Zusammenfassung
Glaubt man den Diagnostikern und Therapeuten der vermeintlichen Krise der Politik unseres fin de siècle, dann fehlt es an guter und richtiger Politik und an den entsprechenden dramatis personae. Angemahnt und eingefordert werden demokratische Führung, Sinngebung und Orientierung. Nach einer Aussage von Graf Ferraris ist das Mißtrauen gegen die Politiker nichts anderes als das „unterschwellige Bewußtsein, daß es nach dem Verschwinden von richtigen und falschen Idealen keine Ansatzpunkte mehr gibt und daß niemand, und gewiß nicht die sonst maßgebenden Politiker, in der Lage ist, neue Orientierung zu bieten.” (SPIEGEL 5, 1994: 38). Im Jargon der Medien und Stammtische heißt dies: Es fehlt an politischer Kultur, kurz: „das Verhältnis von Staat und Gesellschaft (ist) zerrüttet” (ebd.). So — oder so ähnlich — könnte man die allfälligen Krisenszenarios beschreiben, die gegenwärtig in der medialen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit Konjunktur haben. Auch wenn man dem so nicht zustimmen mag und zu Recht darauf verweisen kann, daß Politik nur so gut sein kann, wie es die Verhältnisse zulassen, läßt sich das grundlegende Problem nicht ignorieren: Es kann angesichts der komplexen, durch globale Risiken geprägten Umwelten keine eindeutigen, überzeugenden Antworten geben, sondern bestenfalls Annäherungen und Versuche, mit oftmals unzulänglichen Mitteln die politischen Angelegenheiten halbwegs erträglich zu gestalten. In der Sprache des Inkrementalismus: Man versucht, durch muddling-through und second best-Lösungen, das Schlimmste zu verhindern bzw. den Umständen entsprechend graduell zu verbessern. Die Öffentlichkeit aber verlangt nach wirklich überzeugenden Antworten.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Asher (1995): Polling and the Public. What every citizen should know. 3. Aufl., Washington D.C.
Bergsdorf, Wolfgang (1989): Demoskopie allein liefert keine politischen Konzepte. Nach enttäuschten Erwartungen ist ein kritischer Dialog zwischen Politik und Sozialwissenschaften notwendig. In: Beitäge zur Konfliktforschung, 19. Jg., S. 179–188.
Böckelmann, Frank/Nahr, Günter (1979): Staatliche Öffentlichkeitsarbeit im Wandel der politischen Kommunikation. Berlin.
Breitschneider, Rudolf (1985): Demoskopie als Politikersatz? Gebrauch und Mißbrauch der politischen Meinungsforschung. In: Plasser, Fritz/Ulram, Peter A./Welan, Manfried (Hrsg.): Demokratierituale. Zur Politischen Kultur der Informationsgesellschaft, Wien/Köln/Graz, S. 271–277.
Dorroch, Heiner (1994): Meinungsmacher-Report. Wie Umfrageergebnisse entstehen. Göttingen.
Fraenkel, Ernst (1963): Demokratie und öffentliche Meinung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 10. Jg., S. 309–328.
Fröhner, Rolf (1956): Meinungsforschung — ihre Aufgabe und Problematik. In: Publizistik, 1. Jg., S. 259–273.
Gellner, Winand (1990): Ordnungspolitik im Fernsehwesen: Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien. Mit einem Vorwort von Erwin Faul, Frankfurt a.M..
Gellner, Winand (1994): Politikberatung durch nichtstaatliche Akteure — Typen, Funktionen, Strategien. In: Murswieck, Axel (Hrsg.): Regieren und Politikberatung. Konzepte und Erfahrungen, S. 177–192.
Gellner, Winand (1995): Ideenagenturen für Politik und Öffentlichkeit. Think Tanks in den USA und in Deutschland. Opladen.
Hennis, Wilhelm (1957): Meinungsforschung und repräsentative Demokratie. Zur Kritik politischer Umfragen. Tübingen.
Jäger, Wolfgang (1992): Fernsehen und Demokratie. Scheinplebiszitäre Tendenzen und Repräsentation in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. München.
Kaase, Max (1977): Politische Meinungsforschung in der Bundesrepublik Deutschland. In: Politische Vierteljahresschrift, 28. Jg., S. 452–475.
Kepplinger, Hans Mathias (1992): Ereignismanagement. Wirklichkeit und Massenmedien. Zürich/Osnabrück.
Klier, Peter (1990): Im Dreieck von Demokratie, Öffentlichkeit und Massenmedien. Berlin.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1991): Demoskopische Geschichtsstunde. Vom Wartesaal der Geschichte zur deutschen Einheit. Zürich/Osnabrück.
Pinto-Duschinsky, Michael (1991): The Party Foundations and Political Finance in Germany. In: Seidle, F. Leslie (Hrsg.): Comparative Issues in Party and Election Finance. Vol. 4. Royal Commission on Electoral Reform and Party Financing. Toronto/Oxford, S. 179–250.
Ptassek, Peter/Sandkaulen-Bock, Birgit/Wagner, Jochen/Zenkert, Georg (1992): Macht und Meinung. Die rhetorische Konstitution der politischen Welt. Mit einem Vorwort von Rüdiger Bubner. Göttingen.
Ricci, David M. (1993): The Transformation of American Politics. The New Washington and the Rise of Think Tanks. New Haven/London.
Sabatier, Paul A. (1988): An Advocacy Coalition Framework of Policy Change and the Role of Policy-Oriented Learning Therein. In: Policy Sciences, 21. Jg., S. 129–168.
Schmidtchen, Gerhard (1961): Die befragte Nation. Über den Einfluß der Meinungsforschung auf die Politik. 2. Aufl., Freiburg.
Schürmann, Frank (1992): Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Strukturen, Medien, Auftrag und Grenzen eines informalen Instruments der Staatsleitung. Berlin.
Schütt-Wetschky, Eberhard (1984): Grundtypen parlamentarischer Demokratie. Klassischaltliberaler Typ und Gruppentyp. Unter besonderer Berücksichtigung der Kritik am Fraktionszwang. Freiburg/München.
Schultze, Rainer-Olaf (1987): Meinungsforschung: Vom aktiven Wähler zum passiven Befragten. In: Haungs, Peter/Jesse, Eckhard (Hrsg.): Parteien in der Krise? In- und ausländische Perspektiven. Köln, S. 169–174.
Smith, James A. (1991): The Idea Brokers. Think Tanks and the Rise of the New Policy Elite. New York/Toronto.
Sontheimer, Kurt (1964): Meinungsforschung und Politik. In: Der Monat, April 1964.
Traugott, Edgar, (1970), Die Herrschaft der Meinung. Über die Wechselwirkung von demoskopischen Daten und politischen EntScheidungsprozessen, Düsseldorf.
Walker, Horst O. (1982): Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Eine Untersuchung zu Fragen der Organisation, Koordination und Kontrolle der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Frankfurt am Main.
Weizsäcker, Richard von (1992): Im Gespräch mit Gunter Hofmann und Werner A. Perger. Frankfurt am Main.
Wirth, Louis (1969): Vorwort zur englischen Ausgabe. In: Mannheim, Karl: Ideologie und Utopie, Frankfurt a. M., XXVI–XXVII.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1996 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Gellner, W. (1996). Demoskopie, Politik, Medien. In: Jarren, O., Schatz, H., Weßler, H. (eds) Medien und politischer Prozeß. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91675-4_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-91675-4_10
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12823-8
Online ISBN: 978-3-322-91675-4
eBook Packages: Springer Book Archive