Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird unser Forschungsgegenstand im Hinblick auf die Bedeutung untersucht, die Organisationen in unserem Alltag besitzen. Diese erste Annäherung dient weniger dem Zweck, eine formale Definition zu erarbeiten — dies ist Gegenstand des dritten Kapitels — sondern vielmehr den Leser anhand einer alltagsorientierten Beschreibung mit Organisationen und ihrer Wirkung auf die Individuen vertraut zu machen.
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Referenzen
Im Weiteren wird in der Regel von Akteuren statt von Personen gesprochen, um den Handlungsbezug herauszustellen. Akteure können jedoch nicht nur individuelle Personen, sondern unter bestimmten Umständen auch Organisationen sein: Beispielsweise kann eine Organisation “handeln”, indem “sie” ein Grundstück kauft, einen Arbeitnehmer einstellt etc. Daher wird im Folgenden zwischen individuellen Akteuren (im Sinne von natürlichen Personen) und sogenannten korporativen Akteuren (im Sinne von juristischen Personen) unterschieden. Eine explizite Definition und Diskussion des Begriffs des korporativen Akteurs findet sich in Kapitel 3.3.
Vgl. hierzu auch die Definition des Organisationsbegriffes in Kap. 3.1.
Typisches Beispiel ist hier die Zusammenlegung der klassischen Produktionsfaktoren Boden (einschließlich der sonstigen natürlichen Ressourcen), Arbeit (im Sinne von Arbeitsvermögen) und Kapital (im Sinne von Realkapital), evtl. ergänzt um technisches Wissen (vgl. Klaus & Maußner 1986: 11f, Cezanne 1993: 3ff) zum Zwecke der Produktion von Waren und Dienstleistungen als wirtschaftliche Güter.
Siehe hierzu die Erörterung von “Organisationen als Forschungsgegenstand” bei Scott (1986: 23–52) sowie des “Körperschaftshandelns” bei Coleman (1992).
Wie wir später noch sehen werden, ist diese Abgrenzung von Organisationen vermittels des spezifischen Zweckes keineswegs so eindeutig, wie sie zunächst zu sein scheint. Zum einen gibt es — zumal mit zunehmender Größe — Organisationen, die mehreren Zwecken dienen. Zum anderen sind die zunächst ins Auge springenden spezifischen Zwecke keineswegs immer die eigentlich dominierenden. So dient z.B. die Güterproduktion privatwirtschaftlicher Unternehmen in einer Marktwirtschaft nicht nur, und manchmal nicht einmal in erster Linie, der Deckung des gesellschaftlichen Bedarfs an den produzierten Gütern, sondern auch, und oft in erster Linie, der Erzielung von Gewinnen oder Profiten zur Vermehrung von Kapital und/oder Einfluss. Siehe hierzu z. B. die Diskussion bei Scott (1986: 348–364).
In der arbeitsteiligen Struktur liegt, wie wir noch sehen werden, eine besondere Eigenart, aber auch eine besondere Problematik von Organisationen.
Aus dem Vorhandensein einer Leitungsinstanz als Spezifikum von Organisationen und ihrer hierarchischen Verfassung resultieren ebenfalls eine Vielzahl von Problemen, die seitens der Organisationssoziologie erkundet, beschrieben, analysiert und diskutiert werden.
Siehe hierzu das Organigramm in Kapitel 8.6.
Siehe hierzu das Organigramm in Kapitel 8.2.
Siehe hierzu das Organigramm im Kapitel 8.4.
Die damit verbundenen, die Effizienz der Organisation beeinträchtigenden Probleme diskutiert eingehend Robisch (1992: 64–83).
Siehe hierzu das Organigramm in Kapitel 8.3.
Einen knappen Überblick über die verschiedenen Typen von Organisationen und ihre geschichtliche Entwicklung geben u. a. Mayntz (1963, S.8–18), Stinchcombe (1965), Williamson (1981), Scott (1986: 53–88) und Coleman (1992: 271–299).
Siehe hierzu insbesondere Coleman (1992: 271–445).
Siehe hierzu und zum Folgenden Scott (1986: 228–245).
Siehe hierzu z. B. Scott (1986: 196–220) sowie Kapitel 7.2.
So betont Mayntz (1963: 8f): “Entstehung, Wachstum und Ausbreitung von Organisationen sind kein universalgeschichtlicher Prozess. Es hat Hochkulturen gegeben, in denen sich Organisationen entweder nur ansatzweise oder nur auf wenigen Gebieten entwickelten.[…] Dass Organisationen sich bilden und zu den wesentlichen Strukturelementen einer Gesellschaft werden, ist jedenfalls alles andere als eine zwangsläufige Entwicklung in jeder Kultur. Es ist vielmehr ein Prozess, der auf zahlreichen besonderen Voraussetzungen beruht und nur unter ganz bestimmten Bedingungen so beherrschend wird, wie wir es in der modernen Industriegesellschaft erleben”. In seinem Beitrag “Organisationen und sozialer Wandel”, in dem er der Frage nachgeht, wie das Phänomen Organisation von Marx, Weber und Durkheim sowie in den neueren evolutionstheoretischen Ansätzen von Parsons, Luhmann und Habermas eingeschätzt und beurteilt wird, kommt Gabriel (1976: 309) zu folgendem Ergebnis: “Organisationen sind — was ihre quantitative Verbreitung wie ihre qualitative Struktur angeht — ein spätes Produkt sozialer Wandlungsprozesse und können als eine wesentliche Dimension des gesellschaftlichen Wandels betrachtet werden.”
Wer sich eingehender mit der Frage beschäftigen will, warum und unter welchen historischen Bedingungen es zur Herausbildung von Organisationen als eines speziellen Typus sozialer Gebilde kam, sei hingewiesen auf Coleman (1992: 271–299) sowie auf Scott (1986: 191–227). Scott geht hier unter historischen und vergleichenden Perspektiven der Frage nach, warum es Organisationen gibt. Es geht dabei sowohl um die Frage nach den Gründen für die Herausbildung von Organisationen als eines spezifischen Typus sozialer Gebilde als auch um Fragen (Fortsetzung…)
(…Fortsetzung) nach möglichen Alternativen zu Organisationen als Trägern komplexer Aktivitäten sowie schließlich um Fragen, die darauf abzielen, welche Mittel für Organisationen erforderlich sind, damit sie bestehen und funktionieren können, und ob hier zwischen verschiedenen Typen von Organisationen Unterschiede bestehen. Dabei geht Scott davon aus, dass “die Kenntnis der Bedingungen, unter denen Organisationen als eine besondere Sozialform sich herausbilden,… es uns ermöglichen (wird), genauer zu bestimmen, warum Individuen sich just für diese Form entscheiden, wenn es ihnen darum geht, bestimmte Ziele zu verfolgen” (Scott 1986: 192).
Quellen für Erwerbstätige 1970–1993 (früheres Bundesgebiet): Statistisches Bundesamt (StBA) (Hrsg.) (1994): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden: Metzler Poeschel. S. 110-111. 1950 (ohne Berlin) und 1960: StBA (Hrsg.) (1965): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart, Mainz: Kohlhammer. S. 151. 1925, 1933 (Deutsches Reich ohne Saargebiet): Statistisches Reichsamt (Hrsg.) (1934): Statistisches (Fortsetzung…)
(…Fortsetzung) Jahrbuch fü r das Deutsche Reich. Berlin: Hobbing. S. 19. Quellen für Arbeitsgerichtsverfahren: 1991,1990: StBA (Hrsg.) (1994): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden: Metzler Poeschel. S. 386. 1980: StBA (Hrsg.) (1982): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart, Mainz: Kohlhammer. S. 330. 1970: StBA (Hrsg.) (1972): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart, Mainz: Kohlhammer. S. 100. 1960: StBA (Hrsg.) (1962): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart, Mainz: Kohlhammer. S. 123.1951: StBA (Hrsg.) (1954): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart, Mainz: Kohlhammer. S. 108.
Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hatte 2000 etwa 51 Millionen Mitglieder. Von den Ausgaben der GKV entfielen für 2000 etwa 32% auf Krankenhauskosten und 25% auf Arzneien, Heil-und Hilfsmittel, diese Anteile haben sich somit seit 1991 kaum verschoben (Statistisches Bundesamt 2002: 456).
Gesetz über das Apothekenwesen § 1, Abs. 1.
Presse-Information des Wohnstift Augustinum Dortmund anlässlich des Richtfestes am 10. Juni 1977.
Siehe hierzu die Übersicht über die Dienstleistungen in DATEV (1996:334–355).
Statt von “Organisationszwecken” wird in der einschlägigen Literatur heute meist von “Organisationszielen” gesprochen oder es werden beide Begriffe synonym benutzt. Diesem Sprachgebrauch werden wir später ebenfalls folgen. Hier hielten wir die Verwendung des Begriffes “Organisationszweck” für passender und informativer, weil er den instrumenteilen Charakter von Organisationen, ihre Eigenart, Mittel zum Zweck und nicht Selbstzweck zu sein, betont und weil er in der Alltagssprache vorherrschend ist.
Der Institutionalismus in der Organisationstheorie geht sogar davon aus, dass Organisationshandeln und Organisationsstrukturen vor allem durch das Bedürfnis der Organisation nach Legitimation zu erklären sein, vgl. hierzu den klassischen Artikel von Meyer & Rowan (1977) sowie DiMaggio & Powell (1991) für eine Sammlung moderner institutionalistisch orientierter Arbeiten
Die damit angerissene, für alle Arten von Organisationen charakteristische, in Fabrikbetrieben aber oft besonders ins Auge springende Problematik der dauernden Gewährleistung hinreichender Kooperation schildert bereits Karl Marx im (Fortsetzung…)
(…Fortsetzung) ersten Band seiner berühmten Schrift “Das Kapital” in den Kapiteln 11,12 und 13 recht anschaulich. Seine Ausführungen lassen sehr gut deutlich werden, wie die jeweilige spezifische Form der Kooperation zum einen vom betreffenden Wirtschafts-und Gesellschaftssystem, zum anderen von der spezifischen Zweckbestimmung der jeweiligen Organisation abhängig ist (Marx & Engels 1974, Bd. 23: 341 ff).
In der Einleitung zu “Bürokratische Organisation” weist Mayntz (1968: 13) daraufhin, daß es trotz der “Vielfalt struktureller Formen großer und zweckgerichteter Sozialgebilde […] letztlich nur eine kleine Zahl von organisatorischen Grundmodellen” gibt, “wobei der Gegensatz zwischen genossenschaftlich — demokratischen und hierarchisch — monokratischen besonders augenfällig ist” und letzteres “als Bürokratie historische Wirklichkeit” wurde. Vgl. zu Herrschaft und Organisation auch Büschges (1976)
Schon in der 1872/1873 verfassten Streitschrift “Von der Autorität” hatte Engels auf die Unausweichlichkeit von Herrschaft und Autorität mit Nachdruck hingewiesen: “Es ist folglich absurd, vom Prinzip der Autorität als einem absolut schlechten und vom Prinzip der Autonomie als einem absolut guten Prinzip zu reden. Autorität und Autonomie sind relative Dinge, deren Anwendungsbereiche in den verschiedenen Phasen der sozialen Entwicklung variieren. Wenn die Autonomisten sich damit begnügten zu sagen, dass die soziale Organisation der Zukunft die Autorität einzig und allein auf jene Grenzen beschränken wird, in (Fortsetzung…)
(…Fortsetzung) denen die Produktionsbedingungen sie unvermeidlich machen, so könnte man sich verständigen; sie sind indessen blind für alle Tatsachen, die die Sache notwendig machen, und stürzen sich auf das Wort” (Marx & Engels 1974, Bd 18: 308).
In seiner Studie über “totale Institutionen” (z. B. Gefängnisse, Arbeitshäuser, geschlossene Anstalten) hat Goffman (1972) diese Problematik und ihre Konsequenzen sehr anschaulich beschrieben.
In seinen 1933 in erster Auflage erschienenen “Grundformen sozialer Spielregeln” betonte Pieper: “Die menschliche Beziehung der in der Organisation zusammengefassten Einzelnen untereinander ist also insofern durch die Besonderheit der Einzelnen bestimmt, als diese nicht primär als Freunde oder als einander respektierende Persönlichkeiten oder als aneinander interessierte Vertragspartner einander gegenübertreten, sondern als Funktionsträger” (Pieper 1948: 67).
Organisationsspezifische Sozialisationsprozesse zielen ab auf die Herausbildung dessen, was Barnard (1970) “Organisationspersönlichkeit” genannt hat und was Whyte unter dem Titel “Herr und Opfer der Organisation” (1958) kritisch analysierte. Ausführlich, anhand empirischer Daten und mit Bezug auf die Eingliederung neuer Mitarbeiter behandelt diese Problematik Rehn (1990).
Die in diesen Sätzen enthaltene Vorstellung, dass die Arbeit den Menschen formt, ist keineswegs neu. Sie gehört zum traditionellen Gedankengut der Sozialphilosophen und der Sozialwissenschaften. Sie wurde geteilt von so verschiedenen Denkern wie Smith in seinem 1776 erschienenen Hauptwerk “Über Natur und Ursachen des Volkswohlstandes” (1983), de Tocqueville in seiner Studie “Über die Demokratie in Amerika” von 1840 (1956: 156) und Marx in den um 1844 verfassten “ökonomisch-philosophischen Manuskripten” (Marx 1970: 154ff). Ulich fasste sie in einer Abhandlung zur “Humanisierung am Arbeitsplatz” (1978: 185–193) in folgende Hypothesen zusammen: “1. Die Art der Arbeitstätigkeit leistet einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Persönlichkeit des erwachsenen Menschen. 2. Die Art der Arbeitstätigkeit beeinflusst in entscheidender Weise das Verhalten in der arbeitsfreien Zeit.” Der Annahme, dass die Arbeit den Menschen formt und folglich auch die Art der Berufstätigkeit in Arbeitsorganisationen, wird von manchen entgegengehalten, dass dies keineswegs so sei, sondern nur so zu sein scheine. Als Begründung wird gesagt, dass die Menschen sich eine ihren Eignungen, Fähigkeiten und Neigungen (Fortsetzung…)
(…Fortsetzung) entsprechende Arbeit suchten, d.h. dass die Menschen sich ihre Arbeit entsprechend wählten. Wir werden auf diese Hypothesen in Kapitel 5 und 6 zurückkommen, wo es um den Zusammenhang von Individuum, Organisation und Gesellschaft geht, und uns dabei insbesondere mit dem problematischen Verhältnis von “Organisationsrollen und Individualität” und seinen Konsequenzen sowohl für die Personen als auch für die Organisationen befassen.
Diese Problematik wird ausführlich behandelt in den Kapiteln 5, 6.1 sowie von Büschges & Lütke-Bornefeld (1977: 54–86). Mit Bezug auf die damit angesprochene Lösung des Kooperationsproblems in problematischen sozialen Situationen behandelt diese Fragestellung anhand umfangreichen empirischen Materials Abraham (1996).
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Abraham, M., Büschges, G. (2004). Organisationen als Gegenstand der Alltagserfahrung. In: Einführung in die Organisations-soziologie. Studienskripten zur Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92441-4_2
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