Skip to main content

Erschriebener Widerstand?

Fragen an Alfred Anderschs Werk und Leben

  • Chapter
Book cover Alfred Andersch

Zusammenfassung

Sich heute mit Anderschs Werk auseinandersetzen, bedeutet nichts weniger als die eigenen Vorstellungen, möglicherweise sogar die eigenen Verblendungen zu hinterfragen: Als ich mich vor vierzehn Jahren auf meine Andersch-Reise begab, die mich immerhin vier Jahre in Anspruch nahm, schien es keinen Anlaß zu geben, Anderschs Selbstverständnis, so wie es sich ästhetisch niederschlug, in Zweifel zu ziehen. In der Nachkriegsszene galter — nicht nur mir — als moralische Instanz. Autobiographische Schriften, ob sie sich als Erzählung oder Bericht ausgaben, schienen auf vertrauenswürdige Weise über Kindheit und Jugend bis zur Kriegs- und Nachkriegszeit Auskunft zu geben. Obwohl schon Anfang der achtziger Jahre bekannt war, daß Andersch nichts unversucht gelassen hatte, bereits in den Kriegsjahren zu publizieren2, konnten diese von ihm selbst so lang zurückgehaltenen Informationen seiner oppositionellen Haltung während der Hitler-Zeit nichts anhaben: die Arbeit des Jungkommunisten, seine KZ-Inhaftierung und die Desertion waren und bleiben Fakten, die für sich sprechen. Als allerdings die Umstände bekannt wurden, wonach Andersch seine jüdische Frau und sein Kind der mörderischen Willkür der Rassengesetze ausgeliefert, ja 1943 — auf dem Höhepunkt der Endlösung — auf einer Scheidung bestanden habe, wurde mein Andersch-Bild hart auf die Probe gestellt.

Zu dieser Formulierung regte mich der Aufsatz von Erhard Schütz an, vgl. „Erschriebenes Leben.“ Autobiographie eines Autors. In: Zu Alfred Andersch — Interpretationen, hrsg. von Volker Wehdeking, LGW 64. Stuttgart 1983, S. 132–142.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 69.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. Vgl. Alfred Andersch: „Der Seesack“ (1977). In: Das Alfred Andersch Lesebuch, hrsg. von Gerd Haffmans. Zürich 1979, S. 83.

    Google Scholar 

  2. Seit dem „Literaturstreit“ ist jeder namhafte Schriftsteller als virtueller Kollaborateur des DDR-Regimes verdächtig. Neuerdings werden auch die Akten der führenden Mitglieder der Gruppe 47 „neu” gesichtet. Vgl. Axel Vieregg: Der eigenen Fehlbarkeit begegnet - Günter Eichs Realitäten 1933–1945. Eggingen 1993. Vgl. im Zusammenhang mit A. Andersch W.G. Sebald: „Between the Devil and the Deep Blue Sea“. In: Lettre International, Frühjahr 1993, S. 80–84. Eine Polemik gegen diese Ansätze: Vgl. Lothar Baier: „’Literaturpfaffen’. Tote Dichter vor dem moralischen Exekutionskommando.” In: Freibeuter 57, 1993, S. 14–45.

    Google Scholar 

  3. Stephan Reinhardt: Alfred Andersch. Eine Biographie. Zürich 1990.

    Google Scholar 

  4. Alfred Andersch: „Böse Träume“. In: Der Rabe 22, Dez. 1988, 5.186.

    Google Scholar 

  5. Karl Jaspers: Die Schuldfrage. Von der politischen Haftung Deutschlands. München 1965. Jaspers unterscheidet zwischen „politischer“, „moralischer” und „metaphysischer“ Schuld.

    Google Scholar 

  6. Alfred Andersch: „Notwendige Aussage zum Nürnberger Prozeß“. In: Der Ruf. Eine deut- sche Nachkriegszeitschrift, hrsg. von Hans Schwab-Felisch. München: dtv 1962, S. 26–29.

    Google Scholar 

  7. Alfred Andersch: „Ein Techniker“. In: Erinnerte Gestalten. Frühe Erzählungen. Zürich 1986. Vgl. Volker Wehdeking: Erinnerte Gestalten: Ein unbekannter Alfred Andersch der Jahre im Dritten Reich. In: Sprache im technischen Zeitalter, Jg. 27, 1989, H. 112.

    Google Scholar 

  8. Biologie und Tennis. Dramatische Reportage in einem Prolog und vier Bildern. 1950. Gesendet wurde das Hörspiel im Südwestfunk, zum letzten Mal am 2.8.1992. Dramaturgie: H.B. Schlichting, Regie: H. Kirste. Dem Leiter des Archivs W. Hempel danken wir für seine Genehmigung, das Manuskript zu kopieren.

    Google Scholar 

  9. S. Nachlaß im Marbacher Literaturarchiv, wo auch die erste Niederschrift (1950) deponiert ist (Signatur: 78.4752). Begonnen wurde das Hörspiel Mitte Januar 1950, beendet 23. Februar 1950. Es enthält 74 Blätter.

    Google Scholar 

  10. Im gleichen Sinne seine Verteidigungen von Ernst Jünger. Vgl. „Amriswiler Rede“ und „Achtzig und Jünger”. In: Öffentlicher Brief an einen sowjetischen Schriftsteller, das LÍberholte betreffend. Zürich 1977, S. 71–107. Vgl. Irene Heidelberger-Leonard: „Alfred Anderschs Beziehung zu Ernst Jünger: Ein Wunschbild und seine Korrektur.“ In: Littérature et Culture allemandes. Hommage à Henri Plard, hrsg. von R. Goffin, M. Vanhelleputte, M. WeyemberghBoussart. Bruxelles 1985, S. 395–405.

    Google Scholar 

  11. Vgl. vor allem das „Nachwort für Leser.“ In: Der Vater eines Mörders. Eine Schulgeschichte. Zürich 1980, S. 129 ff.

    Google Scholar 

  12. Vgl. Ruth Klüger-Angress: „A’Jewish Problem’ in German Postwar Fiction.“ In: Modern Judaism V (1985), S. 215–233.

    Google Scholar 

  13. Vgl. Martin Walser: „Über den Leser - soviel man in einem Festzelt darüber sagen soll.“ In: Versuch, ein Gefühl zu verstehen, und andere Versuche. Frankfurt 1982, hier aus Universalbibl. Nr. 7824, Reclam, S. 79.

    Google Scholar 

  14. Vgl. Alfred Anderschs Rezension „Wie man widersteht“. In: Öffentlicher Brief,s. Anm. 17.

    Google Scholar 

  15. Vgl. Alfred Anderschs Aufsatz zu Jean Améry: „Anzeige einer Rückkehr des Geistes als Person.“ In: Alfred Andersch: Die Blindheit des Kunstwerks. Zürich 1979, S. 125–144. Vgl. Irene Heidelberger-Leonard: „Schein und Sein in Efraim. Eine Auseinandersetzung von Alfred Andersch mit Jean Améry.” In: Zu Alfred Andersch, hrsg. von Volker Wehdeking, s. Anm. 1.

    Google Scholar 

  16. Brief an Jean Améry (24.7.1967), befindet sich in Amérys Nachlaß im Marbacher Literaturarchiv.

    Google Scholar 

  17. Vgl. Jean Améry: „Efraim–oder die kluge Skepsis.“ In: Über Alfred Andersch. Zürich 1980, S. 123–127.

    Google Scholar 

  18. Alfred Andersch: Efraim. Zürich 1967, S. 168. Vgl. auch Alfred Andersch: „Das Buch als Glücksspiel, in dem der Autor mit sich selber pokert - ich habe auf diese Eigentümlichkeit literarischer Produktionsweise schon in dem Roman Efraim hingewiesen, der ja auch eine Autobiographie ist, wenn auch eine fiktive.“, aus„Mr. Blumenfeld’s Inferno.” In: Offentlicher Brief,S. 186.

    Google Scholar 

  19. Vgl. Dan Diner: „Zwischen Aporie und Apologie. Über Grenzen der Historisierbarkeit des Nationalsozialismus.“, S. 62–73, und „Negative Symbiose. Deutsche und Juden nach Auschwitz.”, S. 185–197. In: 1st der Nationalsozialismus Geschichte Zu Historisierung und Historikerstreit, hrsg. von Dan Diner. Frankfurt 1987.

    Google Scholar 

  20. Mit den Namen Benn und Brecht, Jünger und Thomas Mann, Sartre und Beckett steckt Andersch das Spannungsfeld ab, das sein Lebenswerk von jeher kennzeichnet. Vgl. Irene Heidelberger-Leonard. „Andersch: Meister der Koexistenz.“ In: Alfred Andersch: Die ästhetische Position als politisches Gewissen. Frankfurt 1986, S. 280 ff.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Irene Heidelberger-Leonard Volker Wehdeking

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

About this chapter

Cite this chapter

Heidelberger-Leonard, I. (1994). Erschriebener Widerstand?. In: Heidelberger-Leonard, I., Wehdeking, V. (eds) Alfred Andersch. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91663-1_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-91663-1_4

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-12381-3

  • Online ISBN: 978-3-322-91663-1

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics