Klassengesellschaft ohne Klassen

Zusammenfassung

In diesem Aufsatz möchte ich eine empirische Untersuchung des neueren sozialen Strukturwandels (Vester u.a. 1993) zum Anlaß nehmen, mich zugleich mit verschiedenen gängigen Theorien und Methodologien der Sozialstrukturanalyse auseinanderzusetzen. Gegenstand war zunächst eine Neuformation der Sozialstruktur: die sog. „neuen sozialen Milieus“. Der weitere Fortgang führte uns zu einer allgemeineren, schließlich auch repräsentativen Untersuchung, in der ein an Pierre Bourdieu orientierter Mehr-Ebenen-Ansatz der Sozialstrukturanalyse erprobt wurde. Die Theorie Bourdieus wurde dabei nicht, wie dies eine selektive Rezeption seiner Schriften will, als ökonomischer Determinismus im Sinne der alten Klassentheorien interpretiert, sondern als eine Unternehmung, „die herkömmliche Vorstellung von ‘Klasse’ außer Kraft zu setzen“ (Bourdieu 1997: 31). Dieses „relationale“ Paradigma, das die komplexen Ebenen und Dimensionen des sozialen Raums in ihren dialektischen, eben nicht deterministischen Beziehungen zueinander erfaßt, versuche ich, im Zusammenhang mit der Darstellung der empirischen Untersuchung, auch theoretisch und methodologisch zu diskutieren. Dabei möchte ich den aktuellen Thesen einer „Auflösung“ der industriellen Klassengesellschaft mit der Gegenthese begegnen, daß die industrielle Klassengesellschaft ohnehin nur ein historischer Sonderfall war.

„Class struggle preceeds class.“

(E.P. Thompson)