Zusammenfassung
»Kultur« hat sich in Deutschland sicher nicht vermehrt, wohl aber der populäre Gebrauch dieses Begriffs. Früher genügte es für ein Auto, einen Motor zu besitzen, nach Möglichkeit leistungsstark und leise; heute muß es sich schon durch »Laufkultur« auszeichnen. Der Kulturbegriff legitimiert, er tabuisiert vielleicht sogar. Als ob nicht auch über vieles gestritten werden könnte, was sich Kultur nennt. Alltagssprachliche Popularisierung der politischen Kultur hat diesem sozialwissenschaftlichen Konzept im letzten Jahrzehnt gänzlich seine ohnehin nur marginale Trennschärfe geraubt. Inzwischen wird auf Podien an die politische Kultur von Gesprächspartnern appelliert, und die Antwort, man habe gar keine, sondern sei ein Teil davon, löst Unverständnis aus. Ein wissenschaftlicher Ansatz, der, grob gesprochen, Systemprofile durch Analyse politisch relevanter kollektiver Bewußtseinsinhalte zu klären sucht, ist längst auf die Ebene der Individuen transferiert und mit Konnotationen aufgeladen worden, die im allgemeinen für positiv gehalten werden. Gemeint ist in aller Regel politischer Stil. Was aber im allgemeinen als guter politischer Stil gilt, stimmt nicht immer ohne weiteres mit demokratisch-partizipatorischer Kultur überein, so wie die wissenschaftliche Diskussion sie versteht.
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Literatur
Grundlegend: Ernst Fraenkel, Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie, in: Franz Nuscheler/Winfried Steffani (Hrsg.), Pluralismus — Konzeptionen und Kontroversen, München 1976, S. 150ff.
Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 161 ff.
Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 166.
Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 171.
Vgl. Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 223.
Vgl. Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 223
Vgl. z.B. Klaus Simon, Opposition und politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland (Masch.Habil.), Münster 1980.
Dazu u. a. Edwin Czerwick, Debattenordnung und Debattenstil, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 24–25/85, S. 17–31.
Jüngst Theo Waigel, Probleme der Vermittelbarkeit und Vermittlung von Politik, in: Politische Studien 312, 41 (1990), S. 428–438.
Vgl. Jüngst Theo Waigel, Probleme der Vermittelbarkeit und Vermittlung von Politik, in: Politische Studien 312, 41 (1990), S. 433.
Klaus Böiling, Die letzten 30 Tage des Kanzlers Helmut Schmidt, Reinbek 1982, S. 79.
Heinz Rapp, Die Kultur des demokratischen Wettbewerbs (Gesprächskreis Politik und Wissenschaft der Friedrich Ebert Stiftung), Bonn 1986.
Thomas Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 19733, S. 358. In späteren Auflagen hat der Verfasser den Exkurs über politischen Stil getilgt.
Vgl. Ulrich Sarcinelli, Politischer Stil — eine vergessene Kategorie, in: Civis, 4/1986, S.27–34.
Vgl. Ulrich Sarcinelli, Politischer Stil — eine vergessene Kategorie, in: Civis, 4/1986, S. 27.
Jost Küpper, Die Kanzlerdemokratie. Voraussetzungen. Strukturen und Änderungen des Regierungsstils in der Ära Adenauer, Frankfurt 1985.
Arnd Morkel, Über den politischen Stil, in: Politische Vierteljahresschrift. 7 (1966), S. 122.
Richard Fenno, Home-style: House members in their districts, Boston-Toronto 1978.
Neben dem Beitrag von A. Morkel (Anm. 17) siehe auch Eckhardt Jordan, Zur Verwendung des Stilarguments in der Bundesrepublik Deutschland, in: Politische Vierteljahresschrift, 7 (1966), S. 97–118, und Wolfram Wette, Modus und Stil der parlamentarischen Diskussion im Bundestag, in: Zeitschrift für Politik, N.F. 15 (1968), S. 181–188.
Vgl. Heinrich Bußhoff, Zu einer Theorie des politischen Stils, Meisenheim 1972.
Dazu klassisch: E. Fraenkel (Anm. 1).
Zusammenfassend am Beispiel des Wahlkampfs: Ulrich Sarcinelli, Symbolische Politik. Zur Bedeutung symbolischen Handelns in der Wahlkampfkommunikation der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1987.
Vgl. Rudolf Wildenmann, Volksparteien. Ratlose Riesen?, Baden-Baden 1989, S. 52.
Vgl. David Conradt, The German Polity, New York-London 19863, S. 59f.
Vgl. R. Wildenmann (Anm. 23), S. 46.
H. Rapp(Anm. 12), S. 25.
Hermann Lübbe, Der Streit um Worte, in: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.), Sprache und Herrschaft, München 1975, S. 205.
Vgl. Colin Good, Szylla und Charybdis, in: Thomas Goppel u.a. (Hrsg.), Wirkung und Wandlung der Sprache in der Politik (= Eigendruck der Universität Passau), o. O. (Passau), o.J. (1989), S. 58 u. S.60.
Vgl. Hermann Ehlers, Von der Würde des Parlaments, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 204 vom 20. Dezember 1952, S. 1778.
Aus einem Brief an den Bundestagspräsidenten; siehe Heinrich Oberreuter, Zwischen traditionellem und aufgeklärtem Parlamentsverständnis. Der Bundestag in einer gespaltenen politischen Kultur, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37–38/89, S. 37.
Vgl. Walter Bagehot, Die englische Verfassung, hrsg. u. eingel. von Klaus Streifthau, Neuwied-Berlin 1971, S. 138.
Vgl. Walter Bagehot, Die englische Verfassung, hrsg. u. eingel. von Klaus Streifthau, Neuwied-Berlin 1971, S. 156.
Vgl. Vgl. Walter Bagehot, Die englische Verfassung, hrsg. u. eingel. von Klaus Streifthau, Neuwied-Berlin 1971, S. 163.
W. Wette(Anm.19),S. 181.
Vgl. dazu Adalbert Hess, Reflexionen über den Debattenstil, in: Hans-Achim Roll (Hrsg.), Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages, Berlin 1982, S. 63–80. Siehe auch die Analysen von Hermann Hoppenkamps, Reform oder Manipulation? Untersuchungen zur Zeitungsberichterstattung über eine Debatte des Deutschen Bundestages, Tübingen 1977, S. 165ff., und von E. Czerwick (Anm. 8), S. 20 ff.; Wolfgang Ismayer, Parlamentarische Kommunikation und Abgeordnetenfreiheit, Frankfurt 1982.
H. Ehlers (Anm. 29), S. 1780f.
Vgl. Eugen Gerstenmaier, Die politische Auseinandersetzung gehört ins Parlament, in: Bulletin, Nr. 61 vom 29. März 1958, S. 589.
Vgl. Rainer Barzel, Kultur der Politik — Anspruch und Herausforderung, in: Bulletin, Nr. 46 vom 19. April 1984, S. 401–405, besonders S. 403f.
Vgl. die Typologie bei Franz Schneider, Diskussion und Evidenz im parlamentarischen Regierungssystem, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 6/68, S. 6.
Vgl. Hildegard Hamm-Brücher, Ist unser parlamentarisches System in guter Verfassung? in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37–38/89, S. 20.
Wie Wilhelm Hennis, Überdehnt und abgekoppelt. An den Grenzen des Parteienstaats, in: Christian Graf von Krockow (Hrsg.), Brauchen wir ein neues Parteiensystem?, Frankfurt 1983, S. 35ff., meint.
Siegmund Neumann, Die Parteien der Weimarer Republik, mit einer Einführung von Karl-Dietrich Bracher, Stuttgart 1970, S. 105.
Vgl. dazu Peter Gluchowski, Lebensstile und Wandel der Wählerschaft in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 12/87, S. 18–32; Ursula Feist/Hubert Krieger, Alte und neue Scheidelinien politischen Verhaltens, in: ebd., S. 33–47.
Vgl. Hans-Joachim Veen, Die Grünen als Milieupartei, in: Hans Maier u.a. (Hrsg.), Politik, Philosophie, Praxis. Festschrift für Wilhelm Hennis, Stuttgart 1989, S. 454–476.
Willi Herbert/Helmut Klages, Wertorientierung und Staatsbezug, Frankfurt-New York 1983.
Vgl. Robert A. Dahl, A Preface to Democratic Theory, Chicago 1963, S. 132.
Vgl. Udo Bermbach, Thesen zum Zusammenhang von Wertwandel, alter versus neuer Politik und politischen Institutionen, in: Albrecht Randelzhofer/Werner Süß (Hrsg.), Konsens und Konflikt. 35 Jahre Grundgesetz, Berlin 1986, S. 455f.
Bernd Guggenberger, Umweltschutz und neue Parteibewegung, in: Ch. Graf von Krockow (Anm.41),S.95.
Bernd Guggenberger, Die neue Macht der Minderheit, in: ders./Claus Offe (Hrsg.), An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, Opladen 1984, S. 218.
Vgl. Bernd Guggenberger, An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, in: ebd., S. 193.
Dazu pointiert: Roger Gérard Schwartzenberg, Politik als Showgeschäft, Düsseldorf-Wien 1980; Neil Postman, Wir amüsieren uns zu Tode, Frankfurt 1985; Joshua Meyrowitz, Die Fernsehgesellschaft, Weinheim-Basel 1987.
Frühzeitig schon: Werner Betz, Verändert Sprache die Welt? Semantik, Politik und Manipulation, Zürich 1977; vgl. auch: Wolfgang Bergsdorf, Herrschaft und Sprache, Pfullingen 1983; Manfred Op de Hipt, Denkbilder in der Politik, Opladen 1987.
Vgl. Heinrich Oberreuter, Übermacht der Medien, Zürich 1982.
Vgl. Peter Radunski, Wahlkämpfe. Moderne Wahlkampfführung als politische Kommunikation, München 1980.
Am Beispiel einer Bundestagsdebatte zeigt dies Werner Patzelt, Sprengsatz Sprache, in: Politische Studien 309, 41 (1990), S. 53–73.
Vgl. Oskar Negt/Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt 19732; Karl-Heinz Stamm, Alternative Öffentlichkeit. Die Erfahrungsproduktion neuer sozialer Bewegungen, Frankfurt-New York 1988.
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Oberreuter, H. (1990). Defizite der Streitkultur in der Parteiendemokratie. In: Sarcinelli, U. (eds) Demokratische Streitkultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92130-7_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-12240-3
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