Zusammenfassung
„Philosophie, die einmal überholt schien, erhält sich am Leben, weil der Augenblick ihrer Verwirklichung versäumt ward“. Mit diesen Worten beginnt Theodor W. Adorno seine Negative Dialektik; sie lassen sich gleichermaßen auf die kritische Politische Philosophie wie auf eine von ihr her motivierte Politische Ideengeschichte beziehen. Die so verstandene Philosophie erfährt ihre Bedeutung, wenn die „These vom Überholtsein der Besinnung“1 selber in den geschichtlichen Prozeß einbezogen und die gesellschaftliche Realität in ihrer historischen Dynamik begriffen wird. Philosophie und philosophische Problematik — von Adorno der Gesellschaftskritik überantwortet — zeigen ihren engen Gesellschaftsbezug. Mit Recht wurde darauf verwiesen2, daß ein solcher Terminus der Philosophie wiederum viel von dem einbeschließt, was sich als Aufhebung der Philosophie in begriffene Geschichte und geschichtliche Praxis bezeichnen läßt. Philosophie hat „nach dem versäumten Augenblick“ zu erkennen, „warum die Welt, die jetzt, hier das Paradies sein könnte, morgen zur Hölle werden kann“. In einer Welt vorherrschender positivistisch verkürzter Praxis wird deren Kritik und Reflexion zur Sache der Philosophie, und zwar zugunsten einer Praxis, „welche die Herstellung einer vernünftigen und mündigen Menschheit bezweckt...“3.
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Literatur
Theodor W. Adorno meint damit die Marxsche These vom Ende der Philosophie bzw. von ihrer Aufhebung in revolutionäre Praxis. Vgl. dazu Wilfried Röhrich, Welt-Interpretation und Welt-Veränderung. Ober Theorie und Praxis in der Kritischen Theorie, in: ders. (Hg.), Aspekte der Kritischen Theorie, Berlin 1987.
Vgl. hierzu und zum folgenden Alfred Schmidt, Adorno — ein Philosoph des realen Humanismus, in: Neue Rundschau 4/1969, S. 665 ff.
Theodor W. Adorno, Wozu noch Philosophie, in: ders., Eingriffe. Neun kritische Modelle, Frankfurt a. M. 1974, S. 24.
Vgl. Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, in: ders., Werke in sechs Bänden (hg. v. Karl Schlechta), München 1980, Bd. 2, S. 448.
Vgl. hierzu u. a. Bernard Willms, Politische Ideengeschichte, Politikwissenschaft und Philosophie, in: Udo Bermbach (Hg.), Politische Theoriegeschichte. Probleme einer Teildisziplin der Politischen Wissenschaft (PVS-Sonderheft 15/1984), Opladen 1984, insbes. S. 44 ff.
Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt a. M. 1980, S. 7 ff.
Vgl. hierzu Carsten Schlüter, Adornos Weg der Kritik der apologetischen Vernunft, in: Wilfried Röhrich (Hg.), Aspekte der Kritischen Theorie, Berlin 1987, S. 64.
Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a. M. 1975, S. 144.
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Amsterdam 1947, S. 258.
Theodor W. Adorno, Anmerkungen zum philosophischen Denken, in: ders., Stichworte. Kritische Modelle 2, Frankfurt a. M. 1970, S. 11.
Vgl. hierzu Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, in: Karl Marx und Friedrich Engels, Werke, Bde. 1–39 und Zusatzbände I und II, Berlin (Ost) 1957 ff. (im folgenden abgekürzt: MEW), hier: Bd. 13, S. 61.
Theodor W. Adorno, Noten zur Literatur, Frankfurt a. M. 1981, S. 284.
Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt a. M. 1980, SS. 193, 170 und 119.
Vgl. hierzu Hans Robert Jauß, Der literarische Prozeß des Modernismus von Rousseau bis Adorno, in: Ludwig von Friedeburg und Jürgen Habermas (Hg.), Adorno-Konferenz 1983, Frankfurt a. M. 1983. Auf die in diesem Sammelband vereinigten Aufsätze sei hier allgeme in verwiesen.
Theodor W. Adorno, Zur Metakritik der Erkenntnistheorie, Frankfurt a. M. 1972, S. 87.
Friedrich Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, in: ders., Werke in sechs Bänden (hg. v. Karl Schlechta), München 1980, Bd. 3, S. 152 f.
Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt a. M. 1966, S. 188.
Vgl. hierzu Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt a. M. 1973, S. 20.
Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 2. Hbd., Tübingen 1976, S. 654.
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Amsterdam 1947, S. 244.
Theodor W. Adorno, Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? Einleitungsvortrag zum 16. Deutschen Soziologentag (1968), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 8: Soziologische Schriften I (hg. v. Rolf Tiedemann), Frankfurt a. M. 1972, S. 363.
Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt a. M. 1980, S. 7 f.
Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a. M. 1975, S. 198.
Theodor W. Adorno, Wozu noch Philosophie, in: ders., Eingriffe. Neun kritische Modelle, Frankfurt a. M. 1974, S. 14.
Theodor W. Adorno, Resignation, in: ders., Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1973, S. 150.
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Röhrich, W. (1989). Einführung. In: Denker der Politik. WV studium. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92431-5_1
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