Zusammenfassung
Seit Mitte der 80er- und verstärkt während der 90er-Jahre ist Armut in Deutschland wieder zu einem öffentlich viel diskutierten Thema geworden. Anlass zur Sorge bereitet insbesondere die permanente „Verjüngung“ (Infantilisierung) der Armut, d.h. die wachsende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die unter prekären Lebensbedingungen aufwachsen. Davor hatte in der BRD nach dem sog. Wirtschaftswunder und einer Periode wohlfahrtsstaatlichen Ausgleichs die Vorstellung einer „nivellierten Mittelstands-“ bzw. „Milieugesellschaft“ dominiert, in der Armut — wenn überhaupt — nur noch als Randgruppenphänomen vorkommen und sich die sozialen Unterschiede minimieren sollten.1 In der DDR ließen die „sozialistische Arbeitspflicht“, Vollbeschäftigung und ein Programm zur Befriedigung aller Grundbedürfnisse auf niedrigerem Niveau die Armut praktisch aus dem öffentlichen Blickfeld verschwinden. Wo sie dennoch vorkam und nicht übersehen werden konnte, deutete man sie kurzerhand zu einem Problem der „Asozialität“ oder individuellen Gesundheitsproblemen um.2
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Literatur
Vgl. Christoph Butterwegge, Armutsforschung, Kinderarmut und Familienfundamentalismus, in: ders. (Hrsg.), Kinderarmut in Deutschland. Ursachen, Erscheinungsformen und Gegenmaßnahmen, 2. Aufl. Frankfurt am Main/New York 2000, S. 25
Vgl. Michi Knecht, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Die andere Seite der Stadt. Armut und Ausgrenzung in Berlin, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 13; ergänzend: Matthias Zeng, „Asoziale“ in der DDR. Transformationen einer moralischen Kategorie, Münster/Hamburg/London 2000
Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Datenreport 1997, Bonn 1998, S. 523
Vgl. Dominique Rössel/Melanie Bertz/Tina Siebert, Armut und Schule, in: Gerd Iben (Hrsg.), Kindheit und Armut. Analysen und Projekte, Münster 1998, S. 80
Wolfgang Ortlepp, Zur Sozialisation von Kindern und Jugendlichen der Stadt Magdeburg unter den Bedingungen sozialer und gesellschaftlicher Veränderungen. Der Anteil an Sozialhilfeempfängern und Reaktionen von Vertretern öffentlicher Einrichtungen, in: Jürgen Mansel/Georg Neubauer (Hrsg.), Armut und Soziale Ungleichheit bei Kindern. Über die veränderten Bedingungen des Aufwachsens, Opladen 1998, S. 98
Im Zeitraum von 1984 bis 1992 waren gut 30 Prozent der westdeutschen Bevölkerung mindestens einmal von Einkommensarmut bedroht. Vgl. Petra Buhr/Stephan Leibfried/Lutz Leisering, Die vielen Gesichter der Armut, in: Frankfurter Rundschau v. 15.12. 1994, S. 12
Zit. nach: Richard Stöss, Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Dialog Ostdeutschland, 3. Aufl. Berlin 2000, S. 67
Sozialräumliche Aspekte von Armut waren lange Zeit eine vernachlässigte Dimension in den Sozialwissenschaften. Zur Relevanz dieser Problematik seien die Arbeiten von Jens S. Dangschat genannt, z.B. Sozialräumliche Aspekte der Armut im Jugendalter, in: Andreas Klocke/Klaus Hurrelmann (Hrsg.), Kinder und Jugendliche in Armut. Umfang, Auswirkungen und Konsequenzen, Opladen/Wiesbaden 1998, S. 112ff.
Vgl. z.B. Christoph Butterwegge, Marktradikalismus, Standortnationalismus und Wohlstandschauvinismus — die Sinnkrise des Sozialen als Nährboden der extremen Rechten, in: ders./Rudolf Hickel/Ralf Ptak, Sozialstaat und neoliberale Hegemonie. Standortnationalismus als Gefahr für die Demokratie, Berlin 1998, S. 121ff.
Siehe Jutta Menschick-Bendele/Klaus Ottomeyer, Sozialpsychologie des Rechtsextremismus. Entstehung und Veränderung eines Syndroms, Opladen 1998, S. 303
Andreas Buderus, Fünf Jahre Glatzenpflege auf Staatskosten. Jugendarbeit zwischen Politik und Pädagogik, Bonn 1998, S. 139
Sylke Kirschnick, Rechtsextremismus an Schulen: Was tun?, Anregungen und Argumente für Lehrer/innen, in: Christoph Butterwegge/Georg Lohmann (Hrsg.), Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt. Analysen und Argumente, 2. Aufl. Opladen 2001, S. 140
Vgl. dazu: Ralf Ptak, Die soziale Frage als Politikfeld der extremen Rechten. Zwischen marktwirtschaftlichen Grundsätzen, vormodernem Antikapitalismus und Sozialismus-Demagogie, in: Jens Mecklenburg (Hrsg.), Braune Gefahr. DVU, NPD, REP — Geschichte und Zukunft, Berlin 1999, S. 97ff.
Vgl. Richard Hauser/Udo Neumann, Armut in der Bundesrepublik Deutschland. Die sozialwissenschaftliche Thematisierung nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Stephan Leibfried/Wolfgang Voges (Hrsg.), Armut im modernen Wohlfahrtsstaat, Opladen 1992 (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 32/1992), S. 237ff.
Siehe Kommission der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.), Soziales Europa. Der Kampf gegen Armut, Beiheft 2, Brüssel/Luxemburg 1989, S. 8
Vgl. Ulla-Kristina Schuleri-Hartje/Jörg Potthast, Neue Armut — Handlungsansätze der Kommunen, Berlin 1995 (Deutsches Institut für Urbanistik, Materialien 3/1995)
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© 2002 Leske + Budrich, Opladen
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Esen, E. (2002). Über Armut reden!. In: Butterwegge, C., Klundt, M. (eds) Kinderarmut und Generationengerechtigkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93259-4_13
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