Zusammenfassung
Unsere Texte über den Vater des Lichts und das Lichtreich sind grundsätzlich Preishymnen. Der Sänger redet den Lichtvater mit lobpreisenden Anrufungen an. Vor seinem geistigen Auge enthüllt sich die glorreiche Lichtwelt mit ihren strahlenden Erscheinungen und vollkommenen Gestalten. Denn die Schönheit, die das Reich des Vaters kennzeichnet, impliziert, daß es in edelster Weise gestaltet ist. Die Lichtwesen tragen die Formen, nach denen der Beter sich sehnt; es sind himmlische Formen, die er nicht mehr besitzt, seitdem er in den irdischen Leib gebannt wurde. Ist die Ungeheuerlichkeit der Gestalt ein Kennzeichen der Wesen der Finsternis und ist das irdische Leben durch Gestaltwechsel und -wandel charakterisiert, so gehören die vollkommene Form (čihrag) und die edle Gestalt (pādgirb) zu den vom Lichtvater „geschaffenen“ Wesen, die ihn wie ein Hofstaat umgeben. In Wirklichkeit sind sie allerdings nicht handwerklich erschaffen, sondern ins Leben „gerufen“, wobei sicherlich die alttestamentliche Idee des Schöpfungswortes nachwirkt (vgl. Ps. 33,6). Zwar wird die Gestalt des Vaters nirgends beschrieben, denn er ist die Quelle und der Ursprung aller himmlischen Wesenheiten, er ist der „allgestaltige Höchste“; dennoch wird deutlich, daß auch er von strahlender Schönheit und glänzender Gestalt ist, obgleich unermeßlich, alles Sichtbare übersteigend. Er präsentiert sich in seinen himmlischen Erscheinungen. Zu diesen gehören zunächst jene zwölf Größen, die zwölf Äonen repräsentieren und ihn als seine Söhne umgeben. Hinzu kommt das überaus prächtige Gefolge von Göttern und Gottheiten, die in den Blick kommen, wenn man des Vaters ansichtig werden will. Diese haben ihren Platz im Reich des Lichts mit seiner Lichterde, seinem „lebendigen Luftraum“, seinem „Lichtspeicher“, der zahlreiche Welten sichtbar werden läßt, die zu jenem transzendenten Reich des Lichts gehören. Daß das Leben dort im Angesicht des Vaters den Inbegriff vollkommenen Seins repräsentiert, geht aus jenen Kennzeichnungen hervor, die die göttliche Welt als rein, glänzend, schön, ruhig, freudevoll, ambrosiahaft und duftend beschreiben. Wenn der Sänger den Vater als „urersten Vorfahren“ anredet, so wird deutlich, daß er, obwohl von diesem Reich grundsätzlich getrennt, doch auch zur „Familie des Lichts“ zählt. Denn die fünf Glieder seiner himmlischen Seele entsprechen den Gliedern des Lichtreiches, die zugleich Glieder Gottes sind. Durch sein Lob stimmt der Sänger also ein in das Lob der „Versammlung des Lichts“.
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Literatur
Henrichs/Koenen, „Ein griechischer Mani-Codex“, in: ZPE 5 (1970), 161–189
C. H. Puech, „Die Religion des Mani“, in: Christus und die Religionen der Erde III. Wien 1956, 552.
P. Nagel, Die Thomaspsalmen des koptisch-manichäischen Psalmenbuches. Berlin 1980, 122–134
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Klimkeit, HJ. (1989). Iranische liturgische Texte. In: Hymnen und Gebete der Religion des Lichts. Abhandlungen der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91073-8_2
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Online ISBN: 978-3-322-91073-8
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