Zusammenfassung
Am Ende seines Lebens stellt der alte Stechlin ironisch fest: „Ich weiß nicht, seit wir die Eisenbahn haben, laufen die Pferde schlechter. Oder es kommt einem auch bloß so vor.“ (Fontane 1899, S. 219) An diesem Raisonnement ist zweierlei bemerkenswert: Etwas Neues kann die Dinge tatsächlich verändern, aber es kann auch so sein, dass etwas, das mit etwas anderem gar nichts zu tun hat, unsere Wahrnehmung von diesem verändert. Sozialer Wandel ist ein objektives Phänomen, aber es ist auch eine Konstruktion.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Vgl. oben Kap. 2.3 „Soziologie wozu? Drei klassische Antworten“.
Dieser Gedanke zieht sich durch viele soziologische Theorien. Wandel ist dann der Prozess, in dem diese Entsprechung immer wieder hergestellt wird.
Ich weiß, dass die Metapher wieder einmal schief ist!
Ein Hinweis für philosophisch Interessierte: Auch Kant, den Comte in dieser Hinsicht sehr schätzte, war der Ansicht, dass die Wirklichkeit durch die Formen des Bewusstseins bedingt ist. (Vgl. Comte 1838, S. 558, Anm. 272.)
Der deutsche Astronom Johann Kepler stellte am Anfang des 17. Jahrhunderts mit seiner Berechnung der Planetenbahnen die Autorität der Bibel in Frage, und der italienische Mathematiker Galileo Galilei widersprach kurze Zeit später mit der Bestätigung des kopernikanischen Weltbildes, wonach nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum steht, ebenfalls einer Autorität des Denkens, der Kirche. Um die gleiche Zeit verkündete der englische Philosoph Francis Bacon, dass nur Erfahrung Grundlage der Wissenschaft ist und dass empirisches Wissen, nicht Glaube oder Spekulation, Macht verleiht, über die Verhältnisse zu verfügen, und der französische Philosoph und Mathematiker René Descartes zweifelte methodisch an allem, was als gesichertes Wissen galt, und kam über systematisches, an Erfahrungen geprüftes Wissen zu festen Erkenntnissen.
In Kap. 2.5 „Wann Soziologie beginnt und warum sie nicht endet“ wurde auf die Frage, wann die Soziologie beginnt, genau diese Antwort gegeben!
Die Erfüllung dieses positiven Zeitalters sagte Comte übrigens für Ende der 80er Jahre seines Jahrhunderts voraus! (vgl. Fuchs-Heinritz 1998, S. 230)
Gleich wird klar, weshalb ich das Wort in Anführungszeichen setze!
Wegen der leichteren Zugänglichkeit der Quelle zitiere ich in der Regel nach dem Auszug (1904/05a) in dem von Kaesler herausgegebenen Band „Max Weber. Schriften 1894–1922“, 2002; wo mir auch die weggelassenen Ausführungen hilfreich erscheinen, nach dem Original (1904/05b).
Eigentlich ist es ja ein logischer Zirkel, der nicht wirklich etwas erklärt, aber als Selbsteinschätzungsmechanismus wirkt er allemal und es gibt ja ganze Länder, die sich für „god’s own land“ halten.
Ich vermute, dass das Ausrufezeichen nicht für die Ermahnung Franklins, sondern für das Staunen Webers steht.
Vgl. oben Kap. 7.5 „Bürokratie: Reine Herrschaft und ihre Gefahr“.
Will man den Bogen ganz weit schlagen und fragen, wo die aus dem Prinzip der Zweckmäßigkeit gestalteten gesellschaftlichen Verhältnisse inzwischen angekommen sind, kann man statt vieler anderer ähnlicher Diagnosen das Buch von GEORGE RITZER „Die McDonaldisierung der Gesellschaft“ (1993) zur Hand nehmen. Dort vertritt er im Anschluss an Webers Rationalisierungsthese die These, dass die Prinzipien der Fastfood-Restaurants (Effizienz, Quantifizierbarkeit und Berechenbarkeit, Vorhersagbarkeit und Kontrolle) immer mehr Gesellschaftsbereiche weltweit beherrschen. (vgl. S. 15) Und was Kritiker gegen die Globalisierung einwenden, hat genau mit der kalten Seite der Rationalisierung zu tun.
Was dabei Vor-oder Nachteil ist, mag jeder für sich entscheiden!
„reflectere“ (lat.) — zurückwenden, sich wenden auf.
Rights and permissions
Copyright information
© 2004 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Abels, H. (2004). Sozialer Wandel. In: Einführung in die Soziologie. Studientexte zur Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92436-0_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92436-0_10
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-33610-7
Online ISBN: 978-3-322-92436-0
eBook Packages: Springer Book Archive