Das Grundgesetz nach 50 Jahren — Versuch einer historischen Würdigung

Zusammenfassung

Vor 50 Jahren, am 23. Mai 1949, wurde in Bonn das Grundgesetz verkündet. Es war als Provisorium und „Transitorium“ (Theodor Heuss) gedacht — ausdrücklich vermied man das Wort Verfassung. Dem staatlichen Leben sollte „für eine Übergangszeit eine neue Ordnung“ gegeben werden — so formulierte es die alte, 1990 neugefaßte Präambel. Aber nichts ist so dauerhaft wie das Provisorische: Inzwischen hat das Grundgesetz — und mit ihm die Bundesrepublik Deutschland — bereits das stattliche Alter von 50 Jahren erreicht, mehr als das Dreifache der Jahre, die der Weimarer Republik gegönnt waren. Die Zweite Republik ist glücklicher, so scheint es, als die Erste. Sie lebt zwar nicht auf großem, aber auf solidem Fuß. Sie erfreut sich breiter Zustimmung in der Öffentlichkeit. Das Grundgesetz ist in fünfzig Jahren aus einem Provisorium zur Verfassung aller Deutschen geworden. Die Bürger — wenigstens in ihrer ganz überwiegenden Mehrzahl — fühlen sich in ihr gut aufgehoben. Sie respektieren die Verfassung, sind sogar stolz auf sie. „Verfassungspatriotismus“ nannte Dolf Sternberger das 1982 in einer Rede bei der 25-Jahr-Feier der Akademie für politische Bildung Tutzing, und er erinnerte an einen alten Satz von La Bruyère, der auch heute unverändert wahr ist: „Es gibt kein Vaterland in der Despotie.”