Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag untersucht den Wandel lokaler Produktionssysteme im Globalisierungsprozess am Beispiel von Automobilregionen. Er versucht dabei, den Bogen von Konzernstrategien über makropolitische Kontextstrukturen zu lokalen Handlungsträgern zu spannen. Im ersten Abschnitt werden die wesentlichen Entwicklungstendenzen des Globalisierungsprozesses der Automobilindustrie unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die Regionen benannt. Im Folgenden werden empirisch gewonnene Idealtypen lokaler Produktionssysteme bestimmt, um im Anschluss einige Beispielsregionen unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses Konzern und lokale Politik näher zu beleuchten. Dabei werden exemplarisch die Vernetzung mit lokalen Betrieben, die Aus- und Weiterbildung sowie die Infrastrukturpolitik als zentrale lokale Politikfelder analysiert. Den Abschluss bilden einige Überlegungen zu politischen Handlungsmöglichkeiten im Kontext der veränderten Kräftekonstellationen internationalisierter Wirtschaftskomplexe. Die übergreifende These jenseits der unterschiedlichen lokalen Produktionssysteme lautet, dass es im Zuge der Internationalisierung von Produktions- und Konzernstrukturen zu einer Kräfteverschiebung innerhalb der «industriellen Komplexe» kommt.
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Literatur
Vgl. Köhler, 2000; Dörre, 1997.
Just-auto.com, May 2000.
Freyssenet/ Lung, 1996, S. 51.
Vgl. Womack et al., 1992.
Automobilzulieferer werden nach den Charakteristika ihrer Produkte unterteilt in Teile(ohne Montageinhalt), Komponenten- (Baugruppen), System- (aus mehreren Teilen und Komponenten zusammengesetzte funktionale Einheiten) und Modullieferanten (komplexe montagefahige produktspezifische Einheiten). Diese Unterschiede bestimmen wesentlich ihre Stellung in der Hierarchie industrieller Komplexe und ihre Nähe zum Endhersteller.
Vor- und Nachteile des single sourcing offenbart das Beispiel Ford. Der nordamerikanische Multi verfolgt ein radikales global-single-sourcing Programm, verbunden mit der Erhöhung gleicher Bauteile über verschiedene Modelle hinweg, um so die Losgrößen bei den Zulieferern zu steigern und die Preise zu senken. Als im Juni 1998 ein Türschlosshersteller nicht liefern konnte, kam es bei Ford zu einem Umsatzausfall von mehreren 100 Mio. DM und zur Infragestellung der single sourcing Strategie.
So haben bspw. Ford, GM und DaimlerChrysler einen gemeinsamen globalen Online-Einkauf für Komponenten im Jahreswert von mehr als 240 Mrd. US $ geschaffen (Newsweek, May 29, 2000), an dem sich in Zukunft auch Nissan, Renault und Toyota beteiligen werden, wodurch der geschätzte Jahresumsatz dieser Web-Site mit dem Namen COVISINT auf 750 Mrd. US $ steigt (Expansion, 26-V-2000).
Vgl. dazu auch Oberste-Schlüchting et al., 1998.
Vgl. Oberste-Schlüchting et al., 1998; Genosko, 1999; Pohlmann et al., 1995.
Fockenbrock, 1998.
FAZ, 22.7.1999.
Ein Beispiel liefert die Reorganisation der Ersatzteil-Logistik des Daimler-Chrysler Konzerns für Europa. Das national orientierte Distributions- und Händlersystem wird zugunsten von acht transnationalen „Eurologistik-Centern“ aufgegeben, die durch Konzentration, logistische Vereinfachung und Schließung regionaler Versorgungslager zu erheblichen Kosteneinsparungen beitragen sollen (vgl. Handelsblatt, 13.11.1998).
Fockenbrock, 1998; Hess, 1997.
Mercedes-Benz betreibt bspw. in den USA eine eigene Gebrauchtwagenmarke „Starmark“, mit deren Hilfe jährlich über 20.000 gebrauchte, getestete und mit Qualitätssiegel versehene Mercedes Pkws den Besitzer wechseln.
Granovetter, 1985.
Vgl. Piore/ Sabel, 1989; Kilper, 1994.
Kilper/Rehfeld, 1994.
Vgl. Paierl, 1998.
Der Begriff kommt aus dem spanischen „maquilar“, Mahlgeld abliefern, was bedeutet, dass der Müller vom Bauern für den Verleih der Mühle einen Teil des erhaltenen Mehls einbehält.
Der große zweimonatige „Flint Streik“ der GM-Zulieferindustrie in Michigan im Sommer 1998 hatte in den andauernden Produktionsverlagerungen in die mexikanischen Maquilado-ras und den damit verbundenen Werksschließungen im Norden der USA seinen Ursprung (vgl. Babson 1999).
In Deutschland verfügen die Werke Audi Ingolstadt und Neckarsulm, BMW Wackersdorf, Ford Saarlouis und Mercedes Rastatt über Industrieparks, in denen jeweils zwischen 9 und 11 Zulieferer angesiedelt sind (vgl. Automobil Produktion, Okt. 1998).
Vgl. Salerno et al., 1998; Salemo/ Carneiro, 2000.
Vgl. Sako/ Murray, 2000.
Vgl. Beaudet, 1999.
Vgl. Martin, 2001.
Vgl. Eckardt et al., 2000.
Vgl. Mobile Register, 30.11.1997.
Vgl. dazu auch das Beispiel der Opel-Standorte Bochum und Eisenach, dargestellt in Oberste-Schlüchting et al., 1998.
Ähnlich war es schon im Deindustrialisierungs- und Südwanderungsprozess der USA in den 80er Jahren zu „financial bidding wars pitted states and local governments against each other“ (Mair 1993, 211) gekommen. Wie stark das föderale System und die öffentliche Finanzwirtschaft Brasiliens inzwischen durch den ‘guerra fiscal’ unter Druck geraten, zeigt die Entscheidung von Ford, sein neues Werk nicht wie geplant und zugesagt im Bundesstaat Rio Grande do Sul, sondern in Bahia zu bauen, nachdem der neugewählte Gouverneur von Rio Grande, Olivio Dutra (Partei der Arbeit), die von seinem Vorgänger Antônio Britto (liberale PMDB) in Aussicht gestellte Subventionssume von ca. 2 Bill. R$ nicht zu zahlen bereit war (vgl. Jornal da Tarde, 2.7.1999). Sofort standen mehrere andere Bundesstaaten bereit, alle vom Unternehmen gewünschten Zuschüsse und öffentlichen Investitionen zu gewähren. Dass der neue Standort ohne Automobiltradition 3.000 km entfernt von den Automobilregionen Brasiliens liegt, spielte dagegen keine Rolle.
In den existierenden Lkw-Standorten von Mercedes und insbesondere bei den Gewerkschaften stieß die Juiz de Fora-Entscheidung auf harte Kritik, da zeitgleich im Werk Campinas die Busproduktion eingestellt wurde und die Belegschaft von 3.971 auf 1.060 abgebaut wurde. Die Gewerkschaften und die Präfektur von Campinas argumentierten im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze, dass hier Gelände, Infrastruktur und erfahrene Arbeitskräfte vorhanden waren.
Vgl. Eckardt et al., 2000; Reuters/AP, 5.9.2000; dpa-AFX, 7.3.2001.
Vgl. Alderson/ Pittman, 1999.
Vgl. Die Zeit 30/98.
Statt der installierten 30.000 wurden bisher max. 18.500 Fahrzeuge im Jahr hergestellt.
Handelsblatt, 7.9.1999.
Reuters, 6.12.2001.
Vgl. http://www.labournet.de.
Vgl. Töth, 1996.
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Köhler, HD. (2002). Lokale Vernetzung in der globalen Produktion am Beispiel der Automobilkonzerne. In: Mückenberger, U., Menzl, M. (eds) Der Global Player und das Territorium. Schriftenreihe der HWP — Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93218-1_8
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