Zusammenfassung
Als die Mauer zwischen beiden Teilen Deutschlands brüchig zu werden begann, war ich mit Herz und Seele bei diesen aufregenden Entwicklungen dabei und hoffte auf bleibende Gewaltlosigkeit. Als die Mauer sich öffnete, die Menschen sich begegnen konnten und für einen Herzschlag der Weltgeschichte alles Teilende, Trennende überwunden schien, war ich überglücklich. Die aufregende Hoffnung blieb für mich, anders als für viele, bestehen und ein bleibendes Handlungsmotiv in meinem Leben. Die Aufhebung der Teilung, eine Art von Familienzusammenführung im großen Maßstab, hat mich tief berührt und fasziniert. Bei einem Besuch der DDR kurz vor und während der Märzwahlen 1990, in einer Zeit, als alle noch ganz offen und interessiert am jeweils anderen Deutschland waren, verbrachte ich zehn Tage in Rostock, Dresden und Weimar und lernte damit zum ersten Mal die DDR ein bißchen kennen. Bis zu sechzehn Stunden täglich sprach ich mit mir völlig Fremden, lernte ich eine damals noch ganz unvoreingenommene, hoffnungsvolle Haltung gegenüber dem neuen System kennen, deren Naivität mich allerdings für all diese Menschen in Zukunft das Schlimmste befürchten ließ. Wenn sie mit dieser Offenheit und Gutgläubigkeit dem Kapitalismus und unserer so anders gearteten Bürokratie gegenübertreten würden, sah ich für viele ein böses Erwachen kommen.
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© 1999 Leske + Budrich, Opladen
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Holterman, A. (1999). Geteiltes Leben im Selbstversuch: Mein Weg zum Thema. In: Das geteilte Leben. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92313-4_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92313-4_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-2309-4
Online ISBN: 978-3-322-92313-4
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