Flugschriften aus der Zeit der Reformation und des Bauernkriegs

Zusammenfassung

„Schwarz auf weiß“ will man es sehen, erst dann schenkt man der Sache Glauben: eine Redensart nur, die aber auch besagt, daß auf die Rede kein Verlaß ist. Je gedankenloser gebraucht, desto mehr bezeugt sie eine Macht, der sich keiner mehr entziehen kann: die Macht der Schrift und des gedruckten Wortes über das Tun und Denken. Verbindlichkeit, Gewißheit, Glauben oder Wahrheit sind längst eine Frage der Schrift geworden, haben sich untrennbar mit dem abstrakten, weil gegenüber der konkreten Lebenswelt verselbständigten Medium der Schriftlichkeit verbunden. Und auf diesen Prüfstein der buchstäblichen Wahrheit muß sich noch alles legen lassen, was den Anspruch erhebt, wahr oder authentisch zu sein. Längst vergessen scheint, daß wir darin die Erben Luthers und der Reformation sind, die zum ersten Mal die Schrift zum Wahrheitskriterium machten, die Hl. Schrift in deutscher Sprache und in der objektiven Form des gedruckten Wortes. Das reformatorische Schriftprinzip, das den Schriftglauben dogmatisierte und sich alsbald zur kahlen Schriftorthodoxie verhärtete, steht am Anfang des umfassenden Rationalisierungsprozesses, der der okzidentalen Welt ihre kulturelle Physiognomie aufgeprägt hat. Die Frage nach der Rolle und Funktion des Schriftprinzips im revolutionären Prozeß von Reformation und Bauernkrieg wird auch der zentrale Gesichtspunkt für die Untersuchung der Flugschriftenpublizistik sein.