Zusammenfassung
Diese Quintessenz formulierte Robert Michels als Epilog des Kapitels seiner einflußreichen parteisoziologischen Studie über die „oligarchischen Tendenzen“ in den modernen Massenparteien, das er ausdrücklich der „Akademiker-frage“ widmete. Michels hatte seinesgleichen fest im Blick, wenn er neben seiner Gegenüberstellung von „Führung“ und „Masse“ auch einen Dualismus von „Parteiführern“ und „Intellektuellen“ beschwor und in letzteren grundsätzlich Akademiker sah.’ Der Streit um die akademisch gebildeten Wissenschaftler und Literaten in der Sozialdemokratie und in ihrem intellektuellen Umfeld sei so alt wie die Bewegung selber; immer sei man ihnen entweder mit dem Vorwurf mangelnden „Stallgeruchs“ oder dem Verdacht verantwortungsloser, überheblicher „Gedankenfabrikation“ begegnet. In einem Atemzug habe man Sozialdemokraten mit bürgerlichem Hintergrund als klassenverräterische Opportunisten gegenüber dem System oder aber als idealistische „Utopisten“ ohne Bodenhaftung beschimpft.
„Die bürgerlichen Elemente in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei lassen sich [...] weder fortfluchen noch fortjagen, noch endlich hinwegdekretieren: sie haben nicht nur ihre Existenzberechtigung, sie sind geradezu ein integrierender Bestandteil der Bewegung selbst. Eine politische Arbeiterbewegung ohne bourgeoise Deserteure ist ebenso historisch unmöglich wie eine solche ohne ein sie tragendes‚klassenbewußtes‘ Proletariat. Das trifft ganz besonders auf die Jahre der ersten Jugend der Arbeiterbewegung und ihre Genesis [...] zu.“1
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Literatur
Robert Michels: Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens (1911). Stuttgart °1989, S. 313.
Vgl. auch Robert Michels: Masse, Führer, Intellektuelle. Politisch-soziologische Aufsätze 1906–1933. Frankfurt/M., New York 1987.
Biographische Angaben nach Frank R. Pfetsch: Einführung. In: Robert Michels: Masse,Führer, Intellektuelle. Politisch-soziologische Aufsätze 1906–1933. Frankfurt/M., New York 1987, S. XVIII ff.
Vgl. Michels: Soziologie des Parteiwesens, S. 300–313.
Vgl. Klaus Tenfelde: Arbeitersekretäre. Karrieren in der deutschen Arbeiterbewegung vor 1914. Heidelberg 1996.
Vgl. Michels: Soziologie des Parteiwesens, S. 267, S. 270ff.
Vgl. Thomas Mergel: Der Funktionär. In: Ute Frevert, Heinz-Gerhard Haupt (Hrsg.): Der Mensch des 20. Jahrhunderts. Frankfurt/M. 1999, S. 278–300, S. 380f.
Michels: Soziologie des Parteiwesens, S. 291f., S. 312.
Vgl. Einführung zu Michels: Soziologie des Parteiwesens, S. XXXIX.
Alle nicht speziell belegten Sachangaben, Zitate und Thesen stützen sich auf meine Habi-litationsschrift, die in Kürze in Buchform erscheinen wird: Thomas Welskopp: Das Banner der Brüderlichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie vom Vormärz bis zum Sozialistengesetz. Bonn 2000.
Vgl. Thomas Welskopp: Im Bann des 19. Jahrhunderts. Die deutsche Arbeiterbewegung und ihre Zukunftsvorstellungen zu Gesellschaftspolitik und „sozialer Frage“. In: Ute Frevert (Hrsg.): Das Neue Jahrhundert. Zeitdiagnosen und Zukunftsentwürfe um 1900. Göttingen 1999, S. 144–75.
Zitiert in Bernhard Becker: Geschichte der Arbeiter-Agitation Ferdinand Lassalle’s. Nach authentischen Aktenstücken (1874). Berlin, Bonn ‘1978, S. 74.
Dieter Dowe (Hrsg.): Protokolle und Materialien des Allgemeinen Deutschen Arbeiterver-eins (inklusive Splittergruppen). Nachdrucke. Berlin, Bonn 1980, S. 144.
Vgl. Dieter Dowe, Klaus Tenfelde: Zur Rezeption Eugen Dührings in der deutschen Ar-beiterbewegung in den 1870er Jahren. In: Hans Pelger u.a. (Hrsg.): Wissenschaftlicher Sozialismus und Arbeiterbewegung. Begriffsgeschichte und Dühring-Rezeption. Trier 1980, S. 25–58.
Friedrich Engels an Johann Philipp Becker (8.9.1879). In: Marx-Engels-Werke, Band 34.Berlin (DDR) 1973, S. 391.
Vgl. Shlomo Na’aman: Gibt es einen „Wissenschaftlichen Sozialismus“? Marx, Engels und das Verhältnis zwischen sozialistischen Intellektuellen und den Lernprozessen der Arbei-terbewegung. Hannover 1979.
Vgl. z.B. noch Christian Gotthardt: Industrialisierung, bürgerliche Politik und proletarische Autonomie. Voraussetzungen und Varianten sozialistischer Klassenorganisationen in Nordwestdeutschland 1863 bis 1875. Bonn 1992.
Vgl. Welskopp: Banner der Brüderlichkeit, Teil Il.
Vgl. Arno Herzig: Jakob Audorf der Ältere (1807–1891). Zur Interdependenz von Erfah-rung und Theorie in der frühen deutschen Arbeiterbewegung. In: Hans-Peter Harstick u.a. (Hrsg.): Arbeiterbewegung und Geschichte. Festschrift für Shlomo Na’aman zum 70. Geburtstag. Trier 1983, S. 23–40; H.F.W. Schultz: Erinnerungen eines Hamburger Proletariers. Hamburg 1899, S. 24.
Zu Martens: John Breuilly, Wieland Sachse: Joachim Friedrich Martens (1806–1877) und die deutsche Arbeiterbewegung. Göttingen 1984.
Zitiert in Ulrich Engelhardt: „Nur vereinigt sind wir stark“. Die Anfänge der deutschen Gewerkschaftsbewegung 1862/63 bis 1869/70. Band 1. Stuttgart 1977, S. 271.
Vgl. Welskopp: Banner der Brüderlichkeit, Teile II u. III.
Vgl. August Bebel: Aus meinem Leben. Berlin, Bonn 1986, S. 45ff.
Wilhelm Hasenclever: Reden und Schriften. Hrsg. u. eingel. v. Ludger Heid u.a. Bonn 1989, S. 149; zur Biographie Hasenclevers: Ludger Heid:,,…gehört notorisch zu den hervorragendsten Leitern der sozialdemokratischen Partei“. Wilhelm Hasenclever in der deutschen Arbeiterbewegung. In: Ebd., S. 15–68, hier S. 16f., S. 22f.; Wilhelm Hasenclever: Liebe, Leben, Kampf. Gedichte von Wilhelm Hasenclever. Hamburg 1876; Ders.: Erlebtes. Skizzen und Novellen. Leipzig o.J. [ca. 1875 ].
Vgl. Toni Offermann: Arbeiterbewegung und liberales Bürgertum in Deutschland 1850–1863. Bonn 1979, S. 296; vgl. auch Jakob Audorf: Gedichte. Stuttgart 1893.
Otto Ernst: Asmus Sempers Jugendland. Der Roman einer Kindheit. Leipzig 1904, S. 269.
Zum „Mohrenklub“ vgl. Eduard Bernstein: Sozialdemokratische Lehrjahre. Autobiographien (1928). Berlin 1991, S. 55ff.; Ders.: Geschichte der Berliner Arbeiter-Bewegung. Ein Kapitel zur Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Band 1: Vom Jahre 1848 bis zum Erlaß des Sozialistengesetzes. Berlin 1907, S. 315, S. 338.
Wilhelm Blos: Denkwürdigkeiten eines Sozialdemokraten. Band 1. München 1914, S. 125f.
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO, BArch), Bestand August Bebel: NY 4022/100: Eingehende Korrespondenz — Wilhelm Bracke, Jan.—April 1870: Wilhelm Bracke an August Bebel, Braunschweig, 19.1. 1870; 1. 2. 1870.
Wilhelm Liebknecht: Briefwechsel mit deutschen Sozialdemokraten. Band 1: 1862–1878.Hrsg. v. Georg Eckert. Assen 1973, Nr. 350, S. 551: Wilhelm Blos an Wilhelm Liebknecht, o.O., o.D. [Leipzig, März 1874 ].
Der Hochverraths-Prozeß wider Liebknecht, Bebel, Hepner vor dem Schwurgericht zu Leipzig vom 11. bis 26. März 1872. Berlin ‘1894, S. 78.
Ebd., S. 68.
Vgl. ausführlich Welskopp: Banner der Brüderlichkeit, Teil III.
Johann Most an Wilhelm Liebknecht, Berlin, 20.7.1876. In: Liebknecht: Briefwechsel, Nr. 453, S. 688f.
Vgl. Dirk H. Müller: Idealismus und Revolution. Zur Opposition der Jungen gegen den Sozialdemokratischen Parteivorstand 1890 bis 1894. Berlin 1975.
Vgl. Ingrid Gilcher-Holtey: Das Mandat des Intellektuellen. Karl Kautsky und die Sozialdemokratie. Berlin 1986; Annelies Laschitza: Im Lebensrausch, trotz alledem. Rosa Luxemburg. Eine Biographie. Berlin 1996.
Vgl. Welskopp: Im Bann des 19. Jahrhunderts, S. 144f. u. passim.
SAPMO, BArch, Bestand August Bebel: NY 4022/110: Eingehende Korrespondenz L - Mos: Johann Most an August Bebel, Berlin-Plötzensee, 27. 9. 1875.
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Welskopp, T. (2000). „Arbeiterintellektuelle“, „sozialdemokratische Bohemiens“ und „Chefideologen“: Der Wandel der Intellektuellen in der frühen deutschen Sozialdemokratie. In: von Alemann, U., Cepl-Kaufmann, G., Hecker, H., Witte, B. (eds) Intellektuelle und Sozialdemokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93209-9_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93209-9_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-322-93209-9
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