Zusammenfassung
Die gesellschaftspolitische Situation nach der Reichsgründung 1871 läßt sich in Bezug auf das Armutsproblem charakterisieren als das unmittelbare Gegenüber von liberalem Staat, der zur Sicherstellung der allgemeinen Wohlfahrt sich des repressiven und kontrollierenden Mittels der Polizei bediente, und bürgerlicher Gesellschaft, die die Mißgeschicke der unteren Gesellschaftsklassen, das Massenelend, mit caritativer Barmherzigkeit zu mildern suchte.2 Dem ökonomisch-strukturellen Problem des Elends einer ‚industriellen Reservearmee ‘konnte dieses unmittelbare Gegenüber von staatlicher Repression und privater Mildtätigkeit auf Dauer nicht gewachsen sein, und in dieses Feld hinein entwickelten sich Sozialpolitik (die Bismarcksche Sozialgesetzgebung) und staatliche Fürsorge in ihrer produktiven Verschränkung mit der ›freien Liebestätigkeit‹. Dieser Prozeß der Umstrukturierung des Feldes der Armut und der Entstehung von Zwischengliedern und intermediären Strukturen schuf erst das Machtfeld des Dispositivs der Jugendhilfe und der Fürsorge.
Indem Mitleid die Aufhebung des Unrechts der Nächstenliebe in ihrer Zufälligkeit vorbehält, nimmt es das Gesetz der universalen Entfremdung, die es mildern möchte, als unabänderlich hin. … Die narzißtischen Deformationen des Mitleids, wie die Hochgefühle des Philanthropen und das moralische Selbstbewußtsein des Sozialfürsorgers sind noch die verinnerlichte Bestätigung des Unterschiedes von arm und reich.
Adorno 1
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1996 Leske + Budrich, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Wortmann, R. (1996). Die Pädagogisierung der Armut. In: Berg, R. (eds) Den Boden bereiten für Freundlichkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92567-1_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92567-1_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-322-92568-8
Online ISBN: 978-3-322-92567-1
eBook Packages: Springer Book Archive