Zusammenfassung
Individuelle Entscheidungen werden von jedem Individuum für sich selbst getroffen (ungeachtet der Frage, ob es „innengeleitet“ oder „außengeleitet“ entscheidet). Gruppenentscheidungen dagegen bedeuten, daß Entscheidungen von einer „konkreten“ Gruppe, also einer physisch versammelten Mehrzahl von Individuen getroffen werden, von denen man daher sagen kann, daß sie sich an den Entscheidungen beteiligen oder an ihnen teilhaben. Kollektive Entscheidungen lassen sich dagegen nicht so einfach und präzise definieren; gewöhnlich versteht man darunter Entscheidungen, die von einer „Vielzahl“ getroffen werden. Außerdem gibt es noch kollektivierte Entscheidungen. Kollektive und kollektivierte Entscheidungen haben gemeinsam, daß sie nicht sinnvollerweise als individuelle Entscheidungen aufgefaßt werden können. Aber kollektivierte Entscheidungen unterscheiden sich grundlegend von allen anderen Typen. Individuelle Entscheidungen, Gruppenentscheidungen und kollektive Entscheidungen beziehen sich alle auf die Akteure, welche die Entscheidung tatsächlich treffen. Kollektivierte Entscheidungen dagegen sind solche, die ein Kollektiv betreffen oder ihm aufgezwungen werden, — unabhängig davon, ob sie tatsächlich von einzelnen, von wenigen oder von vielen getroffen worden sind. Das entscheidende Merkmal ist hier nicht länger, wer die Entscheidung trifft, sondern ihre Reichweite: Wer auch immer entscheidet, entscheidet für alle.
Der folgende Beitrag des italienisch-amerikanischen Politikwissenschaftlers Giovanni Sartori ist die Übersetzung einer Zusammenfassung spiel- und entscheidungstheoretischer Argumente des Verfassers über den Gegensatz von Mehrheitsentscheidungen und Entscheidungen von „Gremien“ („committees“). Die Übersetzung stützt sich auf den Text, der in der Zeitschrift Government and Opposition 10 (1975) S. 131–158 erschienen ist. Die Fußnoten sind gekürzt. Eine ausführlichere italienische Fassung der Argumentation findet sich in Revista Italiana di Scienza Politica 1 (1974), S. 5–42.
D. Hrsg.
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Anmerkungen
Um mich nicht dem Vorwurf der Übervereinfachung von komplexen Sachverhalten auszusetzen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, verweise ich auf G. Sartori, „What ist Politics?“, Political Theory Feb. 1973, S. 5–26.
Die Unterscheidung von „Entscheidungskosten“ und „externen Kosten” spielt eine wichtige Rolle in J. Buchanan und G. Tullock, The Calculus of Consent, 1965. Obwohl ich dieser wichtigen Arbeit viel verdanke, stütze ich mich auf abweichende Prämissen.
Ich sage hier nicht mehr „verschiedene“, sondern „konträre” Präferenzen, weil die Mehrheitsregel eine Bandbreite oder ein Spektrum von Alternativen in eine Ja-NeinStruktur verkürzt. Sie ist damit ein Instrument der Konfliktregelung, das nicht konfliktminimierend wirkt.
Meine Unterscheidung bezieht sich lediglich auf die Extrempunkte der Größen-Skala. Eine „Mikro-Demokratie“ kann sich nicht auf Größenordnungen oberhalb der polis, einer kleinen Stadt, erstrecken. Umgekehrt meine ich mit „Makro-Demokratie” die zentralstaatliche Ebene unserer territorial großräumigen nationalen Gesellschaften. Ich würde Dahl und Tufte zustimmen, daß es in den meisten anderen Hinsichten schwierig ist, klare Beziehungen zwischen Größe und Demokratie zu behaupten (vgl. dies., Size and Democracy, Stanford University Press 1973 ).
So C. E. Lindblom, The Intelligence of Democracy: Decision Making Through Mutual Adjustment, 1965.
Vgl. A. Etzioni, Demonstration Democracy, 1970.
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Sartori, G. (1984). Selbstzerstörung der Demokratie?. In: Guggenberger, B., Offe, C. (eds) An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91542-9_6
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Print ISBN: 978-3-531-11651-8
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