Zusammenfassung
Alle Aussagen über die Zukunft sind problematisch, weil kein Mensch die Zukunft kennen kann. Will man nicht in pseudoprophetischer Manier die Zukunft als das ganz Andere voraussagen, so ist es unvermeidlich, von Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart auszugehen, in der Gegenwart Entwicklungstendenzen zu identifizieren und sie in die Zukunft zu verlängern. Aber auch diese Extrapolation der Gegenwart in die Zukunft ist, so begründet auch das bisherige Erfahrungswissen sein mag, von vielen Unwägbarkeiten belastet. Die Fortschreibung derjenigen Tendenzen, die man in der Gegenwart ortet, steht unter dem Vorbehalt, dass menschliches und gesellschaftspolitisches Leben grundsätzlich nicht determiniert, sondern nur konditioniert ist; und Bedingungen ändern sich bzw. werden von Handlungssubjekten geändert. Wie unvorhergesehene, sich schnell verdichtende Ereignisse vermeintlich gesicherte Prognosen plötzlich wertlos machen können, haben die Revolutionsjahre 1989, 90 gezeigt. Für die ferne Zukunft gibt es — wie Lord Keynes treffend bemerkt hat — eben nur eine Gewissheit: „In the long run we are all dead.“ So beschränkt man sich in den Sozialwissenschaften auf mittelfristige Projektionen, auf Hypothesen „mittlerer Reichweite“ (Merton 1968). Und man operiert — ohne revolutionären Wandel als Möglichkeit auszuschließen — mit der Annahme evolutionärer Veränderungen. Aber auch dann muss man bedenken, dass die „fließenden Veränderungen“ (Meinecke 31963, 1), eben weil sie „fließend“ vonstatten gehen, oft erst im nachhinein als Veränderungen erkennbar werden; dass die kleinen Veränderungen über Zeit akkumulieren und eine nicht vorhersehbare neue Qualität erzeugen können, dass — um mit Hegel zu sprechen — die Quantität in eine neue Qualität umschlägt. Durch die Konstruktion und Diskussion von Alternativszenarien lässt sich das Problem der Unbestimmbarkeit einer neuen Qualität etwas entschärfen, aber nicht aufheben.
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Link, W. (2002). Die Rolle des Nationalstaates im zukünftigen Europa. In: Meimeth, M., Schild, J. (eds) Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93241-9_12
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