Zusammenfassung
Irreguläre Wanderungen nehmen weltweit zu, und in vielen Staaten dominiert das Thema mittlerweile die migrations- und asylpolitische Debatte. Es ist allerdings in erster Linie ein Thema der wirtschaftlich besser entwickelten Staaten, und zwar insbesondere derjenigen, die über ein großzügiges System der sozialen Sicherung und einen reglementierten Arbeitsmarkt verfügen. Dabei werden irreguläre Einwanderer meist ausschließlich als Problem der inneren Sicherheit wahrgenommen, selten dreht sich die Debatte um die Ursachen der Wanderung oder um das Schicksal der Menschen. Kaum jemand versetzt sich in ihre Lage und versucht zu verstehen, welche Zwänge zum Verlassen des Heimatlandes geführt haben, oder wie groß ihre Hoffnung ist, im Zielland ein besseres und sichereres Leben zu finden — selbst um den Preis der Irregularität. Es wird auch selten thematisiert, dass irreguläre Einwanderer in der Regel keine Rechte besitzen und häufig der Willkür von Arbeitgebern und Behörden ausgeliefert sind.
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Literatur
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterscheidet sechs Formen der Irregularität: 1. eine irreguläre Beschäftigung bei ansonsten regulärer Einreise und regulärem Aufenthalt, weil beispielsweise die Beschäftigung gegenüber den Behörden nicht angegeben wurde oder die Aufenthaltserlaubnis keine Arbeitsgenehmigung enthält; 2. die irreguläre Beschäftigung bei irregulärem Aufenthalt (aufgrund einer abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis) nach regulärer Einreise; 3. der irreguläre Aufenthalt nach regulärer Einreise, der aber nicht zur Beschäftigung genutzt wird; 4. die irreguläre Beschäftigung bei irregulärem Aufenthalt nach irregulärer Einreise (weil falsche Personaldokumente vorgelegt wurden, keine Kontrolle an der Grenze stattgefunden hat oder weil es eine geschleuste Einreise war); 5. der irreguläre Aufenthalt nach irregulärer Einreise, der aber nicht zur Beschäftigung genutzt wird; 6. die irreguläre Beschäftigung bei einem trotz irregulärer Einreise regulärem Aufenthalt (aufgrund einer Regularisierungsaktion oder einer sonstigen Legalisierung des Aufenthalts, beispielsweise nach Eheschließung mit Einheimischen). Vgl. hierzu die Grafik III. 1 in OECD, SOPEMI Report 1999, Paris 1999, S. 232
Im Sprachgebrauch der internationalen Organisationen wird zwischen „smuggling“ und „trafficking“ unterschieden: „Trafficking in persons means the recruitment, transportation, transfer, harboring or receipt of persons, either by the threat or use of abduction, force, fraud, deception or coercion, or by the giving or receiving of unlawful payments or benefits to achieve the consent of a person having the control over another person.“ (Revised Draft Protocol to Prevent, Suppress and Punish Trafficking in Persons especially Women and Children, Supplementing the United Nations Convention against Transnational Organized Crime, 23. November 1999, UN-General Versammlung (A/AC/254/4/Add.3/Rev.4). „Smuggling of migrants shall mean the intentional procurement for profit for illegal entry of a person into and/or illegal residence in a State of which the person is not a national or permanent resident.“ (Revised Draft Protocol against Smuggling in Migrants by Land, Air and Sea, Supplementing the United Nations Convention against Transnational Organized Crime, 23. November 1999, UN-Generalversammlung (A/AC/254/4/Add.1/Rev.3). Diese Unterscheidung, die für die Arbeit der internationalen Organisationen sinnvoll ist, lässt sich nicht ohne weiteres ins Deutsche übertragen. Im folgenden wird lediglich der Begriff „Schleusung“ verwendet.
International Organization for Migration (IOM), World Migration Report 2000, S. 46.
Harald W. Lederer, Axel Nickel, Illegale Ausländerbeschäftigung in der Bundesrepublik. Eine Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1997, S. 45
Zu den methodischen Problemen der Schätzung der irregulären Einwanderung vgl. OECD 1999, S. 241–251
Vgl. Bimal Ghosh, Huddled Masses and Uncertain Shores: Insights into Irregular Migration. A Synoptic Overview, Genf 1998
Die folgenden Angaben beruhen — soweit nicht anders angegeben — auf Schätzungen von IOM (World Migration Report, fortlaufend) und der OECD (SOPEMI Report, fortlaufend).
Vgl. auch die Übersicht im Asia Migration Atlas des Scalabrini Migration Centers in Quezon City (Internet: http://www.scalabrini.asn.au/atlas/data/Asia2.htm).
Vgl. Steffen Angenendt, Globalisierung und Wanderungsbewegungen: Zusammenhänge, Probleme und Handlungsmöglichkeiten, in: Christoph Butterwegge (Hrsg.), Flucht, Migration und Zuwanderungspolitik im Zeitalter der Globalisierung, Opladen 2000, S. 32–46
Vgl. Gosh 1998 (Anm. 4)
Population Reference Bureau (PRB), 2001 World Population Data Sheet (Internet: http://www.prb.org)
Diese Entwicklung ist beispielsweise in Nordafrika zu beobachten. Dort wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 um 65 Prozent zunehmen. Selbst noch nach dem niedrigsten Szenarium der ILO wird erwartet, dass das Migrationspotenzial, also der Überhang an Arbeitskräften gegenüber dem Bedarf im Land, in den nächsten Jahren deutlich zunehmen und die reguläre und irreguläre Einwanderung vor allem in die EU wachsen wird. Vgl. Donatella Giubilaro, Les migrations en provenance du Maghreb et la pression migratoire: Situation actuelle et prévisions, Genf (ILO) 1997, S. 102–104
sowie St. Angenendt, Sonia Benyoussef, Wanderungsbewegungen aus Nordafrika. Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten für die Europäische Union, in: Martin Hoch, Andreas Jacobs, Carlo Masala (Hrsg.): Hannibal ante portas? Analysen zur Sicherheit an der Südflanke Europas, Baden-Baden 2000, S. 122–142
Vgl. Alan Dowty und Gil Loescher, Refugee Flows as Grounds for International Action, in: International Security, 1/1996, S. 43–71
Barry Posen, Can Military Intervention Limit Refugee Flows?, in: Rainer Münz und Myron Weiner (Hrsg.), Migrants, Refugees, and Foreign Policy, Oxford 1997
Vier der 137 Staaten haben das Protokoll von 1967 nicht unterzeichnet, durch welche die ursprünglich auf Vorgänge vor dem Jahr 1951 beschränkte Stichtagsregelung aufgehoben wurde. Damit ist die Konvention für sie weitgehend folgenlos.
Zur Gleichbehandlung hat die ILO bislang zwei Empfehlungen und vier Konventionen verabschiedet, zur Migrationspolitik jeweils sieben Empfehlungen und Konventionen. Die wichtigsten waren die Konvention Nr. 97 von 1949, die den nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa überschüssigen Arbeitskräften eine Beschäftigung in anderen Weltgebieten erleichtern sollte, und die Konvention Nr. 143 von 1975, die angesichts der damaligen wirtschaftlichen Rezession die Kontrolle der Arbeitskräftewanderungen verbessern und irreguläre Migration verhindern sollte. Verabschiedet wurden zudem zahlreiche allgemeine Konventionen über Arbeitsstandards. Vgl. zur Übersicht ILO, Migrant Workers. International Labour Conference, 87th Session 1999, Genf 2000
Die Konvention tritt in Kraft, wenn sie von 20 Staaten ratifiziert worden ist. Bis zum 20.9.2001 wurde sie erst von 10 Staaten unterzeichnet und von 16 ratifiziert (vgl. Internet: http://www.unhchr.ch/pdf/report.pdf). Zahlreiche weitere UN-Konventionen könnten eine mittelbare Wirkung auf die Rechte von Arbeitsmigranten haben, wenn sich eine entsprechende Staatenpraxis herausbilden würde. Hierzu gehört die International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination, die mittlerweile von 158 Staaten ratifiziert wurde. Sie sieht allerdings in ihrem Artikel 1.2 vor, dass sich sie sich nicht auf Diskriminierungen erstreckt, die sich auf eine Unterscheidung zwischen Bürgern und Nicht-Bürgern des betreffenden Staates beziehen.
Zur Politik der EU vgl. Steffen Angenendt, Die Europäische Union als Einwanderungsgebiet, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.), Europa-Handbuch, Bonn 2001 (2. Aufl.)
Zum Überblick über die zwischenstaatlichen Aktivitäten in der EU zur Bekämpfung des Schlepperwesens vgl. John Morrison, Beth Crosland, The Trafficking and Smuggling of Refugees: The End Game of European Asylum Policy?, New Issues in Refugee research, UNHCR Working Paper Nr. 39, Genf 2001, S. 11–13 (Internet: http://www.unhcr.ch/evaluate/reports/traffick.pdf)
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© 2002 Leske + Budrich, Opladen
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Angenendt, S., Kruse, I. (2002). Irreguläre Wanderungen und internationale Politik. In: Blum, M., Hölscher, A., Kampling, R. (eds) Die Grenzgänger. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93256-3_1
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