Zusammenfassung
Seit uralten Zeiten schloß der Mensch aus der Bewegung der Sonne und der Planeten auf die Zeit. Schon die Chaldäer62 konstruierten Sonnenuhren, bei denen die Zeit vom Schatten eines Stabes — des Gnomons — abgelesen wurde. Auch die alten Ägypter benutzten ähnliche primitive Uhren. Die Sonne beschreibt scheinbar am Himmel einen Kreis, und deshalb durchläuft der Schatten des Stabendes auf der gewählten Ebene der Sonnenuhr im allgemeinen einen Kegelschnitt. Weil sich aber die Sonnenbahn von Tag zu Tag ändert, ist es nötig, auf dem Zifferblatt der Sonnenuhr eine Reihe solcher Kegelschnitte zu konstruieren, längs deren sich der geworfene Schatten der Gnomonspitze zu bestimmten Jahreszeiten bewegt (Abb. 61). Die Sonnenuhren waren sehr verbreitet und beliebt. Anweisungen zu ihrer Konstruktion freilich — der Gewohnheit der Zeit entsprechend waren das lediglich Vorschriften ohne Begründung — finden wir erst in Kalendern aus der zweiten Hälfte des 16.Jh. Man schmückte mit diesen Uhren die Wände von Kirchen und Schlössern. In England benutzt man noch heute Sonnenuhren als Schmuck von Gärten alter Schlösser oder auch moderner Villen63. In Prag hat sich eine Anzahl alter Sonnenuhren erhalten, z. B. an den Wänden des Klementinums64, am Turm der Kirche „Glorreiche Jungfrau Maria“65 usw.
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Anmerkungen der Herausgeber
Chaldäer: semitisches Volk, wanderte aus der nördlichen Hälfte der arabischen Halbinsel an der Wende vom 2. zum 1. Jahrtausend v. u. Z. in den südlichen Teil Mesopotamiens ein und bildete im 7. Jh. v. u. Z. das neubabylonische Reich.
Seit diese Zeilen geschrieben wurden, haben sowohl alte als auch moderne Sonnenuhren eine derartige Verbreitung und Beliebtheit wiedererlangt, wie sie F. Kadefâvek 1935 kaum voraussehen konnte. Heute gibt es eine Fülle von Spezialliteratur über geometrisch-astronomische und kulturhistorische Aspekte von Sonnenuhren [42], [59].
Klementinum: nach dem Hradschin der größte alte Baukomplex in Prag, nahe dem Altstädter Brückenturm der Karlsbrücke, um die Mitte des 16.Jh. von Jesuiten an der Stelle eines Klosters aus dem 13. Jh. und der zugehörigen St.-Klemens-Kirche als Höhere Bildungsanstalt erbaut. Beherbergt heute die Staatsbibliothek der Tschechischen Republik.
Glorreiche Jungfrau Maria: Kirche der Prager Kleinseite, ursprünglich lutherisch, um 1640 im Barockstil umgebaut.
Das Bild eines Kugelkreises ist offenbar genau dann eine Gerade der Bildebene, wenn dieser Kreis durch das Projektionszentrum geht, weil die projizierenden Strahlen dann eine Ebene bilden. Aus der Sicht der stereographischen Projektion erscheinen die Geraden einer Ebene als Ausartungsfälle von Kreisen mit unendlich großem Radius bzw. unendlich geringer Krümmung bzw. als Kreise durch den unendlich fernen Punkt. Diese sehr fruchtbare Vorstellung führt zur sogenannten Möbiusschen Geometrie der euklidischen Ebene (nach dem Leipziger Mathematiker August Ferdinand Möbius, 1790–1868). Daß bei der stereographischen Projektion die Kreise der Kugeloberfläche auf die Kreise (einschließlich der Geraden) der Ebene abgebildet werden, wurde erstmals in schriftlich überlieferter Form in der Abhandlung „Planisphaerion“ des antiken Astronomen, Mathematikers und Geographen Klaudios Ptolemaios (um 80—um 160) bewiesen [50], [51]. Erst in der Renaissance entdeckte man, daß diese Abbildung auch winkeltreu ist, was sie z. B. für Seekarten geeignet erscheinen läßt. Terrestrische Karten auf der Grundlage der stereographischen Projektion hat vermutlich als erster der deutsche Mathematiker Johannes Werner (1468–1528) in Nürnberg entworfen.
Auf Grund neuester Forschungen [65] ist die Prager astronomische Uhr wahrscheinlich schon im Jahre 1410 von dem aus der nordwestböhmischen Stadt Kadari stammenden Uhrmacher Mikulâg in Zusammenarbeit mit dem Prager Universitätsprofessor Jan Ondiejfiv genannt Sindel (um 1375—um 1445) konstruiert und gebaut worden. Um 1490 wurde sie durch ein Kalenderzifferblatt erweitert, das von dem Prager Uhrmacher Jan (volkstümlich Hanug) Rtiüze und seinem Gehilfen Jakub Cech gebaut wurde. Anscheinend ist aus diesem Jan Rüze im Laufe der Zeit die von Legenden umrankte Gestalt des „Meister Hanug“ entstanden, der bis heute in fast allen Reiseführern und Büchern über Prag mit großer Bestimmtheit als Schöpfer der Prager Uhr genannt wird. Die Legenden über Hanug und die Uhr findet man zum Teil in der erst kürzlich ins Deutsche übersetzten Sagensammlung [64].
Tschechische Stunden: Teilung eines Tages in 24 gleichlange Stunden mit Beginn bei Sonnenuntergang. Deutsche Stunden: Teilung des Tages in zweimal 12 gleichlange Stunden mit Beginn um Mitternacht bzw. Mittag (Höchststand der Sonne). Jüdische Stunden: Teilung des Tages zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang in 12 Stunden und der Nacht zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang in ebenfalls 12 Stunden, beginnend mit dem Sonnenuntergang (vgl Anmerkung 23).
wurde das alte Kalenderzifferblatt durch eine Malerei von Josef Manes (1820–1871), einem der bedeutendsten tschechischen Maler, ersetzt. Diese Malerei wurde aber schon 1882 in das Prager Stadtmuseum gebracht und durch eine Kopie von E. Ligka ersetzt. Während des Prager Aufstandes vom 5. bis 9. Mai 1945 wurde die Uhr stark beschädigt. Insbesondere verbrannten die Plastiken an den Pfeilern (aus dem Jahre 1659 und aus dem 18. Jh.), die Apostel mit Jesus Christus (von E. Veselÿ aus dem Jahre 1864) und die Kopie des Tierkreises von E. Ligka. Die neuen Apostelfiguren hat V. Sucharda geschaffen, und 1962 wurde auch eine neue Kalendertafel von B. Cíla eingesetzt. Einzig die gotische Statue der Madonna ist immer noch ein Original aus der Zeit um 1380. Die vorläufig jüngste Restaurierung der Uhr wurde 1988 abgeschlossen (Abb. 76).
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© 1992 B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig
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Kadeřávek, F., Nádeník, Z., Schreiber, P. (1992). Projektionen des Kreises. In: Nádeník, Z., Schreiber, P. (eds) Geometrie und Kunst in früherer Zeit. Einblicke in die Wissenschaft. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90913-8_4
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