Zusammenfassung
Die Zunahme der Zeit-/Leiharbeit wird in der öffentlichen wie der sozialwissenschaftlichen Diskussion häufig als Ausdruck und Teil einer allgemeinen Tendenz der Deregulierungl und Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen gedeutet. Von Vertretern einer neoklassischen Wirtschaftstheorie wird diese Entwicklung zumeist befürwortet. (Walter/Soltwedel 1984) Arbeits- und sozialrechtliche Schutzbestimmungen, wie sie für das Normalarbeitsverhältnis in der Bundesrepublik gelten, führen aus dieser Sicht, u.a. durch die Erhöhung von Mobilitätskosten, dazu, daß Anpassungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt behindert und das Marktgeschehen gestört werde. Deregulierung und damit auch die Zeitarbeit trägt demgegenüber dazu bei, die Flexibilität und Mobilität auf den Arbeitsmärkten zu verbessern.
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Literatur
Unter Deregulierung wird allgemein die Aufhebung von (stentlichen oder vom Staat gebilligten) Beschränkungen des Wettbewerbs bzw. von ‘Handlungs-und Vedtigungsmaglichkeiten’ verstanden. So etwa die von der Bundesregierung eingesetzte Deregulierungskommission (Südd. Zeitung vom 4.4.90). Dies wird zunächst auf unterschiedliche Märkte und Wlrisehaftsaktivitaien bezogen; etwa die Deregulierung des Versicherungs- und Verkehrswesens (Commission 1987 ). Der Begriff wird jedoch auch auf den Arbeitsmarkt und die arbeits-und sozialrechtlichen Schutzbestimmungen für Beschäftigungsverhähnisse bezogen (Feldhoff u.a. 1988). Allgemeiner soll damit eine Veränderung des Regulationsmodus in industriellen Beziehungen angesprochen werden. ( Windoff 1990 )
Vgl. dazu die verschiedenen Beiträge in der Dokumentation einer Arbeitstagung, veranstaltet von der IG Metall und der Hans-Bbckler-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem WSI des DGB am 24./25. März 1988 in Bad Homburg, zum Thema: Menschliche Arbeitszeiten - geschützte Arbeitsverhäkni“ae. Sicherung und Ausbau des Normalarbeitsverhältnisses. ( IG Metall 1988 )
Bericht der Bundesregierung über das AUG (Bundestagsdrucksache 1988) sowie die Stellungnahme des DGB dazu (DGB 1988); s.a. die Zusammenstellung und Diskussion der Argumente aus der DGB-Stellungnahme, der Stellungnahme der BA und des Berichts der Bundesregierung bei Kock (1989); vgL auch Seifert (1989).
Verbieten, nicht regeln“ (Der Gewerkschafter 12/89, 35).
Einen Tarifvertrag zur Leiharbeit gab es nur zwischen der DAG und dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) seit 1970. Dieser Tarifvertrag wurde 1989 von der DAG gekündigt. Nach sieben Monaten Verhandlung scheiterte ein erneuter Abschluß, so der BZA, an Fragen der Arbeitszeitflexibilisierung. Der alte Vertrag wirkt allerdings im gesetzlichen Umfang nach. Vgl. Inform - Mitteilungen des Bundesverband Zeitarbeit, 2/90, S.23. Es ist sicher nicht zufallig, daft es mit der DAG eine Standes-, keine Branchengewerkschaft war, die prinzipielle ordnungspolitische Probleme beim Abschluß eines Tarifvertrags weitgehend ausklammern konnte.
VgL LB. die Stellungnahmen in: Travail Précaire (1981).
VgL dazu u.a. die Broschüre ‘L’intérim“, die von der CFDT 1985 herausgegeben wurde. Sie dient hauptsächlich dazu, Zeitarbeiter über ihre Rechte zu informieren und auf Möglichkeiten der kollektiven Interessenwahrnehmung hinzuweisen. Darin wurde die Hinwendung zu einer pragmatischen Auseinandersetzung mit dem Beschäftigungsverhältnis Zeitarbeit am nachdrücklichsten dokumentiert
VgL Galle (1986).
Vgl. hierzu u.a. Piore (1978); diese Interpretation dürfte neben Frankreich mindestens für Italien Gültigkeit haben. Zum Problem der selektiven Interessenvertretung der französischen Gewerkschaften unter Auswhluß der peripheren Beschäftigten vgl. auch Baudouin (1983, 7); Minc (1987, 197); Rosanvallon (1988).
Die CFDT (Confédération francaise démocratique du travail) vertritt seit Ende der 70er Jahre unter den verschiedenen Richtungsgewerkschaften in Frankreich am ausgeprägtesten eine auf Konfliktlösung durch Verhandlungen, kontraktuelle Regulierung und Modernisierung ausgerichtete Politik. Zu den unterschiedlichen Strategien der französischen Gewerkschaften vgL Jansen u.a. (1986).
Auf nationaler Ebene sind das die großen Gewerkschaften CGT; CFDT; FO; CFTC und CGC. Ihnen wird “Reprilsentativitât” aufgrund bestimmter Kriterien (Mitgliederzahl, Stimmanteile bei den Wahlen zu den betrieblichen Vertretungsorganen) durch das Gesetz verliehen. (Code du travail 412–2)
Bemerkenswerterweise - wenigstens teilweise - unter Beteiligung der CGT, die ansonsten, seit dem Rückzug ihrer Minister aus der Regierung wieder verstärkt, konfliktorientiert bleibt Die CGT verweigerte sich allerdings dem abschließenden ‘accord’ (vom 13. 5. 1985) (Neue Züricher Zeitung vom 17.5. 1985). In diesem ‘accord’ wurde u.a. die Empfehlung an den Gesetzgeber ausgesprochen, die Möglichkeiten des Rekurses gegenüber der Regelung von 1982 wieder zu erweitern, was dann mit dem Gesetz vom 25.7.85 ja auch geschah. Zur Position der CGT vgL u.a. das Vorwort von Krasucki zu dem Buch von Tartakowsky (1985).
So in der Präambel der zwischen den beiden Zeitarbeitgeberverbänden (PROMATT; UNETT) und den Gewerkschaften (CFDT; CFTC; FO; CGC) verhandelten Vereinbarungen. Die Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) scheint sich ihren Mitgliedern gegenüber für die Teilnahme an den Verhandlungen im Rechtfertigungsdruck zu befinden. Paulette Hofman, die zuständige Gewerkschaftssekretärin, fühlt sich bemüßigt hervorzuheben, es erscheine zwar paradox, sei aber nichtsdestoweniger wahr, daß die Zeitarbeit nunmehr von allen Formen prekärer Arbeit die am besten geschützte sei Vgl. FO-Hebdo, 262. 1986. In diesem Sinne neuerlich, LS Mensuel, N° 26 (Février) 1988, 74 ff. Allerdings wird dort auch nachdriicklich auf die Probleme der Implementation einer wirksamen Interessenvertretung in den Zeitarbeitsunteünehmen aufmerksam gemacht. Es gebe noch einiges zu verbessern, so Vertreter unterschiedlicher Gewerkschaften übereinstimmend ‘L’intérim, encore du grain à moudre.’
Wie etwa in NRW durch den FimaIv. von mobilen Einsatzgruppen der Gewerbeaufsicht. (MAGS 1986)
In verschiedenen Expertengesprächen mit für die Überwachung der Arbeitnehmerüberlassung zuständigen Mitarbeitern von Landesarbeitsämtern wurde ein latenter Zielkonflikt zwischen Überwachungsaufgabe einerseits und der vertrauensvollen Zusamenarbeit mit Betrieben bei der Vermittlung Arbeitssuchender andererseits dargestellt. Dieser Konflikt könnte durch eine andere Zuordnung der Kontrollkompetenz vermieden werden.
Besonders deutlich wurde dies im Verlauf der achtziger Jahre bei der Teilzeit-Arbeit, die - zunächst von den Gewerkschaften pauschal abgelehnt - inzwischen in vielen Tarifverträgen umfassend geregelt ist. In bezug auf andere Formen a-typischer Beschäftigung ist die Diskussion erst seit kurzem in Bewegung gekommen, etwa auf der von der Hans-Böckler-Stiftung veranstalteten Tagung über’Fleexibilität und soziale Sicherheit“, am 3L 10. 1989 in Düsseldorf; vgL zum Stand der Debatte auch Mückenberger (1989).
Vgl Brose/Bode/Voswinkel (1990). Auch die von der IGM jüngst aufgelegten ‘Empfehlungen zur Leiharbeit“, die dem einzelnen Leiharbeitnehmer und den Betriebsräten (in den Einsatzbetrieben) Hilfestellung bei derPrüfung von Zeitarbeitsverträgen geben sollen (Handelsblatt vom 6.2.90), deuten zwar eine gestiegene praktische Sensibilität für das Problem an. Die Form individueller
FAZ v.18. 9. 87; u.a.: Mindestlöhne in fünf Gruppen; Mindesturlaub; Sonder-und Urlaubszahlungen nach mindestens 6 Monaten Betriebszugehörigkeit. Es muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß diese Regelungen jeweils an der Untergrenze der andernorts üblichen Standards liegen. Es wirft kein gutes Licht auf viele Zeitarbeitsunternehmer, daß auch diese wirklich minimalen Standards innerhalb des BZA - wie verlautet - umstritten waren und als überzogen und tendenziell ruinös bezeichnet wurden.
Vgl. Handelsblatt vom 20./212.87 und vom 1. 3. 1988.
Damit verschärft sich die Frage, inwieweit die Arbeitgeberverbände der Zeitarbeitsbranche diese insgesamt organisieren und vertreten können. Davon würde ja auch die Umsetzung eines Tarifvertrages entscheidend abhängen. Der BZA wies zumeist darauf hin, daB die in seinem Verband organisierten Unternehmen etwa 50% des Umsatzes der Branche ausmachten. Nach dem Obertritt einiger Zeitarbeitsunternebmen in die Schutzgemeinschaft Zeitarbeit“ trifft das nicht mehr ganz zu. Jetzt verlautbart der BZA, daß von den Firmen, die mit 60.000 Beschäftigten *einen Marktanteil von etwa 50% darstellten”, 90% im BZA vertreten seien. (Handelsblatt vom 293. 1990 )
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© 1990 Leske + Budrich, Opladen
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Brose, HG., Schulze-Böing, M., Meyer, W. (1990). Zwischen Verbotsforderung und Regulation — Zeitarbeit im Spannungsfeld industrieller Beziehungen. In: Arbeit auf Zeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91374-6_6
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