An anderer Stelle (1989, 157ff.) verweisen Heinsohn/Steiger darauf, daß derartige Strategien der Nazis (und auch die des Gulags) ihre Vorreiter in der Hexenverfolgung haben. Auch während der Hexenvernichtung ging es um die Ausrottung jeglichen Verhütungswissens durch Vernichtung der “weisen Frauen”. Strukturell existieren in der Tat Paralellen zur Ausrottung bestimmter Bevölkerungsteile. Berücksichtigt werden muß jedoch, daß die Hexenverfolgung sowohl den Pol der Verhinderung “unwerten Lebens” durch Zwangssterilisation als auch den Pol der Euthanasie nicht implizierte und auch nicht über ein so feinmaschiges Erfassungssystem verfügte, wie die Nazis es taten. Dies ist jedoch nur ein zeitlich bedingter “technischer” Unterschied und verweist auf die Gefahr derartiger Maßnahmen, die durch die Weiterentwicklung der Techniken immer verheerendere Wirkungen zeitigen könnten). Die Verhinderung der Fruchtbarkeitskontrolle bzw. die Intensivierung der Fruchtbarkeit sollten auch durch zahlreiche gesetzliche und ökonomische Anreize forciert werden. Ehestandsdarlehen, Kindergeld, Steuerermäßigungen und auch symbolische “Ehrungen” wie die Verleihung des “Ehrenkreuzes der Deutschen Mutter” für Mütter mit acht und mehr Kindern sind Kapitel der “positiven” eugenischen Maßnahmen, die neben dem qualitativen eben auch einen quantitativen Aspekt implizieren (vgl. Marschalck 1984, 75ff., insbesondere 77 und 81).

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  102. Zu dieser Organisaton vgl. Lilienthal 1985.

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  103. Vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 527, vgl. auch Klee 1985, 166f. Die Euthanasie des Nationalsozialismus fand ab 1940 unter dem Tarnnamen “Aktion T4” statt. Sie implizierte einen umfangreichen bürokratischen Apparat, der neben den einzelnen Euthanasie-Anstalten aus einer medizinischen, einer Büro-, einer Transport,- einer Hauptwirtschafts-, einer Personal-und einer Inspektionsabteilung bestand. Sie alle traten in der Öffentlichkeit mit “sauberen” Briefköpfen auf (vgl. ebd. 168/169). Zur Darstellung verschiedener Euthanasie-Aktionen anhand von Dokumenten und Protokollen vgl. Roth 1984, 101ff.

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  104. Hierzu zählten neben den Polizeidienststellen auch die Arbeitsämter und Fürsorgeeinrichtungen, denen die Aufgabe der Ermitttlung gegen “Volksfeinde” auferlegt worden war (vgl. Klee 1985, 64, zur erbbiologischen Bestandsaufnahme vgl. Roth 1986, 44; Kaupen-Haas 1986, 115; Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 485ff.)

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  105. Nach Klee konnte spätestens seit 1938 das Argument der Nazis, das Verbrechertum zu bekämpfen, die Konzentration und Ausbeutung dieser Menschen als billige Arbeitskräfte für den Bau öffentlicher und vor allem kriegerischer Einrichtungen nicht mehr verdecken (Klee 1985, 64). Hier zeigt sich auch sehr deutlich, daß die Inhaftierten einer doppelten Selektion unterworfen wurden. Zunächst ging es um die “Auswahl” der “ökonomisch Unbrauchbaren”, “politisch Andersdenkenden” und “rassisch Minderwertigen” aus der gesamten Gesellschaft. Die “zweite” Selektion geschah in den Anstalten. Hier wurden die Menschen nochmals nach denselben Kritierien bewertet. Nützlichkeit, Arbeitsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, politische Herkunft, “Rassenzugehörigkeit” und auch Beliebtheit entschieden über Arbeitszwang oder Tod der Insassen (vgl. Klee 1985, 433f. Hier finden sich zahlreiche Beispiele für derartige Selektionskriterien).

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  106. Vgl. Klee 1985, 76ff, Klee 1990, 7ff. Zu Begriff und Geschichte der Euthanasie vgl. auch Klee 1987, 106ff.

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  107. Vgl. Klee 1985, 333ff., insbesondere 341.

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  108. Vgl. Klee ebd., 356ff.

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  109. Vgl. Klee ebd., 417f. Die “Vernichtung lebensunwerten Lebens” war der Beginn des Holocausts. Die “Ausmerzetechniken” und auch das Personal, das die “Endlösung der Judenfrage” durchführte, wurden von den “Krankenmördern” übernommen. Die systematische Judenvernichtung in den Gaskammern der Vernichtungslager war ohne die vorbereitenden Maßnahmen

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  110. d.h. Schulung der Ärzte in Tötungstechniken und die blinde und konsequente Identifikation des Vernichtungspersonals mit dem rassenhygienischen Gedankengut nicht denkbar (vgl. Klee 1990, 13f.).

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  111. Vgl. hierzu und im folgenden: Bade 1983, 52ff.

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  112. Vgl. Bade 1983, 56f. Unterschieden wurde jedoch zwischen den “Ausländern aus Freundstaaten” und den “Ausländern aus Feindstaaten”. Während ein Aufenthalt der ersten Gruppe nach dem Kriterium der “öffentlichen Belange” (vgl. dazu auch das aktuelle Ausländergesetz) bewertet wurde, unterlagen die zwangsrekrutierten Immigranten sogar einem Ausreiseverbot. Diese Gruppe erfuhr jedoch eine weitere Unterteilung. Neben den “Westarbeitern”, die gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie Mitglieder von “arischen Herrenvölkern” waren, gab es vor allem die “Ostarbeiter”, die “rassisch minderwertigen” slawischen “Untermenschen”, die im Gegensatz zu den “Westarbeitern” keinerlei Rechte besaßen, das Arbeitslager nicht verlassen durften und — ähnlich den Juden — eine ständig sichtbare Markierung tragen mußten.

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  113. Das Ausmaß der zwangsrekrutierten Arbeitskräfte verdeutlicht Bade (vgl. Bade 1983, 58). Insgesamt arbeiteten 7,5 Mio. Immigranten im Deutschen Reich. Dies war etwa ein Fünftel aller Zivilbeschäftigten. Neben dem Einsatz in der Landwirtschaft gehörte vor allem die Rüstungsindustrie zu den Einsatzgebieten der Immigranten.

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  114. Vgl. hierzu die umfangreichen Forschungsarbeiten von Weingart/Kroll/Bayertz 1988; Roth 1986; Klee 1985.

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  115. Vgl. WeingartfKroll/Bayertz 1988, 564. Exemplarisch für den Umgang der Wissenschaftler mit ihrer Vergangenheit war der Fall Mengele-Verschuer. Weingart/Kroll/Bayertz weisen nach, daß der Zusammenhalt akademischer Kollegen auch bei der Bewältigung der Vergangenheit nicht brach. Gegenseitige Rücksichtnahme war höher angesehen als Aufklärung. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Involvierung der Wissenschaft im nationalsozialistischen Machtapparat unterblieb (vgl. ebd. 572ff). Zur Rolle Verschuers vgl. auch Well 1989, 34. Verschuer galt nicht als Anhänger des Nazi-Regimes, nutzte — gemeinsam mit seinem Kollegen Mengele — die politischen Verhältnisse jedoch, um seine wissenschaftlichen Forschungen auf legale Art zu betreiben. Zu beachten ist jedoch, daß die Judenverfolgung nach der deutschen Kapitulation “bereits” unterblieb. Auch die Euthanasie und die Zwangssterilisation der “Lebensunwerten” wurden aufgehoben. An der Struktur der Selektion änderte sich jedoch nichts. Lediglich die Zielgruppen und das Ausmaß eugenischer Methodenanwendung wurde verändert.

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  116. Vgl. hierzu Weingart/KrollBayertz 1988, 585ff.

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  117. Der “kalte Krieg” läßt sich anhand der fruchtbaren Verbindung der Humangenetik zur Kernphysik (vgl. Weß 1989, 40f.) und anhand der Lyssenko-Affäre (vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 582) verdeutlichen. Beide leisteten der Vergangenheitsbewältigung Vorschub, indem einerseits der Kommunismus bzw. die Wissenschaft Lyssenkos mit der Rassentheorie des Nationalsozialismus gleichgesetzt wurde. Andererseits galt es, durch die Kernwaffenforschung und - erprobung einen adäquaten Schutz vor dem Kommunismus zu ermöglichen. Für die Auswirkungen der Kernwaffenexperimente waren strahlengenetische Forschungen notwendig. Die Wissenschaft, Eugenik und Rassenlehre, sollten durch diese Ablenkungsstrategie historisch relativiert bzw. verharmlost werden. Für diese Konstruktion wissenschaftlicher “Reinwaschung” war der Genetiker Nachtsheim — obwohl während des Nationalsozialismus an der Rassenhygiene selbst unbeteiligt — entscheidend verantwortlich (vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 582f). Zudem beteiligte sich Nachtsheim, der später zur zentralen Figur innerhalb der Genetik und der Humangenetik avancierte, bereits in den fünfziger Jahren als einziger Genetiker an der wiederentstandenen Sterilisierungsdiskussion (ebd. 593ff.). Seine Argumentation lief darauf hinaus, das Sterilisationsgesetz von 1932 von demjenigen der Nationalsozialisten zu trennen und lediglich den Zwangscharakter des Nazigesetzes zu verurteilen. Insofern trat er für die Notwendigkeit eines Gesetzes zur freiwilligen Sterilisierung ein. Die implizierte Tendenz dieses Vorschlags beruht auf der Individualisierung und Medikalisierung bevölkerungspolitischer Maßnahmen. Sie sollten nicht mehr als staatliche sozialtechnologische Maßnahmen oder Verordnungen festgelegt sein, sondern bestimmten Individuen als eine “freiwillige” Entscheidung “nahegelegt” werden. Welche Individuen dem “Sterilisationsgebot” anheimfallen, soll wiederum durch wissenschaftliche Fachkräfte entschieden werden. soll wiederum durch wissenschaftliche Fachkräfte entschieden werden. Hier wurde bereits die Perspektive humangenetischer Beratungsstellen entworfen.

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  118. Gegen die Deklarationen der UNESCO, die zunächst “nur” das Ziel verfolgten, die nationalsozialistische Rassenpolitik zu reflektieren und wissenschaftliche Argumentationen gegen rassistische Interpretationen anthropologischer und genetischer Theorien zu kreieren, hatten mehr als ein Drittel der Wissenschaftler, die nicht nur aus Deutschland kamen, substantielle, und mehr als zwei Drittel detaillierte Einwände vorgebracht. Sie richteten sich vor allem an die Fragen der angeborenen Intelligenz und der damit gleichzeitig befürchteten Rassenmischung (vgl. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 611f). Dies zeigt neben der weiteren wissenschaftlichen Implikation biologistischer Paradigmen aber auch das Manko an Übereinstimmung innerhalb der Anthropologie und der Genetik (ebd. 614ff.). Vgl. hierzu auch die beiden entgegengesetzten Tendenzen zwischen Dunn/Dobzhansky (Absurdität der Rassenklassifikation) auf der einen und Weyl/Weitz (Vererbung intellektueller Überlegenheit der Juden) auf der anderen Seite (ebd. 615f.).

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  119. Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 618.

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  120. Auf die diskursive Konstruktion von Rassenunterschieden werde ich später noch genauer eingehen.

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  121. Bezüglich der Intelligenzpsychologie ist hier vor allem an die bereits erwähnten Forschungsarbeiten von Weyl/Weitz zu denken, die nach den rassischen Besonderheiten (genetischer Art) der Ashkenasi-Juden forschten (vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 619f.).

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  122. Vgl. hierzu Weß 1986, 126 und im folgenden 121 ff.

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  123. Hier soll jedoch nicht der Eindruck geweckt werden, daß die Entwicklung der Eugenik nach dem 2. Weltkrieg nur Jürgens zuzuschreiben ist. Seine Vorstellungen sind nur ein — jedoch sehr prägnantes — Beispiel für die heftige Wiederbelebung scheinbar totgesagter rassenhygienischer Prämissen in wissenschaftlichen Diskursen. Noch prägnanter ist jedoch die enorme Popularität und Akzeptanz seiner Vorstellungen, die er bei Politikern erfährt. Jürgens ist zunächst Schüler des Anthropologie-Lehrers Schaeuble, einem Vertreter der Rassenforschung. Später wird er von Mackenroth und Bolte in die Bevölkerungswissenschaft eingeführt. Er unterscheidet sich jedoch von ihnen, da er neben einer quantitativen Prägung des Fortpflanzungsverhaltens auch die Beeinflussung der qualitativen Zusammensetzung der Bevölkerung fordert. Diesbezüglich konvergieren seine eugenischen Vorstellungen mit denjenigen Hans Harmsens, der bereits 1952 die Gründung der “Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft” initiiert, eine Institution, die “… zum Sammelbecken der Statistiker, Soziologen und Rassenhygieniker des NS-Regimes und ihrer Schüler” (Weß 1986, 123) avancierte. Harmsen gründete nach dem 2. Weltkrieg den deutschen Zweig der “International Planned Parenthood Federation” (IPPF), die Organisation “Pro Familia” und war maßgeblich an der Ausarbeitung von Programmen zur Bevölkerungskontrollpolitik in den nicht-industrialisierten Staaten verantwortlich (vgl hierzu Mies 1988 ).

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  124. Weß 1986, 127, zit. nach: Jürgens, in: Institut International de Sociologie, Akten des 18. Internationalen Soziologenkongresses, Nürnberg 10.-17.9.1958, 1963, Bd 4, 64.

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  125. Weß ebd., 129.

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  126. Vgl. Weß ebd., 130f

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  127. Vgl. hierzu Sierck 1992, 108.

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  128. Vgl. Bukow 1989, 62ff.

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  129. Vgl. zur genaueren Geschichte und zum Standort der Humangenetik innerhalb des Wissenschaftsgefüges: Weingart/Kroll/Bayertz 1988, 585ff., 622ff. Zur Kontinuität der Eugenik im Gewand der Humangenetik vgl. Köbsell 1992, 12ff.; Mies 1988, 128ff.

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  130. So kennzeichnete Nachtsheim den überwiegenden Anteil der Humangenetik (vgl. Weingart/KrollBayertz 1988, 628).

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  131. Ähnlich verhält es sich bei unfruchtbaren Paaren, die gerne ein eigenes Kind hätten. Das Prinzip der Verteidigung dieser Fortpflanzungstechnologien beruht darauf, das Unglück eines einzelnen Menschen zum Ausgangspunkt eines neuen Prinzips zu machen. Dabei wird an die Solidarität aller anderen Menschen appelliert, dieser einen Person zu helfen. Einzelfälle werden nur dazu benutzt, um auf breiter Ebene Akzeptanz zu schaffen und die neuen Fortpflanzungstechnologien einzuführen (vgl. hierzu Mies 1988, 115f.).

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  132. Jongliert wird aber auch mit der Angst der Frauen. Zunächst geht es darum, die Risiken eines kranken oder behinderten Kindes und die daraus resultierenden Konsequenzen deutlich zu machen. Im Anschluß daran bieten Humangenetik und pränatale Diagnostik ein “Anti-Angst-Programm” an, das scheinbare Sicherheit verspricht. So wird auf der einen Seite eine Furcht künstlich hergestellt, die auf der anderen Seite durch Technik scheinbar wieder nivelliert werden kann (vgl. hierzu Köbsell 1992, 31ff., insbesondere 33).

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  133. Beck 1988, 49.

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  134. Bammé u.a. 1983, 99.

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  135. Vgl. Bammé u.a. ebd., 96f.

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  136. Hart 1989, 108.

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  137. Vgl. Klee 1990, 44. Klee betont, daß es ihm bei der Kritik an der Theorie und Praxis der Humangenetik nicht um eine Infragestellung der Abtreibung geht. Kritisiert wird der Versuch, durch humangenetische Beratung einen Unterschied zwischen “lebenswerten” und “lebensunwerten” Leben zu vollziehen. Medizinische Diagnosen und humangenetische Prognosen implizieren eine Selektion zwischen “Unbrauchbaren” und “Brauchbaren”, die bereits im Mutterleib ansetzt (vgl. ebd. 51 ).

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  138. Am Beispiel der Geschichte der Rehabilitationspolitik zeigt Sierck auf, daß eine Förderung dieser Gruppen nur dann erfolgt, wenn sich ein gesellschaftlicher Nutzen abzeichnet. Ansonsten plädiert eine inzwischen offen eugenisch orientierte Medizin dafür, bestimmte Behinderungen a priori durch Sterilisation o.a. zu verhindern (Sierck 1992, 119f1:).

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  139. Vgl. Klee 1990, 77. Die Taktik der Apologeten der Euthanasie deckt sich hier mit derjenigen der Verfechter der Fortpflanzungstechniken. Stets werden Einzel-, meist Notfälle verallgemeinert und auf eine Art humanistisch verdreht, daß niemand Einwände gegen diese Techniken haben kann.

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  140. Vgl. hierzu Klee ebd., 82ff Um den Singer-Diskurs gab es an vielen Universitäten und auch in den Medien heftige und konträre Diskussionen. Bezüglich der Wirkung derartiger Diskurse im Kontext anderer, dem selben Grundtenor folgende (z.B. der Historiker-Streit oder das Heidelberger-Manifest) Diskurse vgl. Jäger 1990, 71. Auf den Zusammenhang und die Wirkungsweise diskursiver Formationen werde ich später aber noch ausführlicher eingehen.

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  141. Vgl. Klee 1990, 67, 76.

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  142. Vgl. Klee ebd., 92.

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  143. Hier ist vor allem die Eubios-Klinik zu nennen, die der bekannte Professor Hackethal leitete (vgl. Klee ebd., 96ff., zu den Tötungsaktionen der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) vgl. ebd. 100ff.).

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  144. An dieser Stelle sei auch schon auf die Wirkung diskursiver Formationen verwiesen. Dem Diskurs “Furcht vor dem Aussterben der Deutschen” gesellt sich der Diskurs der “Sorge um die hohe Fruchtbarkeit der Ausländer” hinzu. Diese Diskursformation zeigt zudem eine — vordergründig — verblüffende Nähe zwischen wissenschaftlichen, ökonomischen und politischen Diskursen und dem Alltagsbewußtsein der Bevölkerung. Nahezu deckungsgleich ist der Diskursgebrauch bei Wissenschaftlern, Arbeitgebern, Politikern und großen Teilen der nationalistisch denkenden deutschen Bevölkerung (vgl. hierzu ausführlicher Kapitel III, Abschnitt B). Zur strukturellen Benachteiligung der Immigranten sei hier nur auf die immer noch aktuelle und seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gefestigte Verweigerung des kommunalen Wahlrechts für Immigranten hingewiesen. An diesem Phänomen läßt sich bereits die ganze Problematik struktureller Benachteiligung nachzeichnen, da das Wahlrecht nicht nur den rechtlichen, sondern - bezüglich fortgeschrittener Gesellschaften - den gesamten gesellschaftlichen Status der Immigranten verdeutlicht (vgl. Bukow 1989, 4). Heckmann spricht in diesem Zusammenhang von einem “Defizit zwischen zustehendem und realisiertem Lebensniveau” (Heckmann 1981, 258, zur ökonomischen und sozialen Situation der Immigranten vgl. 141ff. Bei Heckmann kommt der entscheidende politische Diskurs m.E. jedoch viel zu kurz). Beachtet werden muß jedoch, daß zwischen den verschiedenen Immigrantengruppen bezüglich ihrer Herkunft und ihrer Nationalität differenziert wird. Der abnehmende politische, soziale und ökonomische Status bei sogenannten “EU-Mitgliedern”, “Ausländern” und “Asylbewerbern” konvergiert mit der gesellschaftlichen Akzeptanz der einzelnen Immigrantengruppen bei der autochthonen Bevölkerung. Dies verdeutlicht auch Bade am Begriff des “Gastarbeiters”, der eindeutig eine Tendenz zur sozialen und politischen Deklassierung impliziert. Während die Bezeichnung im Alltag für die Etikettierung eines immigrierten Kellners sicherlich noch benutzt wird, wird sie niemand für die “Bezeichnung” eines immigrierten Arztes oder Restaurantbesitzers benutzen (vgl. Bade 1983, 73). Die Differenzierung zwischen Immigrantengruppen verweist auf ein “spezielles Minderheitenrecht”, das grundlegende Rechtsprinzipien mißachtet und partiell außer Kraft setzt. Dadurch findet — Sieveking zufolge — teilweise eine “Inkorporation polizeilicher Zwecke in das Sozialrecht statt” (Sieveking 1989, 99). Das Sozialrecht übernehme wieder Polizeiaufgaben, “ohne daß der (ausländer-) polizeiliche Grund (…) überhaupt ins Spiel gebracht wird”. So spricht man bei der Rückkehrförderung, die im übrigen nur die Hälfte der eingezahlten Rentenversicherungsbeiträge impliziert, statt von Ausgrenzung von einer Wohltat. Auch die Einschränkung der Sozialhilfe bei Flüchtlingen oder die potentielle Ausweisung ausländischer Bürger bei Sozialhilfeempfang wird als Gefahrenabwehr legitimiert, obwohl diese Maßnahmen eindeutig diskriminierend und ausgrenzend wirken (vgl. Sieveking 1989 ). Gemäß verschiedener und differenzierter politischer Einschätzungen, Behandlungen und Zuweisungen der Immigranten gibt es auch bei der Bevölkerung ein breites Spektrum des Auftretens gegenüber Immigranten, daß von liberalen bis zu rassistischen Mustern reicht.

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  145. Vgl. Bade 1983, 97ff.

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  146. Bukow 1989, 62f Das Begriffspaar “zykluskonforme” und “zykluskonträre Minderheitenpolitik” hegt keine formalen oder mechanistischen Implikationen. Vielmehr basiert das Begriffspaar auf einem Verständnis von sozialem Handeln, das Verantwortlichkeit und somit auch einen ethischen Aspekt impliziert. Diese auf Webers Vorstellungen von Idealtypen verweisenden Signifikanten benutzt Bukow nicht systemtheoretisch und absolut, sondern eher strukturell. Mit anderen Worten: sowohl “zykluskonforme” als auch “zykluskonträre” Politikformen entsprechen zwar hegemonialen Tendenzen, sie weisen jedoch Brüche und Gegendiskurse auf, die eben auch jeweils andere Politiken zulassen (vgl. Bukow 1989, 64). So ist die “zykluskonforme” Politik eher eine Vorform derselben, weil sie im Grunde doch auch bereits zu dieser Zeit schon nach dem Prinzip der Rotation funktionieren soll, im Endeffekt jedoch andere als die implizierten und gewollten Konsequenzen bewirkt, da sie Immigration zuläßt bzw. sogar fördert (ebd. 65f.).

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  147. Bukow 1989, 63.

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  148. Den Anwerbeabkommen mit Italien, Spanien, der Türkei, mit Griechenland, Marokko und Portugal entspricht das von der damaligen EWG eingeführte “Prinzip der Freizügigkeit innerhalb des EG-Rahmens” (vgl. Bukow ebd., 65).

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  149. Bukow ebd., 64.

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  150. Bade ebd., 98. In seinem neusten Werk spricht Bade bezüglich der aktuellen Situation der Immigranten in der BRD prägnant von einer “Einwanderungssituation ohne Einwanderungsland” (vgl. Bade 1992b, 393ff.).

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  151. Vgl. auch Bukow 1989, 69.

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  152. Im Rahmen der Europäisierung ist auch die Relation zwischen nationaler und internationaler Bevölkerungspolitk zu diskutieren, die jedoch erst Gegenstand des nächsten Abschnitts sein wird.

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  153. Tsiakalos 1983, 37. Zu den Erstgenannten gehört z.B. Seeger, der, um “Völkerchaos und Untergang” zu verhindern, für eine schnelle Rückführung aller Ausländer plädiert. Bei der “Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V.” ist die Immigration nur ein Thema unter anderen. In ihrer Zeitschrift ist sie eingebettet in andere eugenische Themen wie “Geburtenpolitik”, “Familienforschung”, “Erforschung der ‘Erbmasse’-Schädigungen” und “Vererbungsforschung” (vgl. z.B. “Erbe und Verantwortung - Eugenische Rundschau” 4/65, 14ff. Eine umfangreiche Auflistung zu den Zeitschrift findet sich bei Moreau 1983, 154, Anm. 124.). Im wissenschaftlichen Beirat dieser inzwischen im rechtsradikalen wissenschaftlichen Bereich zur wichtigsten Zeitschrift avancierten Publikation sitzt u.a. Benoist, einer der führenden Vertreter der französichen “Nouvelle Droite” (vgl. hierzu Tsiakalos 1983, 38), die gemeinsam mit ihrem deutschen Pendant mit “biologischem Realismus” und “wissenschaftlichem Rassismus” einen neuen Menschen züchten, eine Aristokratie des Übermenschen kreieren wollen (vgl. Moreau 1983, 153f.).

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  154. Die zu dieser Zeit noch hohen Werte der immigrierten Bevölkerung schwächen immer mehr ab.

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  155. Heidelberger Manifest“, abgedruckt in ”Die Zeit“, 6/82, 13.

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  156. Auf die “Kulturdifferenzhypothese”, die zwischen der Kultur der Immigranten und derjenigen der Aufnahmegesellschaft eine große Kluft sieht (vgl. Bukow/Llaryora 1988, 12f.), und auf die “Modernitätshypothese”, die das Dasein der Immigranten als Individuen zwischen verschiedenen Niveaus implizierenden Kulturen interpretiert (vgl. ebd., 15f.), gehen die Autoren sehr ausflihrlich ein. Die Belanglosigkeit dieser Differenzen und Spannungen wird sowohl hinsichtlich ihres endogenen (vgl. ebd., 20f.) als auch bezüglich ihres exogenen Aspekts (vgl. ebd., 33f.) dargestellt (vgl. zur Irrelevanz ethnischer Besonderheiten auch Bukow 1987, 29f.). Ihre Kritik an diesen Theorien reicht nicht nur bis zu einer Infragestellung ihrer Validität, sondern analysiert sie auch hinsichtlich ihrer Effizienz. Bukow/Llaryora zeigen auf, daß diese Theorien maßgeblich an der Produktion von Minoritäten, bezüglich ihres Forschungsgebiets: an der Ethnisierung von Immigranten beteiligt sind (vgl. ebd., 49ff). Zur ausführlichen Darstellung der Genese von Minoritäten gelange ich aber erst in den nächsten Abschnitten.

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  157. Vgl. hierzu Memmis Definition von Rassismus, deren Inhalte partiell auch auf Vertreter des neuen Nationalismus zutreffen. Zumindest der Aspekt der “verallgemeinerten und verabsolutierten Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede” trifft für diese Vertreter zu (Memmi 1987, 103). An dieser Stelle zeigt sich auch, daß die Versuche der UNESCO (vgl. S. 121), den Begriff der “Rasse” wissenschaftlich zu dequalifizieren und ihn durch den Begriff der “Ethnic” zu ersetzen, das Problem nicht löst.

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  158. Vgl. hierzu auch Habermas, der diese Entwicklung als die Entstehung einer “Neuen Unübersichtlichkeit” definiert (Habermas 1985, 141ff.); vgl. auch Greß/Jaschke/Schönekäs 1990, 278.

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  159. Vgl. Greß/Jaschke/Schönekäs ebd., 280f.; Saage 1983, 66ff.; zum Verhältnis zwischen Rechtsextremismus und “Neuem Konservatismus” vgl. ebd. 113ff.; zum Aspekt der “Kulturrevolution”, die die Rechten von dem italienischen Marxisten Gramsci übernommen haben vgl. Christadler 1983, 168ff.

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  160. Hier ließen sich zahlreiche Arbeiten anführen. Eine Übersicht gibt Bukow/Llaryora 1988, 7, Anm. 5; 7ff.

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  161. Angeführt werden hier die extrem patriarchalischen Strukturen der Herkunftsländer, die Sprache, die Zugehörigkeit zu einer agrarischen statt zu einer industriellen Gesellschaft und damit verbunden ein gewisses Maß an Rückständigkeit und Desorganisation, eine starke Religiösität, die Vernachlässigung von Selbstverantwortung, Partnerschaftlichkeit, Selbständigkeit und Sachorientierung, eine fehlende Bereitschaft, die “Heimatwerte” zugunsten neuer Werte zu verändern, usw. All diese Eigenschaften werden als “ethnienspezifische Sperrmechanismen” gedeutet, die eine Integration verhindern (vgl. zu den einzelnen Autoren: Bukow/Llaryora 1988, 8fi).

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  162. Unreflektiert bleibt dabei, welche Eigenschaften oder Charaktermerkmale “Kultur” ausmachen. Der Begriff wird als eindeutig, nahezu selbstverständlich vorausgesetzt. Eine nähere Definition des Begriffs würde aufzeigen, daß eine Art “homogene Kultur” überhaupt nicht existiert. In seiner Verwendung fungiert er eher als eine bestimmte Vorstellung einer ethnischen Zugehörigkeit, einer Nationalität. In diesem Sinne entlarvt er sich als eine Hervorhebung und eine Überinterpretation eines Merkmals, nämlich der Nationalität. Stattdessen könnte man im Sinne von “Kultur” höchstens von “vielfältigen Kulturen” sprechen, mit denen die Individuen konfrontiert sind und mit denen sie sich mehr oder weniger identifizieren. Und auch die Identifikation oder die Identität, der zweite, ständig als bekannt vorausgesetzte Begriff, weist Ungenauigkeiten auf. Die Zuschreibung einer gewissen Identität für eine bestimmte Ethnie oder ein Volk ist im Alltag nur vereinzelt als übertriebener Nationalismus (mit all seine Verzweigungen) ersichtlich. Im Grunde ist das Individuum eher ein Konglomerat verschiedener Identitäten, die zudem ständig in Bewegung und Veränderung begriffen sind. Zu beachten ist an dieser Stelle auch der Beitrag von Lenzen, der aufzeigt, daß “nationale” bzw. “kulturelle” Identität ein Widerspruch in sich ist, da man nicht gleichzeitig auf der einen Seite von kultureller Normierung bzw. Sozialisation und auf der anderen Seite von Bewahrung bzw. Herausbildung einer eigenständigen Identität sprechen kann. Insofern kritisiert er auch das Konzept des Multikulturalismus, das das Identitätskonzept unhinterfragt “mitschleppt”. Lenzen plädiert als Alternative für eine Aufgabe des Identitätsdenkens überhaupt (Lenzen 1991, 147ff, insbesondere 155–157).

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  163. Häufig werden bereits in den Titeln dieser Arbeiten die Ergebnisse sichtbar (vgl. Braun: Soziokulturelle Probleme der Eingliederung italienischer Arbeitskräfte in der Schweiz, 1970, 119ff., zit. nach Bukow 1988, 7, Anm. 5. Oder Greverus: Anpassungsprobleme ausländischer Kinder, in: dies. (Hg.) 1966, zit. nach: Bukow/Llaryora 1988, 8, Anm. 9).

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  164. Vgl. hierzu die Forschungsarbeiten Bukows/Llaryoras zur “Soziogenese ethnischer Minoritäten”. Diese Forschungsrichtung versucht nicht, Theorien über die Immigranten und ihre Herkunftsländer zu entwickeln, sondern befaßt sich mit den gesellschaftlichen Bedingungen der Immigration und deren Folgen für die Immigranten. Hierbei sind die eigene Gesellschaft, ihre Aufnahmebedingungen (politisch-rechtliche Verhältnisse) und ihre Umformungsprozesse (Genese von Minoritäten) von Interesse. An dieser Stelle konvergiert die Forscherperspektive einerseits mit derjenigen Leiris, der das Verhältnis von “eigener und fremder Kultur” analysiert hat, und Foucaults, der in seinen Arbeiten eine Art “Ethnologie der eigenen Kulturen” betrieben hat.

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  165. Vgl. hierzu Bukow/Llaryora 1988, 10. An diesem Punkt verstehen sich die Autoren als Vertreter der ethnomethodologischen Forschung.

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  166. An dieser Stelle ist noch mal auf die Produktion von Alltagshandeln durch politische Diskurse, Praktiken und Entscheidungen zu verweisen, die im nächsten Kapitel ausführlich analysiert wird. Hieraus ergibt sich auch das “Primat der politischen Arena” (vgl. auch Bukow 1989, 67, Bukow/Llaryora 1988, 82ff.).

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  167. Dieser Terminus wurde im neuen Ausländergesetz gegen die “alte” Bezeichnung “Interesse” der Bundesrepublik Deutschland ersetzt. Die “Belange” sind identisch mit der nationalsozialistischen Bezeichnung.

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  168. Vgl. Bukow/Llaryora 1988, 20f.

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  169. Eine Außerachtlassung ökonomischer Imperative bei immigrationspolitischen Maßnahmen verharmlost m.E. die Rolle der Ökonomie bei der Entstehung poli-tischer Diskurse und Praktiken. Gerade die zunehmende Unabhängigkeit ökonomischer Interessen fortgeschrittener Industriegesellschaften von aktuellen Migrationsverhältnissen zeigt die Macht ökonomischer Imperative auf. Technisierung, Rationalisierung und Standortwahl ermöglichen der Industrie ein hohes Maß an Flexibilität und Unabhängigkeit von nationalen demographischen Verhältnissen. Die Unabhängigkeit der Industrie vom nationalen Arbeitskräftepotential verdeutlicht z.B. die durch Geburtenkontrolle zunehmend angestrebte Rekrutierung der Frauen in der “Dritten” Welt als neues Arbeitskräftepotential (vgl. hierzu Mertens 1989, 47ff.; Mies 1985, 38ff.; Holzer 1985, 107fI.).

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Ottersbach, M. (1997). Die Entwicklung der Bevölkerungspolitik. In: Gesellschaftliche Konstruktion von Minderheiten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93303-4_5

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