Zusammenfassung
Dieses Zitat entnehmen wir einem Interview mit einem Israeli, der als 16jähriger im Rahmen der Jugendalija 1937 aus Deutschland nach Palästina emigrieren konnte, dessen Eltern jedoch die rechtzeitige Ausreise aus Deutschland nicht mehr gelang; sie wurden von den Nazis oder ihren Helfern ermordet. Herr Jarkonil bringt in diesem kurzen Abschnitt die wohl bedeutsamste lebensgeschichtliche Konstellation seiner Generationseinheit zum Ausdruck: In Palästina fanden die Jugendlichen Schutz und auch Anerkennung, gleichzeitig standen sie unter starkem Anpassungsdruck, der u.a. die Verleugnung ihrer deutschen Sozialisation und ihrer Bindung an Deutschland erforderte. Der schwere Anfang im neuen Land stand jedoch auch ganz im Schatten der Nachrichten, die sie nach ihrer Migration aus Europa erreichten. Sie hörten von der Verfolgung und später von der Ermordung ihrer Familienangehörigen, ihrer Eltern, Großeltern, Geschwister, anderer naher Verwandter und Freunde. Die mit dieser Ausgangskonstellation verbundene weitere lebensgeschichtliche Dynamik bestimmt nicht nur diese Generation, sondern auch die Dynamik in ihren Familien sowie die Biographien ihrer Kinder und auch ihrer Enkel. Zentrales Thema dabei ist in jeder Generation die eigene Haltung zu Israel und zu Deutschland.
Wir waren ungefähr 200 (Jugendliche, d. V) und man hat uns geteilt in fünf verschiedene Kibbuzim, das war August 1937 kamen wir an. Ein halbes Jahr hab ich nicht gesprochen, im Kibbuz K. sprachen die mit uns nur Hebräisch. Nach einem halben Jahr ein guter Freund von mir sagte einen Fluch auf deutsch. Sag ich: „Was, Du kannst Deutsch?“ Er meinte: „Heute kannst Du es schon wissen“. Das war schwer. Aber schwerer waren die Nachrichten aus Deutschland… wir hatten mehr Angst, wir hörten mehr als die Eltern in Deutschland. Wir haben immer gesagt, kommt, kommt, kommt.
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Rosenthal, G., Völter, B., Gilad, N. (1999). Folgen der Zwangsemigration über drei Generationen Israelische Familien mit Großeltern aus Deutschland. In: Apitzsch, U. (eds) Migration und Traditionsbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91622-8_4
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