Zusammenfassung
Berlin ist noch zu entdecken. Wer den verschlissenen Glitzervorhang der weltfremden Imageschinderei, gewebt in den neunziger Jahren, beiseite zieht, entdeckt eine liebenswürdige Unübersichtlichkeit, blühende Landschaften hoch oben auf den Baikonen und unten auf den Plätzen die Zeichen urbaner Hipness. Wir blicken in das fein verlebte Gesicht einer stolzen, aber bettelarmen Stadt, die sich den Masken ihrer Beherrscher stets verweigerte, die überlebte, weil sie auf Behauptungen nichts gab. Wir sehen auch Narben, die noch nicht verheilt sind, was die Stadt freut, weil ihr die Hinterlassenschaften der Geschichte Kapital sind. Den Künsten bedeutet der abgepellte Charme vergessener oder ausrangierter Immobilien immer noch den größten Zugewinn an geistiger Freiheit. Vor allem die Jugendkultur treibt in den Nischen und Ecken der Vergangenheit die wildesten Blüten. Dekonstruierte Räume inspirieren die Kreativen, die naturgemäß gern das Hohelied auf Berlin singen, weil sich nirgendwo sonst so günstig und so geistreich leben läßt. Wenn also manche Künstler die Chiffren des Verfalls mit Novität übersetzen, wenn sie nichts lieber tun, als jede Ruine zu konservieren, wo liegt dann die Zukunft dieser Stadt? Gedeihen die Künste hinter glatten Fassaden schwieriger?
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© 2003 Leske + Budrich, Opladen
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Weiss, C. (2003). Hauptstadtkultur — Niemand sieht, was hier beginnt. In: Biedenkopf, K., Reimers, D., Rolfink, A. (eds) Berlin — was ist uns die Hauptstadt wert?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92398-1_18
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Print ISBN: 978-3-8100-4054-1
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