Zusammenfassung
Die Idee des „absoluten katholischen Welttheaters“ drängt neben dessen sprachlichen, schriftlichen und didaktischen Leistungen naturgemäß bühnenarchitektonische auf. Die Architektur- und Bildsprache der Brüder Cosmas Damian (1686–1739) und Aegid Quirin Asam (1692–1750), wie diese sie vor allem in der Abteikirche (OSB) Weltenburg, Kreis Kelheim (um 1721) radikalisiert haben (Rupprecht 1986: 25), verführt zu einer Parallellektüre: Carl Schmitt und Thomas Bernhard beschäftigen sich auf ihre äußerst subjektive Weise mit dem Katholizismus. Bei beiden erscheint der Katholizismus als eine Repräsentations- und Herrschaftsform. Sehen wir also zu:
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Das „theatrum sacrum“ (Rieder-Grohs 1978: 19ff.; Alewyn 1985: 60–87) als Stilmittel zur Ausgestaltung von Altären und Altarräumen läßt die Ebenen von Himmel-Erde-Orte der Verdammnis aus der Perspektive des Gemeinderaums und damit der Laienschar als Zuschauer, plastisch werden (Lieb 1984: 32–37; 40). Nun hat C.D. Asam bei der Ausgestaltung der Kuppelschale in Weltenburg einen Schritt zur vollkommenen Theatralisierung getan: Er hat sich selbst „in effigie“ als Stuckbüste über das gesamte Geschehen in Gemeinde- und Altarraum auf dem Kuppelschalenrand figuriert. Er nimmt dabei die Position eines Intendanten ein, der das Theatergeschehen wie von einer Proszeniumsloge aus betrachtet (Lieb 1984: 41, dazu Tafeln 37 und 38). Im Gegensatz zu allen anderen (gemalten) Figuren des Deckengemäldes, welche himmelwärts sich orientieren, blickt der Intendant als einziger nach unten. Der Intendant kann solches auch, denn er weiß nur Gott über sich und alle anderen unter sich. Mithin ist er der wahre Oberaufseher, der nicht zuletzt deshalb als Plastik aus dem „Gemäldeganzen“ der Kuppel hervortritt (Bushart/Rupprecht 1986: 220–223).
(Von der Welt des Repräsentativen):
„In ihr lebt die politische Idee des Katholizismus und seine Kraft zu der dreifach großen Form: zur ästhetischen Form des Künstlerischen, zur juridischen Rechtsform und endlich zu dem ruhmvollen Glanz einer weltgeschichtlichen Machtform“ (Schmitt 1925: 30).
„Die Erzbischöfe haben eine ganz eigene Redeweise, dachte ich, sie psalmodieren alles, das sie sagen, indem sie das Priesterseminar besucht haben, sind sie eigentlich auf die katholische Schauspielschule gegangen, dachte ich, auch die einfachen Gemüter unter den Bischöfen, wie die aus Salzburg und Linz, reden psalmodierend, wie wenn sie geschulte Schauspieler wären, allerdings wie beliebte angesehene Provinzschauspieler, nicht wie Spadolini, der in jedem Wort, das er sagt, mit jeder Geste, die er zum besten gibt, sozusagen ein alle diese Provinzschauspieler überragendes schauspielerisches Genie ist, sozusagen absolutes katholisches Welttheater“ (Bernhard 1986: 635).
„Wir sind katholisch erzogen worden, hat geheißen, wir sind von Grund auf zerstört worden ...“ (Bernhard 1986: 141).
Zu dem Versuch, Literatur und Politische Ideengeschichte sowie etwas Soziologie assoziativ „auf eine Reihe zu bringen“, haben mich Ulrich Breth, Alexander Burkhardt, Max Looser und nachhaltig Herfried und Marina Münkler ermuntert. Daß ich stärker differenziert habe als zunächst beabsichtigt, verdanke ich vorrangig der Intervention Wolf-Dieter Narrs. Die reichlich ins Kraut schießende Carl-Schmitt-Sekundär-Hagiographie wie auch die Abarbeitungen zu Thomas Bernhard habe ich notorisch vernachlässigt. Beide Fakultäten bitte ich um Absolution.
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Literatur
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Grünberger, H. (1990). Römischer Katholizismus als Herrschaftsform. In: Münkler, H., Saage, R. (eds) Kultur und Politik. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91776-8_3
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