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Das gemeinsame Fernsehen als soziale Veranstaltung

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Fernsehaneignung und Alltagsgespräche
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Zusammenfassung

Das gemeinsame Fernsehen im privaten Kontext zeichnet sich durch einen fixen zeitlichen und räumlichen Rahmen aus und ist in mehr oder weniger stark strukturierte Handlungszusammenhänge eingebettet. Damit läßt es sich als eine soziale Veranstaltung im Sinne von Thomas Luckmann und Angela Keppler begreifen (vgl. Luckmann 1989; Keppler 1994a, S.50–53).1 Charakteristisch ist für die soziale Veranstaltung des gemeinsamen Fernsehens, daß sie mit einer Reihe von Interaktionsprozessen verbunden ist, denen spezifische kommunikative Formen zugrunde liegen. So bedarf das gemeinsame Fernsehen einer kommunikativen Absicherung, d.h. es muß geklärt werden, was man überhaupt sehen möchte, inwieweit Interessen miteinander kollidieren können usw.2 Das gemeinsame Fernsehen ist aber nicht nur mit sprachlichen Handlungen verbunden, die diese soziale Veranstaltung im Vorfeld absichern. Wie im weiteren gezeigt werden wird, ist es selbst ein soziales Ereignis, bei dem die Zuschauer miteinander kommunizieren.

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Anmerkungen

  1. In ähnlichem Sinne läßt sich auch die Videorezeption als soziale Veranstaltung begreifen (vgl. dazu Vogelgesang 1991, S.213). Der Begriff der sozialen Veranstaltung geht auf Erving Goffman zurück, der damit einen sozialen Anlaß bezeichnet, zu dem sich mehrere Personen treffen, um “an etwas teilzunehmen” (vgl. Goffman 1971, S.29).

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  2. Die interaktive Absicherung der Fernsehrezeption spielt vor allem dann eine zentrale Rolle, wenn es um das gemeinsame emotionale Erleben von Fernsehsendungen geht. Vgl. dazu die Analysen in Kap. 6.2.

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  3. Für Bettina Hurreimann ist damit die Diskussion um den Zusammenhang von Fernsehen und Interaktion “abgeschlossen” (Hurreimann 1989, S.87). Ein ähnliche Position vertreten Bettina Hurreimann et al. auch in ihrer jüngsten Untersuchung über den Fernsehgebrauch bzw. die Fernseherziehung in unterschiedlichen Familien (vgl. Hurreimann et al. 1996, S.79).

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  4. Mit dieser Thematik setzt sich Peter Hunziker bereits in dem 1976 erschienenen Aufsatz “Fernsehen und interpersonelle Kommunikation in der Familie” auseinander (vgl. Hunziker 1976). Auch hier kommt Hunziker zu dem Schluß, daß im Kontext der Familie nur die “formalen Aspekte” des Fernsehens thematisiert werden, die inhaltliche Verarbeitung des Gesehenen wird jedoch dem einzelnen überlassen und erfolgt nicht im familiären Gespräch (vgl. zu dieser These auch die Zusammenfassung in Hunziker 1988, S.91f.).

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  5. Methodisch bedient Teichert sich dabei der teilnehmenden Beobachtung, die durch Familienmitglieder halb verdeckt in 52 Familien über 14 Tage hinweg erfolgte.

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  6. Entsprechend sei Hunzikers Position eine problematische Interpretation der zugrundeliegenden Daten. Nach Teichert sind Fragebogenangaben von Zuschauern kein hinreichendes Material, das Aussagen über deren Gesprächsverhalten beim Fernsehen ermöglicht (vgl. Teichert 1977, S.286f.).

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  7. Daneben weisen bereits Beobachtungsstudien aus den 70er Jahren darauf hin, daß das gemeinsame Fernsehen keine schweigende Veranstaltung ist, sondern häufig von Gesprächen begleitet wird (vgl. beispielsweise Bechtel et al. 1972, Lo Sciuto 1972 und Comstock et al. 1978).

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  8. Im Rückblick skizziert David Morley die Studie “Family Television” als eine konzeptionelle Weiterentwicklung seiner Untersuchung zur Rezeption des BBC Nachrichtenmagazins NATIONWIDE (vgl. hierzu Morley 1980a). Ziel war es, diesmal die Aneignung von Fernsehtexten in Gruppen zu untersuchen, in denen auch im Alltag ferngesehen wird, und die Zuschauer nicht — wie bei “Nationwide Audiences” — mit einer Sendung zu konfrontieren, die sie u.U. nicht interessiert (vgl. Morley 1992, S.139–147).

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  9. Materialgrundlage der Studie Morleys sind Tiefeninterviews bzw. Gruppendiskussionen mit den Mitgliedern von 18 Familien. Die Daten wurden im Frühjahr 1985 in Süd-London erhoben, wobei Morley darauf geachtet hat, daß es sich um ein relativ homogenes Sample handelt. So sind alle Familien dem unteren weißen Mittelstand zuzurechnen und sind mit mindestens einem Fernsehgerät und Videorecorder ausgestattet.

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  10. Anders die befragten Männer, die es zumeist vorziehen, schweigend fernzusehen. Daß diese unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Rezeptionsstile beim gemeinsamen Fernsehen ein Konfliktstoff sein können, liegt auf der Hand. So berichten etliche Männer in den Gruppendiskussionen, daß sie sich durch die Gespräche ihrer Frauen und Töchter beim Fernsehkonsum gestört fühlen. Andererseits können es die Frauen nicht verstehen, daß die Männer ‘nur’ fernsehen. Der unterschiedliche Rezeptionsstil der Frauen ist nach David Morley aber nicht in dem Sinne zu interpretieren, daß Frauen nicht den Wunsch hätten, die Sendungen, die sie interessieren, konzentriert anzusehen, sondern daß es ihre soziale Position in der Familie unmöglich macht, die von ihnen favorisierten Sendungen zusammen mit anderen Familienmitgliedern anzusehen (vgl. Morley 1986, S. 159–162). Die Gespräche der Frauen beim Fernsehen wären dann als Zeichen ihres Desinteresses an den von ihrem Mann präferierten Sendungen zu werten. Die unterschiedlichen Rezeptionsstile sind also nicht einfach ein Merkmal des Geschlechts an sich, sondern eher Kennzeichen für die unterschiedlichen geschlechtsabhängigen Positionen in den Einzelfamilien. Im Rückblick ist sich David Morley sowohl der Überbewertung geschlechtsspezifischer Aspekte bewußt als auch der generellen Grenzen seiner Studie: “In particular, I am aware that, having earlier argued for the importance of taking the family as the unit of consumption of television (rather than individuals in isolation), there is a tendency in the interviews to slide back towards a kind of parallel analysis of ‘gendered individuals’ rather than conducting a fully fledged analysis of the dynamics of the family unit” (Morley 1992, S.159). Kritische Anmerkungen zu der verbreiteten Tendenz, das Geschlecht als Faktor der Aneignung überzubewerten, finden sich bei Ang& Hermes 1991.

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  11. Vgl. besipielsweise Bausinger 1983; Morley 1986; Fiske 1987a; Barrios 1988; Behl 1988; Lindlof et al. 1988; Lull 1988a; Lull 1988b; Rogge & Jensen 1988; Morley 1992; Mikos 1994a; Mikos 1994b und Silverstone 1994.

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  12. Den Kino-Rahmen skizziert Rainer Winter wie folgt: “Der verdunkelte Raum, die Isolation des einzelnen in einer anonymen Masse, die meist nicht mehr gemeinsam hat als das Interesse für den Film, und (zumindest früher) die quasi-religiöse Dimension des Erlebens in den großen Filmpalästen, den ‘Kathedralen des Lichts’, bringen den Zuschauer in einen prä-hypnotischen Zustand. [...] Im Kino-Rahmen werden stärker als z.B. im Theater die in unserer Kultur dominierenden Sinneswahrnehmungen des Sehens und Zuhörens intensiviert. Auf diese Weise erzeugen Kinofilme eine große emotionale Intensität beim Zuschauer.” (Winter 1992, S.60) Zur Rahmenanalyse der Medienkultur vgl. Willems 1997, S. 142–144.

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  13. In England sind nur noch 13.8% der Lebensgemeinschaften Kernfamilien im klassischen Sinne des Wortes (vgl. Morley 1992, S.163), auch in Deutschland waren im Jahr 1993 nur ca. 37% der Lebensgemeinschaften Verheiratete mit Kindern (vgl. Statistisches Bundesamt 1994, S.509), wobei selbst solche Familien häufig nicht dem Bild der klassischen Kernfamilie entsprechen, da ein zunehmender Anteil der Frauen erwerbstätig ist.

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  14. Andere, fest mit dem Fernsehen verbundene Technologien wären der Videotext. Auch der Heim- bzw. Multimedia-Computer und Spielkonsolen entwickeln sich dahingehend, daß sie mehr und mehr mit dem Fernsehen verschmelzen. Auch die zunehmende Verbreitung von Videokameras trägt dazu bei, daß das gemeinsame Erinnern von Familienfesten ein Handeln wird, das sich um das Medium Fernsehen konstituiert. Zwar sind all diese Technologien noch nicht so verbreitet wie der Videorecorder, in den Haushalten aber, wo sie vorhanden sind, können sie nur schwer losgelöst vom Umgang mit dem Fernsehen betrachtet werden.

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  15. Aus diesem Grund bezeichnet Siegfried Zielinski den Videorecorder als “audiovisuelle Zeitmaschine”, die den kontinuierlichen Fluß des Fernsehens unterbricht. Bei der Rezeption via Videorecorder zähle weniger das Serielle des Fernsehens, sondern das singulare, herausisolierte Ereignis (vgl. Zielinski 1986; Zielinski 1994, S.236). Zur “Geschichte des Videorecorders” vgl. auch Preikschat 1987.

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  16. Zum Stellenwert des Re-Readings’ innerhalb von Science Fiction-Fangemeinschaften vgl. Jenkins 1992, S.67–75. Nach seinen Untersuchungen ist das Re-Reading eine zentrale kulturelle Praktik innerhalb von Fangemeinschaften, die unterschiedliche Formen des Vergnügens an den Medientexten eröffnet.

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  17. Daneben ist es durch die Aufnahme von Sendungen in stärkerem Maße möglich, den gesamten Rezeptionsvorgang zu beeinflussen, als dies beim ‘regulären’ Fernsehen mit Hilfe der Fernbedienung schon machbar ist. Beispielsweise kann man beim Sehen aufgenommener Fernsehsendungen Werbeblöcke umgehen oder bei als langweilig empfundenen Passagen weiterspulen. Der Zuschauer kann durch den Videorecorder nicht nur den Zeitpunkt, sondern auch die Geschwindigkeit des Rezeptionsprozesses kontrollieren. Schließlich bietet der Videorecorder die Möglichkeit, Filme und andere Sendungen materiell zu besitzen. Es können eigene Videobibliotheken aufgebaut und Medientexte so zum Statusobjekt werden. Daß das ‘Sammeln’ von Videos ein wichtiges Distinktionsmittel innerhalb von Fangemeinschaften ist, hat Rainer Winter am Beispiel von Horrorfans gezeigt (vgl. Winter 1995, S.189f.). Aber auch in alltäglichen Kontexten spielt die Distinktion durch den Besitz von Sendungen eine Rolle, worauf James Lull hinweist (vgl. Lull 1990, S.171).

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  18. Bereits im Jahr 1988 waren in Deutschland 26,2 % aller Haushalte mit einem solchen Gerät ausgestattet.

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  19. Günther Anders skizziert das gemeinsame Fernsehen als eine Situation des Schweigens, wenn er schreibt: “Während der Tisch die Familie zentripetal gemacht und die um ihn Sitzenden dazu angehalten hatte, die Weberschiffchen der Interessen, der Blicke, der Gespräche hin und her spielen zu lassen und am Tuche der Familie weiterzuweben, richtet der Bildschirm die Familie zentrifugal aus. Tatsächlich sitzen ja die Familienmitglieder nun nicht einander gegenüber, die Stuhlanordnung vor dem Schirm ist bloße Juxtaposition, die Möglichkeit, einander zu sehen, einander anzusehen, besteht nur noch aus Versehen; die, miteinander zu sprechen (wenn man das überhaupt noch will und kann), nur noch durch Zufall.” (Anders 1980, S.106)

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  20. Das Fernsehen hat aber nicht nur im obigen Sinne die räumliche Struktur des privaten Umfelds beeinflußt, umgekehrt wird der Umgang der Zuschauer mit dem Fernsehen selbst durch den zur Verfügung stehenden häuslichen Raum bedingt. In Haushalten mit viel Raum (und u.U. mehreren Fernsehgeräten) kann das Fernsehen problemlos eine abgeschiedene Tätigkeit sein, zu der sich ein oder mehrere Mitglieder des Haushalts zurückziehen. Anders ist dies bei Haushalten mit wenig Raum, wo der Fernseher in einem Zimmer steht, das von mehreren Angehörigen des Haushalts genutzt wird. Vgl. zu diesem Aspekt Lulls Zusammenfassung der Ergebnisse der einzelnen Länderstudien in Lull 1988b, S.243f.

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  21. Eine ähnliche Orientierung des Tagesablaufs am Fernsehen ist bei der zeitlichen Strukturierung der Arbeit von amerikanischen Hausfrauen während des Tages zu beobachten. Wenn in Haushalten der zeitliche Tagesablauf so auf die Programmstruktur des Fernsehens ausgerichtet wird, findet eine gewisse Synchronisation beider Zeitstrukturen statt. Sendezeit und häusliche Zeit verschmelzen miteinander, und das Fernsehen trägt mit zu der Konstitution des häuslichen Rahmens bei (vgl. Silverstone 1994, S.24).

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  22. So hat auch Hans-Georg Soeffner darauf aufmerksam gemacht, daß die vom Interpreten im Material als “fixiert” vorgefundenen Rahmen im Sinne Goffmans von den Beteiligten erst im Interaktionsprozeß konstituiert werden müssen (vgl. Soeffner 1989, S.145).

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  23. Hermann Bausinger nimmt hier auf die “Krisenexperimente” Harold Garfinkels Bezug, anhand derer Garfinkel deutlich macht, in welch hohem Maße das alltägliche Handeln auf Nicht-Hinterfragtem beruht und einen impliziten gemeinsamen Bezugsrahmen voraussetzt (vgl. hierzu Garfinkel 1967, insbes. S.35–75).

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  24. In diesem Zusammenhang spricht Peter Spangenberg von einer “weichen Kopplung”, die für die Beziehung des Zuschauers zum Fernsehen charakteristisch ist (vgl. Spangenberg 1988, S.789). Hiermit bezeichnet Spangenberg den Aspekt, daß der Zuschauer beim Fernsehen stets die “Kopplung zum Medium” unterbrechen kann und es ihm überlassen bleibt, wie intensiv er sich auf das Geschehen im Fernseher einläßt.

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  25. Vor diesem Hintergrund sind die Anmerkungen von James Lull zu David Morleys Studie “Family Television” von Interesse (vgl. Lull 1990, S. 164–167; vgl. zu diesem Aspekt auch Lindlof et al. 1988, S.177f.). Lull interpretiert den von Morley geschilderten Sachverhalt, daß viele Männer es vorziehen, schweigend fernzusehen, dahingehend, daß dies nichts damit zu tun habe, daß die Männer aufmerksamer oder involvierter als ihre Frauen das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgen würden. Nach Meinung von Lull verweist dies eher darauf, daß die Männer eine andere “Form von Arbeit” verrichten als ihre Ehefrauen, die neben dem Fernsehen ihre Hausarbeiten machen. Während die Männer fernsehen, denken sie über ihren Arbeitstag nach, entwickeln Pläne für weiteres Handeln oder signalisieren ihren Kindern bzw. ihrer Frau durch das gemeinsame Beisammensein eine emotionale Verbundenheit. All dies wäre nach James Lull ebenfalls als eine Form der “häuslichen Arbeit” zu werten, bei der das Fernsehen in gewissem Sinne als Hintergrundmedium fungiert.

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  26. Mit dem Begriff der Modulation faßt Erving Goffman den Vorgang, durch den eine bestimmte Tätigkeit, die bereits in bezug auf einen primären Rahmen sinnvoll ist, in etwas transformiert wird, das dieser Tätigkeit nachgebildet ist, von den Beteiligten aber als etwas ganz anderes angesehen wird (vgl. Goffman 1977, S.55f.).

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  27. Ein ähnliches Konzept vertritt auch Ben Bachmair, wenn er schreibt: “Für die Beziehung Mensch/Fernsehen bedeutet die Alltäglichkeit des Fernsehens (als Sendung und als Rezeption), daß sich zwei sehr verschiedene Kommunikationsstrukturen ‘ineinandergehakt’ haben. Dieses Ineinanderhaken geschieht im wesentlichen in der Rezeptionssituation [...]. Speziell in der Rezeptionssituation treffen die technologische Kommunikationsstruktur des Informationstransportes mit dem symbolisch vermittelten interaktiven Handeln und Erleben der Menschen zusammen.” (Bachmair 1990a, S.64)

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  28. Hierauf weist auch Lisa Matthewson hin. Sie betont, daß das aktive Fernsehen Unterhaltungen nicht ausschließt. Ihre Untersuchung zum Gesprächsverhalten beim gemeinsamen Fernsehen ergab, daß die von ihr beobachteten Zuschauer mindestens die Hälfte der vor dem Fernseher verbrachten Zeit miteinander gesprochen haben (vgl. Matthewson 1992, S.29).

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  29. Es ist sinnwidrig, hier in Anlehnung an Karl Bühler von “Sprachinseln” zu sprechen, was nicht zuletzt an Bühlers Begriff der ‘Sprachinsel’ deutlich wird: “Sprachinseln tauchen im Meere des schweigsamen, aber eindeutigen Verkehrs auf, wo eine Differenzierung, eine Diakrise, eine Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten getroffen werden soll und bequem durch ein eingestreutes Wort getroffen werden kann” (Bühler 1982, S.156; Herv. Bühler). Karl Bühler hat dabei Situationen im Auge, wie den Fahrkartenkauf in der Straßenbahn oder die Getränkebestellung im Café. Solche Situationen haben mit der sozialen Veranstaltung des gemeinsamen Fernsehens zwar gemeinsam, daß die Äußerungen im Kontext von Tätigkeitszusammenhängen erfolgen. Eine erhebliche Differenz zu dem von Karl Bühler beschriebenen Phänomen besteht aber darin, daß Gesprächsepisoden beim gemeinsamen Fernsehen nicht damit verbunden sind, daß “eine Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten” des sozialen Handelns getroffen werden muß. Gesprächsepisoden beim Fernsehen können eine Vielzahl anderer Funktionen erfüllen.

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  30. Vgl. dazu die ausführlichen Darstellungen in Kap. 9.

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  31. Äußerungen, die die Zuschauer machen, sind fett hervorgehoben, Äußerungen auf der Ebene des Fernsehtextes bzw. Angaben zum Bild und Ton sind normal gesetzt. In der Zeile Kom werden Angaben zu Pausen, Schweigephasen und zum Kontext des Gespräches gemacht. Ansonsten ist das Transkript wie eine Partitur zu lesen, d.h. alles, was innerhalb einer Klammer übereinander steht, findet gleichzeitig statt. Die in den einzelnen Beispielen verwendeten Transkriptionssymbole sind im Anhang wiedergegeben. Namen, die fett gesetzt sind, beziehen sich auf Personen unterschiedlicher Zuschauergruppen. Bei den Namen handelt es sich durchweg um Pseudonyme.

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  32. Eine solche Lücke liegt dann vor, wenn an einem Transition Relevance Place der Sprecherwechsel erst nach einem längeren Zögern erfolgt. Bei einem Transition Relevance Place handelt es sich um eine Stelle innerhalb eines Gesprächs, an der ein Sprecherwechsel konventionell möglich bzw. üblich ist. Beispiele für solche Stellen sind (auf den europäischen bzw. amerikanischen Kulturraum bezogen) das Abschließen einer syntaktisch-semantischen Einheit, das Senken bzw. Leiserwerden der Stimme o.a. Vgl. hierzu Sacks et al. 1978, insbes. S. 12–14.

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  33. In Anlehnung an die Überlegungen Karl Bühlers (vgl. Bühler 1982, S.156f.) unterscheiden Helmut Henne und Helmut Rehbock empraktische und apraktischeGespräche. Unter die Kategorie “empraktisches Gespräch” fassen sie all diejenigen Gespräche, die in außersprachliche Handlungen eingebunden sind und von daher ihren Sinn beziehen. Beispiele hierfür wären Arbeitsgespräche, aber auch das Gespräch bei der sozialen Veranstaltung des gemeinsamen Fernsehens kann als ein empraktisches Gespräch bezeichnet werden, solange die Situation primär durch das gemeinsame Fernsehen gerahmt ist. Als “apraktisch” bezeichnen Henne und Rehbock Gespräche, die entlastet sind von gesprächsbegleitenden Handlungen, wo also die Situation primär durch das Gespräch definiert wird. Zu Gesprächen in Tätigkeitszusammenhängen vgl. auch Fiehler 1980 und Brünner 1987.

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  34. Gewöhnlich ist eine solche initiierende Äußerung für den weiteren Gesprächsverlauf stark verpflichtend, indem an sie “per Konvention bestimmte Reaktionsmöglichkeiten gebunden” (Brinker & Sager 1989, S.79) sind. So muß in apraktischen Unterhaltungen auf eine Themenini-tiierung — zumal in Form einer Frage — gemeinhin eine Bestätigung des Themas oder zumindest ein teilresponsiver Themenwechsel erfolgen. Jemanden einfach mit seiner Äußerung ‘im Regen stehen zu lassen’ würde als hochgradig unhöflich gelten und könnte als Imageangriff zu einem Konflikt auf der Beziehungsebene fuhren (vgl. Holly 1979, S.51f.).

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  35. Ulrich Püschel hat aber in seiner Untersuchung zur “Rundenstruktur” von Gesprächen beim Fernsehen darauf aufmerksam gemacht, daß die einzelnen Gesprächsepisoden zumeist ordentlich abgeschlossen werden (vgl. Püschel 1996).

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  36. Es ist aber nicht möglich, im Umkehrschluß Schweigen mit Involviert-Sein und verbale Aktivität mit Distanziert-Sein gleichzusetzen. Gerade bei einem involvierten Aneignungsstil können kurze, selbstgesprächshafte Äußerungen auftreten, die quasi isoliert im Raum stehen (vgl. Hepp 1996b, S.10–17).

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  37. Vgl. hierzu auch Matthewson 1992, S.27f., die herausgearbeitet hat, daß während Werbeblöcken das Gespräch ‘flüssiger’ läuft und weniger Pausen und Stockungen auftreten. Daß Momente des Fernsehgeschehens, die die Zuschauer weniger interessieren bzw. in Bann ziehen, häufig damit einhergehen, daß die Zuschauer miteinander sprechen, habe ich in “Sprechen bei der Fernsehrezeption” (Hepp 1994, S.49–55) gezeigt.

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  38. Drei der vier Zuschauerinnen — Anke, Efi und Michaela — sind Sozialarbeiterinnen, die teilnehmende Beobachterin Susanne ist Studentin.

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  39. Unter Response Cries sind Ausrufe zu verstehen, die auf ritualisierte Weise eine gewisse Anteilnahme an einem Ereignis oder Geschehen ausdrücken. Typische Situationen, bei denen in der Öffentlichkeit Response Cries geäußert werden, sind Momente, in denen jemandem ein Mißgeschick passiert, er beispielsweise auf der Straße ausrutscht. Durch den Response Cry signalisiert der Betreffende, daß er sich seines Mißgeschicks bewußt ist und die Lage wieder unter Kontrolle hat.

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  40. Jörg Bergmann faßt diese Überlegungen Goffmans zu Response Cries wie folgt zusammen: “Ausrufe dieser Art sind die ritualisierten Formen der Reaktion auf besondere situative Umstände, die einem Individuum die Möglichkeit geben, seine momentanen Gedanken und Gefühle lautlich kundzutun” (Bergmann 1991, S.315f.).

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  41. Arndts distanzierte Rezeptionshaltung wird auch an seiner Äußerung ’s is gemein • mit dem gegenlicht (B10f.) deutlich, mit der er sich über die Filmfigur Nino Monti lustig macht: Als Nino Monti Anna Brigatti auf dem Treppenabsatz bemerkt hat, schaut er zu ihr auf und wird von dem Sonnenlicht geblendet, das durch ein Fenster hinter Anna Brigatti fällt. Mit seiner Äußerung macht Arndt also deutlich, warum die betreffende Filmszene in seinen Augen eine ‘gruselige Erlebnisqualität’ hat, die das emotionale Erleben von Keith erklären kann.

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  42. Reinhard Fiehler spricht in diesem Zusammenhang von “emotionsregulierenden Äußerungen” (Fiehler 1994, S.179).

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  43. Zur Rezeption des Konzepts der para-sozialen Interaktion vgl. die kommentierte Bibliographie von Klemens Hippel (Hippel 1992; Hippel 1993). Hippel selbst schlägt vor, die Überlegungen von Horton & Wohl in einem spieltheoretischen Rahmen weiterzuentwickeln. Ausführlich wird das Konzept der para-sozialen Interaktion in dem von Peter Vorderer herausgegebenen Sammelband “Fernsehen als ‘Beziehungskiste’” (1996) diskutiert.

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  44. Horton und Wohl führen den Begriff der para-sozialen Interaktion wie folgt ein: “The more the performer seems to adjust his performance to the supposed response of the audience, the more the audience tends to make the response anticipated. This simulacrum of conversational give and take may be called para-social interaction” (Horton & Wohl 1956, S.215; Herv. Horton & Wohl)

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  45. Vgl. dazu auch die Argumentation von Angela Keppler in Keppler 1994 und Keppler 1996.

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  46. Der Fluchtpunkt bei Will Teicherts Überlegung ist jedoch nicht das para-interaktive Handeln durch spezifische, an einen Medienakteur adressierte Äußerungen eines Zuschauers, sondern die Möglichkeit, durch eine “para-soziale Beziehung” zum Medium auf kognitiver Ebene Verhaltensmuster zu lernen und spielerisch auszuprobieren. Bei der Fernsehrezeption hat der Zuschauer die Gelegenheit, so Will Teichert, “qua ‘role-taking’ bzw. ‘role-making’, Rollen zu lernen, d.h. das Verhalten von Menschen von verschiedenen sozialen Perspektiven aus zu beurteilen” (Teichert 1973, S.379).

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  47. Daß para-interaktive Äußerungen beim gemeinsamen Fernsehen mitunter sehr komplexe kommunikative Funktionen erfüllen können, betont auch Lisa Matthewson, wenn sie schreibt: “The function of the ‘with’-utterances appears to be to provide the hearers with information on the speaker’s opinion of what the characters might say or think, and to do it in an amusing, entertaining manner.” (Matthewson 1992, S.23)

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  48. Im weiteren orientiert sich der zugrundeliegende Begriff des ‘Themas’ an den Darlegungen Gerd Fritz’ (vgl. Fritz 1982). Wie Fritz herausgearbeitet hat, sind einzelne Themen im Gespräch — ähnlich wie auch Handlungen in Handlungssequenzen — konventionell aufeinander bezogen. Fritz nennt diese Relationen “thematische Zusammenhänge” (Fritz 1982, S.214), bei denen einzelne thematische Aspekte mit einer ‘indem-Relation’ verbunden sind. In seinen Analysen zeigt Fritz, daß das Kriterium dafür, was zu einem Thema gezählt wird und was nicht, unmittelbar vom Verständnis der Thema-Formulierung und von der Sichtweise der Beteiligten abhängt (vgl. Fritz 1982, S.223).

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  49. Erickson unterscheidet drei Formen von thematischen Ressourcen in Gesprächen: (a) immediately local resources, nämlich Gegenstände im direkten Wahrnehmungsfeld der Interaktanten; (b) local resources once removed, d.h. solche Ressourcen, bei denen es sich um kollektive frühere Erlebnisse der Interaktionspartner handelt; und (c) nonlocal topical resources, worunter er die Ressourcen faßt, die sich, ausgehend von dem Wissen der Interaktanten als Gesprächsthema anbieten (vgl. Erickson 1982, S.48). In dieser Begrifflichkeit wäre der Fernsehtext als eine immediately local resource zu bezeichnen.

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  50. Der Fernseh text ist hier also mehr als ein Objekt, das vermittelt durch die “lokale Sensitivität” apraktischer Unterhaltungen thematisiert wird. Mit dem Terminus “lokale Sensitivität” bezeichnet Jörg Bergmann das Prinzip, daß in apraktischen Unterhaltungen die lokalen Gegebenheiten als Potential zugelassen sind, das die Interaktanten thematisieren können, um “die ins Stottern geratene Gesprächsmaschine”‘ (Bergmann 1988, S.303) wieder in Gang zu bringen.

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  51. Susanne konfrontiert hier scherzhaft die Serienwirklichkeit mit ihrer sozialen Rahmung als einer inszenierten Wirklichkeit.

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  52. Hier liegt eine gewisse Parallele zu Tischgesprächen vor. Für die Themenentfaltung bei ihnen ist kennzeichnend, daß der Eßtisch eine “immediately local production resource for item-generation” (Erickson 1982, S.62) bildet, die Vorrang vor anderen Ressourcen hat (vgl. insbes. die Fig. 2 bei Erickson 1982, S.59).

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  53. In seinem Relevanz-Manuskript faßt Schütz diesen Aspekt wie folgt: “thematische Relevanzen werden durch jede Veränderung oder Modifikation geschaffen, die uns nötigen, die Idealisierungen des ‘und so weiter’ und des ‘immer weiter’, welche ja unserer ganzen Erfahrung zugrunde liegen, zu unterbrechen.” (Schütz 1982, S.58f.)

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  54. Schütz bezeichnet dies als “Auslegungs-” oder “Interpretationsrelevanz” (vgl. Schütz 1982, S.67–77; Schütz & Luckmann 1979, S.241–253).

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  55. Auf diesen Aspekt hat auch Lothar Mikos hingewiesen. Wie er betont, ist bereits das Anschalten des Fernsehers bzw. die Auswahl und Zuwendung zu bestimmten Sendungen durch die alltäglichen Relevanzstrukturen bestimmt (vgl. Mikos 1994a, S.42–45).

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Hepp, A. (1998). Das gemeinsame Fernsehen als soziale Veranstaltung. In: Fernsehaneignung und Alltagsgespräche. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91650-1_4

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