Zusammenfassung
Zeitreihenvergleiche von’ schwarzplänen‘, mit denen sich die Ausdehnung von Siedlungsstrukturen visualisieren lassen, belegen beinahe weltweit, wie rasant die großen Städte in das Umland hinein ‘ausfransen‘. Auch die europäischen Städte dehnen sich längst über ihre traditionellen stadträumlichen Dichtegefälle hinweg aus. Sie erweitern sich strukturell wie funktional zu Stadtregionen. Allerdings tun sie das mit unterschiedlicher Rasanz und offenkundig auch auf unterschiedlichen Entwicklungspfaden. Zwar sind die konkreten ‘push- und pull-Faktoren‘ der Suburbanisierung immer auch von lokalen und regionalen Sonderbedingungen mitstrukturiert. Gleichwohl erscheinen insbesondere die westeuropäischen Städte inzwischen häufig eher als (nicht nur finanzielle) Verlierer gegenüber ihrem Umland und den Entwicklungsdynamiken in den Umlandgemeinden. Selbst für Stadtregionen, in denen es parallel zur Randwanderung von wichtigen Wachstumskräften komplementäre Konzentrationen von ‘tertiären‘ Entwicklungsdynamiken im Bereich der inneren Cities gibt, trifft das häufig zu (van den Berg 1982, A. G Champion 1989a, 1989b).
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Literatur
Terminologische Vorbemerkung: Die Komplexität der Entwicklungen an den Rändern der europäischen Großstädte spiegelt sich in terminologischen Suchbewegungen, die jeweils nur bestimmte Aspekte der differenzierten Ausdehnungsprozesse städtischer Sozialräume ins Umland hinein thematisieren. Der Peripheriebegriff'etwa (Burdack, Herfert 1998, Prigge 1998) unterschätzt konzeptuell einmal die neuen Funktionszuwächse und Eigendynamiken an den Stadträndern; zudem trennt er nur ungenügend zwischen innerstädtischen, randstädtischen und regionalen Peripheriebildungen. Der Regionalisierungsbegriff (Stadt-regionen) überzeichnet in der Gegenrichtung. Zudem unterschätzt er die — inzwischen’ stadtkulturell ‘ausgeflaggten ‘neuen Attraktionspotentiale der „inner cities“ — zumindest in der oberen Liga eines transnationalen Konkurrenzkampfs der Städte untereinander. Der Begriff der Suburbanisierung hält schließlich nur einen — allerdings weiterhin wichtigen Aspekt am Prozess der Stadtentwicklungen fest, auf dem Weg zu großräumigeren Stadt-Land-Verflechtungen. Der Suburbanisierungsbegriff wird im Folgenden verwendet als Platzhalter für die mehrschichtigen Erweiterungs-und Umstrukturierungsprozesse der Städte insgesamt. Nur dort, wo es nötig ist, wird er weiter spezifiziert, etwa um spezielle Strukturmuster innerhalb der zunehmend gleichzeitig prozessierenden Stadtentwicklungsdimensionen näher zu kennzeichnen.
Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass Industriebetriebe — aufgrund ihres hohen Flächenbedarfs — ihre Standorte immer schon am Rande der Städte suchten. So gehen die heutigen häufig traditionsreichen Innenstadtstandorte etablierter Unternehmen in aller Regel darauf zurück, dass in der Industrialisierungsphase der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — z.T. bis zum ersten Weltkrieg — am Rande oder auch außerhalb des damals überbauten städtischen Raumes große Produktionsanlagen errichtet wurden — nicht selten in unmittelbarer Nachbarschaft der ‘dazugehörigen ‘oder hinzugebauten Arbeiterwohnquartiere. Insofern kann die neuerliche Tendenz einer Randwanderung des Gewerbes in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts teilweise auch als weiterer Schritt im Zuge eines kontinuierlichen Prozesses der Modernisierung von Fertigungstechnologien bzw. der immer weitergehenden Inanspruchnahme von Flächen durch den gewerblichen Sektor (einschließlich der ihn tragenden Infrastrukturen) gesehen werden.
Siehe etwa im selben Band die vorzügliche Warschau-Studie von Jens Dangschat. Dangschat sieht die Vororte Warschaus als typische Durchgangsstationen für die Einwanderung nach Warschau selbst. Die harten offiziellen Zuzugsverbote ins Zentrum hätten dabei nicht verhindern können, dass die Kernstadt in den 70er und 80er Jahren sehr viel rasanter als geplant gewachsen sei. Ähnliches gilt für Moskau, Budapest, Prag etc.; zu Prag s. jetzt Max Welch Guerra 2001 — mit dem etwas vollmundigen Titel: Ein neuer Typ von Suburbanisierung.
Dass auch im berlin-brandenburgischen Verflechtungsraum erst mit der deutschen Einheit eine massive Suburbanisierung im gewerblichen Bereich einsetzte, sollte allerdings nirgendwo verdecken, dass es zeitlich vorauslaufend vielfältige ‘DDR-typische ‘Formen der Suburbanisierung gab, die sich zwar nicht als Dekonzentration, wohl aber als’ sozialistisch ‘kodierte Verstädterung des Umlandes beschreiben lassen (s. jetzt dazu ausführlicher II.5, Vorphase 2).
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Matthiesen, U., Nuissl, H. (2002). Suburbanisierung und Transformation: Zum Stand der methodischen und theoretischen Durchdringung gegenwärtiger Stadterweiterungen. In: Matthiesen, U. (eds) An den Rändern der deutschen Hauptstadt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92261-8_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92261-8_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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