Zusammenfassung
Der Begriff Neue Soziale Bewegungen (NSB) setzte sich Anfang der 1980er Jahre in der BRD durch. Er steht als eine Sammelbezeichnung für diverse politische Protestgruppen und soziale Bewegungen, die im Gefolge der außerparlamentarischen → Opposition und insbesondere der Studentenbewegung ab den späten 1960er Jahren aufkamen, deren Wurzeln jedoch teilweise weiter zurückreichen. Das Adjektiv „neu“ markiert eine zeitliche und qualitative Abgrenzung zur Arbeiterbewegung als der klassischen „alten“ sozialen Bewegung. Zwischen dieser und den NSB bildet die Studentenbewegung eine Art Brükke. Einerseits hielt sie an bestimmten Positionen der Arbeiterbewegung fest: dem entschiedenen Antikapitalismus, der zentralen Rolle der Arbeiterklasse als revolutionärem Subjekt und dem Anspruch auf umfassende Demokratisierung. Andererseits distanzierten sich Studentenbewegung ebenso wie NSB von Fortschrittskonzepten und Organisationsmodellen der Arbeiterbewegung. Antikapitalistische und vor allem revolutionäre Positionen sind für die NSB nicht mehr konstitutiv. Dagegen teilen die NSB mit der Studentenbewegung die Kritik an hierarchisch-bürokratischen Organisationsstrukturen. Die NSB verbinden radikaldemokratische Forderungen mit dem Ziel solidarischer, selbstbestimmter Lebensweisen und der Verbesserung der Lebensbedingungen vorwiegend in der Reproduktionssphäre. Thematische Brennpunkte für wichtige Einzelbewegungen sind die Emanzipation von Frauen, Ökologie, Frieden und Abrüstung, selbstverwaltete Lebens- und Arbeitsformen, Hunger und Elend in der Dritten Welt sowie Bürger- und Menschenrechte. Zum Umfeld der NSB zählen aber auch Selbsthilfegruppen im Gesundheits- und Sozialbereich, Hausbesetzer und militante „autonome“ Gruppen.
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Literatur
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Rucht, D. (2000). Neue soziale Bewegungen. In: Andersen, U., Woyke, W. (eds) Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93232-7_89
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