Zusammenfassung
Die Erinnerung an den Nationalsozialismus erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder in Form heftiger öffentlicher Kontroversen, die nicht auf den Bereich der Geschichtswissenschaft beschränkt bleiben, sondern die Öffentlichkeit polarisieren. Die fortdauernde Polarisierung des Diskurses über den Nationalsozialismus verdeckt die zugrundeliegende Frage, welche gesellschaftliche Bedeutung diesem Diskurs zukommt und was dies für die einzelnen Beteiligten im Hinblick auf ihre politische und personale Identität bedeutet. Habermas beschreibt diese Auseinandersetzung als einen Prozeß ethisch-politischer Selbstverständigung: „In Diskursen der Selbstverständigung, die durch Filme, Fernsehserien und Ausstellungen ebenso wie durch historische Darstellungen oder ‚Affairen‘ angeregt werden, streiten wir uns nicht über kurzfristige Ziele und Politiken, sondern über Formen erwünschten Zusammenlebens, auch über die Werte, die im politischen Gemeinwesen Vorrang haben sollen. Gleichzeitig geht es darum, in welchen Hinsichten wir uns als Bürger dieser Republik gegenseitig achten können — und als wer wir von anderen anerkannt werden möchten.“ (Habermas 1997, 18). Der Umgang mit dem Nationalsozialismus kann damit verstanden werden als ein Spiegel der demokratischen, politischen Kultur in der bundesrepublikanischen Gesellschaft, ihm kommt eine wichtige, das Gemeinwesen stabilisierende Funktion zu, die den hohen Stellenwert und die große Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird, begründet.1
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Literatur
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Quindeau, I. (2000). Erinnerung und Abwehr. In: Greven, M.T., von Wrochem, O. (eds) Der Krieg in der Nachkriegszeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92232-8_17
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