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Von der Interpretationsgemeinschaft zur häuslichen Welt

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Fernsehaneignung und Alltagsgespräche
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Zusammenfassung

Ziel des zweiten Teiles der vorliegenden Studie war es, den Stellenwert unterschiedlicher kommunikativer Formen im Prozeß der Fernsehaneignung herauszuarbeiten. In diesem dritten Teil soll der Vermittlungsprozeß der Fernsehaneignung aus einer anderen Perspektive betrachtet werden, indem die Frage in den Mittelpunkt rückt, ob sich für Lebensgemeinschaften charakteristische Aspekte der Fernsehaneignung ausmachen lassen. Es geht also — anders als in den vorherigen Kapiteln — nicht um Aneignungsformen als solche, sondern darum, inwieweit spezifische Aneignungspraktiken für eine Lebensgemeinschaft typisch sind.

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Anmerkungen

  1. Dieses Konzept der “interpretive community” ist zu einem Standard-Erklärungsansatz für unterschiedlichste Aneignungsphänomene geworden. Kim Christian Schröder geht sogar so weit, den “ethnographic turn” (Schröder 1994, S.338) der anglo-amerikanischen Rezeptionsforschung in enge Beziehung zu der Verbreitung des Ansatzes zu stellen, indem er formuliert: “the concept of interpretive community has been a catalyst which has facilitated the ‘ethnographic turn’ in media studies” (Schröder 1994, S.338).

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  2. Zur Kritik an der Theorie von Fish vgl. beispielsweise die Aufsätze von Cain 1981, Toolan 1984 und Dasenbrock 1986. Auch Robert C. Holub setzt sich in seinem Buch “Reception Theory” kritisch mit den Gedanken Fishs auseinander (vgl. Holub 1984, S. 101–106). Am stichhaltigsten sind wohl die Kritiken, in denen darauf aufmerksam gemacht wird, daß Fish die soziale Dimension der Konstitution von Bedeutung zwar betont, sich mit dieser aber nicht weiter auseinandersetzt. William C. Cain macht dies deutlich, indem er Stanley Fishs Überlegungen denen Michel Foucaults gegenüberstellt. Ähnlich wie Foucault geht Fish davon aus, daß Interpretationen durch ihren historischen Kontext vermittelt sind, jenseits dessen sie keine Bedeutung entfalten können. Während Foucault aber in seinen Überlegungen zu einer Genealogie der Macht die kulturellen Differenzen der einzelnen Interpretationen herausarbeitet, befaßt sich Fish mit diesem Aspekt nicht weiter. In seiner Theorie scheinen Interpretationsgemeinschaften losgelöst von Machtverhältnissen und kulturellen Kontexten zu bestehen. So stellt William Cain zu der Theorie von Stanley Fish fest: “His theory lacks a politically charged vocabulary, which would reveal ‘interpretation’ to be a system of difficult, even violent, exchanges, with forced entrances of new communities and exclusions of old ones.” (Cain 1981, S.86)

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  3. Bei dem Namen handelt es sich um ein Pseudonym, wie auch bei den Namen der Frauen. Insgesamt befragte Radway sechzehn Frauen in zwei Gruppen über alle Aspekte ihrer Freizeitaktivitäten und wählte dann fünf der befragten Frauen aus, mit denen sie weitere Tiefeninterviews führte. Daneben verteilte Radway an 42 Frauen Fragebögen, die Fragen zu ihren Freizeitaktivitäten enthielten. Ein Vergleich der Aussagen innerhalb der Gruppendiskussionen, Tiefeninterviews und Fragebögen ergab nur geringe Abweichungen.

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  4. Die Frauen selbst sprechen untereinander jedoch kaum über die gelesenen Romane, wie Janice Radway klar herausstellt: “the women rarely, if ever, discussed romances with more than one or two individuals. Although many commented that they talked about the books with a sister, neighbour, or with their mothers, very few did so on a regular or extended basis.” (Radway 1987, S.96)

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  5. An diesem Punkt setzt Roger Silverstone mit seiner Kritik an den Überlegungen Janice Radways ein, da sie seiner Meinung nach vorschnell die sozialen Aspekte der Medienaneignung auf die Kategorie ‘Geschlecht’ reduziert und die weitergehende Einbettung der Medienaneignungsprozesse in das Soziale nicht berücksichtigt (vgl. Silverstone 1994, S.146). Aus späterer Perspektive sieht Radway selbst diese “Dekontextualisierung” der Medienaneignungsprozesse als die zentrale Schwäche ihrer Studie (vgl. Kap. 7.3).

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  6. Exemplarisch sei hier auf die bereits mehrfach zitierten Publikationen von David Morley, Mary Ellen Brown oder Roger Silverstone verwiesen. Einen Überblick über die Aneignungsstudien der Cultural Studies geben Moores 1993 und Nightingale 1996.

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  7. Dabei geht er in Anlehnung an die Überlegungen Michael Bakhtins von einem recht weiten Begriff des Genres aus. Bakhtin begreift Genres als kulturell bedingte Grundmuster von Äußerungen, deren Kenntnis erst die Interpretation einer einzelnen Äußerung ermöglicht (vgl. Bakhtin 1986, S.87). Ein Genre wird dabei durch thematische, kompositorische und stilistische Aspekte konstituiert. Diese vorrangig auf sprachliche Äußerungen bezogene Definition des Genres greift Thomas Lindlof auf und überträgt sie auf andere Formen des medienbezogenen, sozialen Handelns (vgl. Lindlof 1988, S.96–99).

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  8. Mit diesem Ausdruck des “virtuellen Texts” bezeichnet Lindlof die nach seinen Überlegungen für jede Interpretationsgemeinschaft vorhandenen typischen Verständnisse der von ihren Mitgliedern bevorzugten Texte.

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  9. Daß es durchaus Gemeinschaften gibt, in denen auf diese Weise gruppenspezifische Interpretationsraster bzw. “Codes” geteilt werden, leuchtet bezogen auf Fangemeinschaften intuitiv ein. Ein Beispiel ist hier die häufig sehr ausdifferenzierte Interpretationsgemeinschaft von Horror-filmfans, deren Mitglieder in unterschiedlichen Graden eine Vielzahl von Aneignungsweisen teilen (vgl. Winter 1995). Ähnliches gilt auch für die Mitglieder anderer Fangemeinschaften. Vgl. hierzu beispielsweise die Analysen von Henry Jenkins zu Science-Fiction Fans oder die Untersuchung Waldemar Vogelgesangs, der sich mit Fans der Fernsehserie “Lindenstraße” befaßt hat (Jenkins 1992; Vogelgesang 1995, S. 175–192). Eine zusammenfassende Darstellung findet sich auch in Mikos 1994a, S.119–123.

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  10. Gerade dies ist auch der Kernpunkt der Kritik, die Kim Christian Schröder an dem Konzept der “interpretive community” übt, indem er feststellt: “We have invoked this concept as a panacea to explain ad-hoc all sorts of social conditionings of the reception of media messages” (Schröder 1994, S.337).

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  11. Hieran wird die mit dem Konzept der “interpretive community” verbundene mangelnde Differenzierung zwischen medien-bezogenen und nicht-medien-bezogenen Gruppen deutlich. Dies ist insofern problematisch, als es nahe liegt, daß bei der Aneignung von Fernsehtexten in Gruppen wie der Familie oder der Jugendclique, in denen die gemeinsame Aneignung nur ein Aspekt der Gruppeninterkation ist, andere Prozesse eine Rolle spielen als beispielsweise in Fangruppen, die primär textfokussiert sind. Bisherige Untersuchungen zu Fangemeinschaften lassen vermuten, daß in letzteren Prozesse der Textinterpretation eine wesentlich größere Rolle spielen, als bei der Aneignung von Medientexten in nicht medien-zentrierten Gruppen. Auch dieser Aspekt weist also auf Unschärfen hin, die mit dem Konzept der “interpretive community” verbunden sind.

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  12. Man denke hierbei nur an die Fans von Musikerinnen wie Madonna oder Schauspielern wie Sean Connery (vgl. dazu Dyer 1986; Fiske 1987a, S.149–154).

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  13. Gegenstand des Zeitungsartikels sind Gewaltverbrechen, die ein junger Mann an drei vierzehnjährigen Mädchen begangen hat. Die Gewaltverbrechen sorgten für erhebliches Aufsehen und waren ein zentrales Thema in Klatsch- und Entrüstungsgesprächen (vgl. Machin & Carrithers 1996,S.345).

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  14. Davis Machin und Michael Carrithers argumentieren vor dem Hintergrund ihrer Analysen dafür, das Konzept der “interpretive community” zu einem der “communities of improvisation” weiterzuentwickeln, da ein solcher Ansatz es ermöglichen würde, dem situativen und wechselnden Umgang mit Medientexten im Alltag besser gerecht zu werden. Der Ausdruck ‘community’ wäre dann ausschließlich im Sinne eines (situativen) Kommunikationszirkels zu verstehen. In unterschiedlichen Kommunikationszirkeln werden ad-hoc unterschiedliche improvisationshafte Interpretationen von Medientexten entwickelt, deren Referenzpunkt kulturelle “landmarks” sind, die sowohl die Rezipienten von Medientexten als auch deren Produzenten teilen. Sie plädieren dafür, diese nicht als feststehende Raster in einzelnen Interpretationsgemeinschaften zu lokalisieren, sondern eher als sich ständig im Fluß befindend zu begreifen, wobei sie sich als diskursive Orientierungspunkte nichtsdestotrotz dazu eignen, durch “soziale Situationen zu navigieren” (Machin & Carrithers 1996, S.352). Die “landmarks” werden nach Überlegung von Davis Machin und Michael Carrithers durch ständige kommunikative Prozesse im sozialen Bewußtsein gehalten.

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  15. Die Reichweite des Konzepts ist aber begrenzt. Vermutlich eignet es sich ausschließlich für die Aneignung von Fernsehsendungen in unterschiedlichen Lebensgemeinschaften. In dieser Beschränktheit mag aber eine der Stärken der Überlegungen liegen, nämlich einer differenzierten Reflexion eines kulturellen Phänomens.

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  16. Dies macht auch Ulrich Schmitz in seinem Aufsatz “ZAP und Sinn” deutlich. Nach seinen Überlegungen hat sich die heutige, alltägliche Lektüre, verglichen mit “früheren” Formen der Lektüre, grundlegend verändert, eine Entwicklung, die er mit folgender Sentenz charakterisiert: “weniger Entzifferung von ‘ganzen’ Texten, mehr Zusammenstückelung von Fragmenten, mehr Dezentration statt Konzentration” (Schmitz 1996, S.11). Im Kontext einer solchen fragmentarischen Lektüre kommt der Kategorie des Genres auf Rezipientenseite ein geringerer Stellenwert zu als bei ganzheitlicher Lektüre.

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  17. Lawrence Grossberg knüpft hier an Stuart Halls Begriff der Artikulation an. Nach Hall hat ‘articulation’ zwei Bedeutungsebenen, die bei seinem Gebrauch des Ausdrucks stets mitklingen. Zum einen bedeutet ‘articulate’ so viel wie äußern, aussprechen. Zum anderen heißt ‘articulate’ aber auch in einer Weise verbunden-sein, weil beispielsweise eine Zugmaschine mit einem Anhänger zu der Gesamtheit eines Trucks verbunden ist. In diesem Sinne ist eine “articulation [...] the form of the connection that can make a unity of two different elements, under certain conditions” (Hall 1986, S.141).

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  18. Dabei ist Radway sich durchaus bewußt, daß der Ansatzpunkt der ‘leisure world” selbst wieder dem Ausgerenzen eines anderen Wirklichkeitsbereichs verbunden ist, nämlich dem der Arbeit (vgl. Radway 1988, S.368f). Ein Ansetzen bei der “leisure world” einzelner “nomadic subjects” hält sie aber aus dem Grund für angemessen, wie diese für viele Individuen und Gruppen zum primären Bezugspunkt für ihr Leben geworden ist. Zum Stellenwert der “Privatwelt” des einzelnen vgl. auch Benjamin 1982, S.52.

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  19. Innerhalb der einzelnen leisure worlds” kommt im westlichen Kulturraum der Familie bzw. Lebensgemeinschaft eine wichtige Bedeutung zu, nicht nur weil Erwachsene weite Teile ihrer Freizeit in ihr verbringen, sondern auch weil die Lebensgemeinschaft der Bereich ist, wo ausgehandelt wird, was als Freizeit, Vergnügen, Spiel und Kreativität zu gelten hat (vgl. Radway 1988, S.370). Daneben gibt es weitere Bereiche der “leisure world”, wie Vereine, Freundescliquen usw., in denen ebenfalls Alltagskultur produziert wird.

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  20. In diesem Fall würde das Konzept eines ‘ganzheitlichen Subjekts’ durch die Hintertür wieder Einzug in Radways Überlegungen halten. Hierauf hat Grossberg in seiner Kritik an Radways Darstellungen aufmerksam gemacht (vgl. Grossberg 1988b, S.387f.)

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  21. Vgl. dazu auch die Darlegungen in Kapitel 4.1, die im folgenden aufgegriffen werden.

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  22. Entsprechend wäre es nicht sinnvoll, das Fernsehen als Teil der häuslichen Freizeitwelt zu begreifen. Das Fernsehen ist Teil des Häuslichen in seiner Gesamtheit, und damit auch Teil der häuslichen Arbeitssphäre. Man denke hier nur an die Möglichkeit, das Fernsehen als Hintergrundmedium für Hausarbeit zu nutzen (vgl. auch hier Kapitel 3.1).

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Hepp, A. (1998). Von der Interpretationsgemeinschaft zur häuslichen Welt. In: Fernsehaneignung und Alltagsgespräche. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91650-1_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-91650-1_8

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-13213-6

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