Zusammenfassung
[Die skeptische Philosophie lehrt seit mehr als zweitausend Jahren, es sei unmöglich, die Bedeutung oder die Wahrheit schlüssig zu ermitteln. Doch die Ermittlung von Bedeutung und Wahrheit in der Mathematik ist gerade das Ziel der ‚Grundlagenforschung’.]
Diese Arbeit wurde zuerst in Aristotelian Society Supplementary Volume 36 [1962] veröffentlicht. Ein Sonderdruck dieser Arbeit in Lakatos’ Bibliothek enthielt einige handschriftliche Verbesserungen, von denen wir einige übernommen haben. Ursprünglich handelte es sich um den zweiten Vortrag auf einem Symposion über die Grundlagen der Mathematik auf der gemeinsamen Sitzung der Aristotelian Society und der Mind Association an der University of Leicester im Juli 1962. Der Vortrag begann mit einer kurzen Diskussion des ersten Symposion-Beitrages (R. L. Goodstein [1962]). Sie ist ohne diesen Zusammenhang schwer verständlich, daher haben wir sie weggelassen. Die wesentlichen Gedanken der Arbeit werden dadurch in keiner Weise berührt. Die einführende Anmerkung des Verfassers lautete: ‚Der Kenner wird den Einfluß der Philosophie Karl Poppers in der gesamten Arbeit bemerken. Es war mir technisch unmöglich, jeweils auf ihn zu verweisen — ich muß davon ausgehen, daß der Leser im folgenden viele der Gedanken von `Logik der Forschung’ und ‚Conjectures and Refutations’ wiederfindet. Ferner bin ich A. Musgrave und T. J. Smiley, die die erste Fassung lasen, für viele wertvolle Anregungen und Kritiken dankbar. W. W. Bartley machte mich auf die zentrale Rolle des Streites zwischen Skepsis und Dogmatismus in der Geschichte der Erkenntnistheorie aufmerksam. Großen Gewinn brachte mir auch die Diskussion der beiden ersten Abschnitte mit S. Körner und J. C. Shepherdson.’ (D. Hrsgg.)
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Literature
Die klassische Beschreibung dieses Programms findet sich bei Pascal [1659].
Eine höchst lyrische Beschreibung einiger Seiten einer empiristischen Theorie findet sich bei Schlick [ 1934 ]. Eine sehr durchsichtige und anschauliche Behandlung findet sich bei Braithwaite [1953], passim, insbes. S. 350–354.
R. B. Braithwaite zeigte, daß eine streng empiristische Theorie ohne theoretische Begriffe sinnvoll sein kann, aber sich nicht weiterentwickeln kann ([1953], S. 76). Strenge Empiristen — wie Schlick und Ramsey — versuchen der unerträglichen Sinnlosigkeit von Hypothesen höherer Ebene dadurch zu entgehen, daß sie sie `Regeln` nennen.
Vgl. Popper [1959], § 24. Ich weiß nicht, wer zuerst vorgeschlagen hat, ernstzunehmende wissenschaftliche Theorien auf Widerspruchsfreiheit zu prüfen.
Vgl. Braithwaite u.a. [1938].
Watkins [1958].
Der Gummi-Euklidianismus liefert manchmal Beweise mit einer erheiternden Schein-Strenge. Mach nennt den Euklidianismus in der Wissenschaft `Sucht zu beweisen’ (Mach [1883], Kap. 1, § 5, Ziff. 5). Er gibt eine eindrucksvolle Aufzählung: ‘Archimedes beweist in der angedeuteten Art sein Hebelgesetz, Stevin sein Gesetz des schiefen Druckes, Daniel Bernoulli das Kräfteparallelogramm, Lagrange das Prinzip der virtuellen Verschiebungen’ (1.5.3). Er hätte natürlich viele weitere Namen nennen können, wie Mauptertuis und Euler, dessen Euklidische Neigungen er in anderem Zusammenhang bespricht (Kap. 4, § 2). (Doch er übergeht Eulers Beweise der Newtonschen Axiome.)
Russells `konstruktivistische’ Methode war ein Versuch, das Problem der induktiven Definition zu lösen und so eine feste theoretische Grundlage für seinen Induktivismus zu gewinnen. Eine ausgezeichnete Behandlung findet sich bei Weitz [1944].
Vgl. Carnap [1936] und wegen der neueren Literatur einige Artikel und Literaturangaben bei Feigl u.a. [1958].
Der Gedanke läßt sich zurückverfolgen auf Leibniz [1678] und Huygens [ 1690 ], Vorwort. Die induktive Logik wurde von Keynes, Reichenbach und Carnap durch die neue, schwächere Wahrscheinlichkeitslogik ersetzt. Literaturhinweise und Kritik bei Popper [1959], Kap. 10.
Zur Ethik s. Sidgwick [ 1874 ], Buch 3 (Intuitionismus); neuere Literatur bei Warnock [1960]. Zur Wirtschaftswissenschaft s. z.B. Robbins [1932], S.78f., und v. Mises [1960], S.12 f., dt. S.12 f.
Abel [1826b], S.263.
Ramsey [1931], S.56, und im Anschluß daran Russell [ 1959 ], S.125, kennzeichnen so ihre eigene Zielsetzung und Methode.
Braithwaite [1953], S.353.
So gilt z. B. nach Couturat ([1905], Kap. 1, dt. S. 7f.): `Die Evidenz [ist] nicht nur keine Bedingung, sondern eher ein Hindernis logischer Strenge. Evidenz [ist] ganz subjektiv, also der Logik fremd.’
Der Ausdruck stammt von Ryle [1953].
Vgl. Lakatos [1961], Kap. i (* wesentlich verändert als Lakatos [1976c], Kap. 1 (d.Hrsgg.)). [[Vgl. insbes. Abschn. 4.2.]]
Vgl. auch Wang [1959].
Oder: `Die Anerkennung logischer Grundsätze als kanonisch braucht weder auf willkürlichen Gründen noch auf ihrer angeblich für sich selbst sprechenden Maßgeblichkeit zu beruhen, sondern darauf, daß sie bestimmte postulierte Ziele erreichen.’ (Nagel [1944], S. 82; Hervorhebung von mir.)
Vgl. das Friessche Trilemma (Fries [1831]). Vgl. Popper [1959], §25.
Ein anderer dogmatischer Ausweg ist die Vogel-Strauß-Politik: so tun, als sähe man nichts. Darin zeichneten sich die logischen Positivisten besonders aus. Sie hatten ein spezifisches Interesse daran, das Scheitern des Russelschen Versuches der Begründung der mathematischen Gewißheit zu verschleiern, weil sie behaupteten, die größte Revolution in der Geschichte der Philosophie durchzuführen, und zwar mittels des `unerbittlichen Urteil[s] der neuen Logik’ (Carnap [1930/31], S. 13). ‘In dieser neuen Logik lieg der Punkt, von dem aus die alte Philosophie aus den Angeln zu heben ist’ (ebenda). Kein Wunder, daß in dieser Arbeit schon jeder Hinweis auf die Tatsache sorgfältig vermieden wird, daß die `neue Logik’, dieses mächtige Bollwerk des logischen Positivismus, falsch sein könnte. Nach Hempel hat der Logizismus gezeigt, daß `die Aussagen der Mathematik dieselbe unbezweifelbare Gewißheit haben, wie sie kennzeichnend ist für Aussagen wie `Alle Junggesellen sind unverheiratet“ (Hempel [ 1945a ], S. 159 ).
Es gibt aber andere Methoden. So zeigten etwa Rosser und Wang [1950], daß das Quinesche System, falls widerspruchsfrei, falsch ist.
Vgl. Ramsey [19266], S.68.
Ebenda, S. 69.
Hilbert.*) Eine genaue Behandlung der Hilbertschen Theorie findet sich in Kap. 2 des vorliegenden Bandes, 3 (b). (D. Hrsgg.)
Henkin [1947].
Wir benutzen hier die Ausdrucksweise Kemenys: `Zwei Modelle sind wesentlich verschieden, wenn es Sätze gibt, die in einem wahr und im anderen falsch sind. (Das ist eine stärkere Eigenschaft als die Nicht-Isomorphie.)’ (Kemeny [1958], S. 164)
Weyl [1949], 5.281.
Ebenda.
Natürlich kann man jedes Problem durch Postulieren’ zum Verschwinden bringen. Wenn man die Intuition aufgibt, an der Gewißheit verzweifelt und Erkenntnisstatus und Gewißheit gleichsetzt, dann wendet man sich wohl von der Wahrheit ab und spielt mit formalen Systemen herum, nicht `gehemmt durch das Streben nach `Richtigkeit’ ’ und durch veraltete Russell-Hilbertsche Ideen wie die, man müsse ‘nachweisen, daß die neue Sprachform `richtig’ sei, die `wahre Logik’ widergebe’ (Carnap [1937], S. VI, V). Traurig, wie viele `Logiker’ diesem Rat folgten und rasch vergaßen, daß die Logik mit der Wahrheitsübertragung zu tun hat und nicht mit Symbolfolgen — und das auch noch, nachdem Carnap seinen Fehler zu erkennen begann. In ihren Arbeiten überwucherte die logische Technik den Gegenstand und entwickelte ein pervertiertes Eigenleben.
Bourbaki [1949a], S.8.
Der Mathematiker `sollte nicht vergessen, daß seine Intuition die höchste Autorität ist’ (Rosser [1953], S.11).
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Lakatos, I. (1982). Unendlicher Regreß und Grundlagen der Mathematik. In: Mathematik, empirische Wissenschaft und Erkenntnistheorie. Philosophische Schriften, vol 2. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91088-2_1
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